Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0369
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Heft 11/12
DOI article:Fechter, Paul: Magnus Zeller
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73 /4AA/7<Ynno'c/'; Von P/KVA EECEEEP
Magnus geller
Tn der malerifcßen Situation der Gegenwart fpürt man, nachdem der Expreffionismus
] mit [einem Einzug in die Nationalgalerie eben erft gewiffermaßen die offizielle An-
*** erkennung gefunden hat, eine leicßte Krifenluft. Curt Glafer hat das ßübfcße (Hort
vom fauren Kitfcß für die Mitläufer gefunden, im Gegenfa^ zum fußen Kitfcß der
früheren — (Hilßelm gaufenftein, einft begeifterter Vorkämpfer des Neuen, redet fo
peffimiftifcß, wie es vor dem Krieg nur Julius Meier-Graefe tat, und ein Maler wie
Ludwig Meidner erklärt öffentlich als notwendige Vorausfet$ung und Korrelat der
ekftatifcßen Kunft, die auch er erfeßnt, einen konfequenten Naturalismus. Man füßlt,
wie fiel) unter der Oberfläche bereits wieder irgendein (Handel, ein Neues ankündigen
will — und muftert unwillkürlich die Reihe der Jüngeren, die hinter der Generation
des reifen Expreffionismus aufrücken, ob dort vielleicht Spuren und Anzeichen fießt-
bar werden, aus denen man den Sinn des Kommenden deuten oder wenigftens
ahnen kann.
Eine folche Vor- oder Rückfchau ift im allgemeinen nicht allzu ergiebig. Man fielet
viele Kräfte am (Herk: was fehlt, ift Inftinkt oder Bewußtheit für die Rid)tung, in der
ein (Heiterbilden finn- und zeitgemäß ift. Die einen haben aus dem Expreffionismus
der reinen Farbe, wie ihn der Dresdner „Brücke"-Kreis zuerft in die (Heit fetzte, unter
gufat$ kubiftifcher und Chagallfcher Elemente verfucht, ein Neues zu formen, ohne
über gufammenfe^ung und Kombination zu einer gefühlten Sgntßefe vorzudringen;
die andern fuchen von dem tonigen Impreffionismus der alten Sezeffion aus über
Kokofchka durch mehr oder weniger literarifche Steigerung des Gßemas ins Kosmifcß-
Religiöfe und Überhöhung der tragenden Gonigkeit durch lichttragende lineare Gelb-
ornamentierung den hier zugrunde liegenden Naturalismus zu überwinden. Über die
Abficht kommen beide Strömungen nur feiten hinaus; es fehlt die wefentliche Voraus-
fetjung: gelebtes Leben, das nach Äußerung drängt.
gu den wenigen, die neben diefen mehr oder minder von einer Gefamtrichtung be-
ftimmten Malern ihren befonderen perfönlichen (Heg fuchen, gehört Magnus geller.
In feinen Arbeiten fpürt man etwas von dem, was man bei den meiften andern ver-
mißt: gelebtes Leben, einen Menfcßen, der aus feinen Notwendigkeiten wirkt, nicht
aus einem fo oder fo beftimmten Verhältnis zu den Strömungen der Gegenwart. Er
fteßt ifoliert, nicht ohne Beziehungen zu Gleichaltrigen, aber doch fo, daß das Ent-
feßeidende fein Befonderes, nicht das zeitlich Gemeinfame ift.
