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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 6
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Däubler, Theodor: Stanislaus Stückgold
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0209

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Von 77/EODO/? DA VE AE/?
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Stanislaus Stückgold

T^ein Volk Europas befragt die Sterne, wenn es fein Schickfal deuten wiii, aber es
gibt eine übervölkifche Ant)ängerfd)aft des Geftirngiaubens, die ift über die ganze
(Heit verbreitet. Für folche Menfchen, vor aiiem für Seeien, die ihren Leib ais
Ergebnis unendlichen (Hirkens der Leuchten im Eierkreis Raiten, fchafft der Poie und
Jude Stanislaus Stückgold plaftifche Schöpfungen. Ein fchwer geprüfter, den Jahren
nach faft aber Mann, trotzdem ein vertrauender und kindlicher Geift, hat er Augen-
blicke, da ihm das (Hefen von Menfchen und (Herken fternenklar wird. Hnd feine
Augen blicken da befonders gütig und geheimnisvoll. (Sternenklar fei fo gebraucht, wie
man fonnenklar zu fagen pflegt.) Stückgold ahnt, ja fchaut plötzlich die Herkunft eines
(Hefens von Planeten, aus Geftirnen. Er wittert des Menfchen unendliche Beziehungen
zu den flammenden Schriften, die der Schöpfer, uns zu Fjäupten, im Eierkreis empor-
fteigen und allmählich wieder verfinken läßt. (Heil wir leiblich fterben follen! Diefer
jüdifche Maler hat nun unendlich viele Arabesken gefunden, in denen einige der zwölf
rätfelhaften Sternzeichen, je nach Stand und Bindung jedes einzelnen am Fjimmel, ver-
knüpft und nur durch sine ganz frommes Leben lösbar find. Diefe feltenen Ergebniffe
feiner Eingebung bleiben dann geheimnisvoll, aber doch wohl auch einfach zu deuten:
meiftens wohnt ihnen eine ganz neue Schönheit inne; man ftaunt über die Schlichtheit
großer Sternverknotungen. Fjätten die Sterngläubigen bereits wieder einen Eempel, fo
müßte Stückgold ißn ausfcßmüdcen! Diefer von Menfcßen verlaffene Künftler und heb-
fehende Eraumkenner lebt in München. Ein (Heib, dem Kunden über Seelen plötzlich
vor den Augen ftehen, hat ihn aufgefordert zu malen. Stückgold mußte ißr folgen.
Somit ift er kein Könner im geforderten Sinn des (Hortes, aber ein Erkenner von
Menfcßen, oft ein Entkerner ferner Verborgenheiten. Seine Bekenntniffe funkeln dann
in Farben ausgedrückt: wie flammende jungen fprechen bunte Bündel oder auch un-
auffällige Eapeten, abfichtlid) in einer Farbe gemalte, fonft geringfügige Gegenftände:
diefer Mann ift fo. Diefes (Heib ift anders als es zu fein fcheint. Eine ftaunenswerte,
oft unbequeme Porträtkunft! Stückgold kann nichts dafür, nimmt nichts dafür. Er,
der 3eitgenoffe von Kandinfkg, fchaut hellfeherifch Farbenfgmbolik, und ungefchminkt
fagt er von (Hefenheiten: blau und filbern oder rot und gelb. Lilagrün. Getrübt-gelb,
erdgelb und noch vielfach andres! Hnd das ift dann eine Pfingftfchrift über den Köpfen
der Leute, die um Stückgold leben. So kann man ihn als Schöpfer auch irgendwie
einen Eraumwandler nenen. „Die Mondgeherin" nennt er fein reifftes Bild! Ein (Heib
in den Sternenweben des Schickfals, leicht vom Mondlicht unter den Arm genommen,
fchreitet da faft fchwebend, ganz ftill — fchlafumwaltet, über den Giebeln einer nacF)t-
verfunknen Stadt tun. Selten ift das dichterifch und künftlerifch augenfällige Problem
des Nachtwandlers fixerer und überzeugender gelöft worden.
(Henn Stückgold über Erwachsene ßungen in deutbaren Farben emporlecken läßt, fo
ftellt er in feinen paar Kinderporträts neben die Dargeftellten Blumen. Lieblingsblumen
jedes noch einfältigen (Hefens; weil wir unfre Lieblingsfterne, hier auf Erden, nicht
kennen dürfen. Ein kosmifcher Raufch weht durch feine einfachen (Herke.

Der Cicerone, X!1I. ]at)rg., peft 6

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