ßeller, ein entfernter Verwandter Eduard gellers, des Gefcßicßtsfcßreibers der grie-
cßifcßen Pßilofopßie, ftammt aus einer Gßeologenfamilie. Er begann feine Laufbahn
als Maler bei Corintß, der ißm nach Möglichkeit die Anfänge erleichterte, gwei
(Hinter arbeitete er dort; dann malte er auf eigene Fauft weiter, ging zufammen mit
Claus Ricßter nach Paris und [teilte, bald nach feiner Rückkehr, zum erftenmal in der
Berliner Sezeffion aus. Von da an kehrte er immer wieder, mit Bildern, geießnungen,
die immer nur wie Andeutungen feines (Hefens wirkten und Neugier auf weiteres
weckten. Der Krieg warf ißn, wie fo viele, unter die Armierungstruppen, bis er
fcßließlicß in Ober-Oft landete, als Ordonnanz der Preffeabteilung, die auch Eulenberg,
Scßmidt-Rottluff u. a. beherbergte. F)ier begann er wieder zu arbeiten; eine Aus-
heilung, die die (Hilnaer geitung 1917 in (Hilna veranftaltete, zeigte neben Arbeiten
von Seckendorf, Böckftiegel, Büttner, Struck auch mehrere Bilder von Magnus geller;
Der Cicerone, X!II. Jat)rg., Qeft U/12
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Magnus geller
Tn der malerifcßen Situation der Gegenwart fpürt man, nachdem der Expreffionismus
] mit [einem Einzug in die Nationalgalerie eben erft gewiffermaßen die offizielle An-
*** erkennung gefunden hat, eine leicßte Krifenluft. Curt Glafer hat das ßübfcße (Hort
vom fauren Kitfcß für die Mitläufer gefunden, im Gegenfa^ zum fußen Kitfcß der
früheren — (Hilßelm gaufenftein, einft begeifterter Vorkämpfer des Neuen, redet fo
peffimiftifcß, wie es vor dem Krieg nur Julius Meier-Graefe tat, und ein Maler wie
Ludwig Meidner erklärt öffentlich als notwendige Vorausfet$ung und Korrelat der
ekftatifcßen Kunft, die auch er erfeßnt, einen konfequenten Naturalismus. Man füßlt,
wie fiel) unter der Oberfläche bereits wieder irgendein (Handel, ein Neues ankündigen
will — und muftert unwillkürlich die Reihe der Jüngeren, die hinter der Generation
des reifen Expreffionismus aufrücken, ob dort vielleicht Spuren und Anzeichen fießt-
bar werden, aus denen man den Sinn des Kommenden deuten oder wenigftens
ahnen kann.
Eine folche Vor- oder Rückfchau ift im allgemeinen nicht allzu ergiebig. Man fielet
viele Kräfte am (Herk: was fehlt, ift Inftinkt oder Bewußtheit für die Rid)tung, in der
ein (Heiterbilden finn- und zeitgemäß ift. Die einen haben aus dem Expreffionismus
der reinen Farbe, wie ihn der Dresdner „Brücke"-Kreis zuerft in die (Heit fetzte, unter
gufat$ kubiftifcher und Chagallfcher Elemente verfucht, ein Neues zu formen, ohne
über gufammenfe^ung und Kombination zu einer gefühlten Sgntßefe vorzudringen;
die andern fuchen von dem tonigen Impreffionismus der alten Sezeffion aus über
Kokofchka durch mehr oder weniger literarifche Steigerung des Gßemas ins Kosmifcß-
Religiöfe und Überhöhung der tragenden Gonigkeit durch lichttragende lineare Gelb-
ornamentierung den hier zugrunde liegenden Naturalismus zu überwinden. Über die
Abficht kommen beide Strömungen nur feiten hinaus; es fehlt die wefentliche Voraus-
fetjung: gelebtes Leben, das nach Äußerung drängt.
gu den wenigen, die neben diefen mehr oder minder von einer Gefamtrichtung be-
ftimmten Malern ihren befonderen perfönlichen (Heg fuchen, gehört Magnus geller.
In feinen Arbeiten fpürt man etwas von dem, was man bei den meiften andern ver-
mißt: gelebtes Leben, einen Menfcßen, der aus feinen Notwendigkeiten wirkt, nicht
aus einem fo oder fo beftimmten Verhältnis zu den Strömungen der Gegenwart. Er
fteßt ifoliert, nicht ohne Beziehungen zu Gleichaltrigen, aber doch fo, daß das Ent-
feßeidende fein Befonderes, nicht das zeitlich Gemeinfame ift.
ßeller, ein entfernter Verwandter Eduard gellers, des Gefcßicßtsfcßreibers der grie-
cßifcßen Pßilofopßie, ftammt aus einer Gßeologenfamilie. Er begann feine Laufbahn
als Maler bei Corintß, der ißm nach Möglichkeit die Anfänge erleichterte, gwei
(Hinter arbeitete er dort; dann malte er auf eigene Fauft weiter, ging zufammen mit
Claus Ricßter nach Paris und [teilte, bald nach feiner Rückkehr, zum erftenmal in der
Berliner Sezeffion aus. Von da an kehrte er immer wieder, mit Bildern, geießnungen,
die immer nur wie Andeutungen feines (Hefens wirkten und Neugier auf weiteres
weckten. Der Krieg warf ißn, wie fo viele, unter die Armierungstruppen, bis er
fcßließlicß in Ober-Oft landete, als Ordonnanz der Preffeabteilung, die auch Eulenberg,
Scßmidt-Rottluff u. a. beherbergte. F)ier begann er wieder zu arbeiten; eine Aus-
heilung, die die (Hilnaer geitung 1917 in (Hilna veranftaltete, zeigte neben Arbeiten
von Seckendorf, Böckftiegel, Büttner, Struck auch mehrere Bilder von Magnus geller;
Der Cicerone, X!II. Jat)rg., Qeft U/12
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