Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (13.1921)

Neue Bücher

Gefellfcßaft, in [einem Buche „Der Kubismus"
(Vertag Klinkßardt & Biermann). Die[es ift meßr
ats eine Befcßreibung des Phänomens, es i[t
ein leidenfcßaftlicßes Gtaubensbekenntnis, ein
Dokument der Liebe. Die[er mit guten Repro-
duktionen verfeßene kleine Band, der mit hin-
reißender Sprache ge[d)rieben i[t, baut aus Ge-
danken, die tie[, (Horten, die glänzend, Ver-
gleichen, die kühn [ind, die (Heltauffaffung au[,
ats deren notwendiger kün[tteri[cher Ausdruck
der Kubismus er[cheint. „Dies war unfer(Hunfcß:
ein Geftaltungsprinzip, das von geizigen Strö-
mungen ge[pei[t, immer weiter um [ich greift,
immer neue Jünger beruft, ats Ausdruck be-
[timmter menfchticher Seßnfücßte und Hoffnungen
zu deuten und es damit aus der Verklammerung
zahtloferVorurteite zu befreien." Küppers findet
(Horte von größter [uggeftiver Kraft, (Horte, die
uns mit zwingender Gewalt in die (Heit hinein-
führen, die er liebt und uns in ihr ßeimifcß
machen: „Aus den blaffen Harmonien der Farbe
[teigen Linien empor, Prismen [chieben [ich hoch,
wachfen uns entgegen, [pringen zurück, brechen
Stufen in den unendlichen Raum, führen nach
oben und in die Liefe, verbreitern, vervielfältigen
[ich, [ammein [ich zu Akkorden, werden vom
Rhythmus befchwingt und tanzen nun auf der
abfoluten Mufik des Raumes. Man erlebt diefe
tranfzendente Dynamik nicht anders als die wirk-
lichkeitsferne Kontrapunktik Bachfcher Fugen
oder die hinimelftürmende Ausdrucksgewait goti-
fcher Dome." Schön ift auch, wenn er fagt:
„So [ind die Gegenftände gleichfam Fenfter, durch
dir wir aus dem Irdifchen in die Unendlichkeit
fchauen." Die Dichter und Denker vieler Länder
ftehen Küppers zur Verfügung, um durch ihre
(Horte das (Hefen der Gefinnung zu kennzeichnen,
von der er [pricht.
Er hat Recht, wenn er [agt, daß da, wo er
einen Kosmos feßaut, der berühmte „gefunde
Menfcßenverftand" nur die gertrümmerung der
Naturform gewährt. Diefer feiert [eine Orgien
in dem Buche „Die neue Kunft" von Otto
Grautoff (VerlagKarlSiegismund. Berlin), inner-
halb einer Sammlung „Die neue Chirurgie", „Der
neue Kaufmann", „Die neue Frau" ufw. Für
den gefunden Menfcßenverftand Otto Grautoffs
ift die Sacße ungeheuer einfach. „Der erfte
kubiftifeße Maler war der in Paris lebende Spanier
Pablo, Picaffo. Er hat zufammen mit den [cßalk-
ßaften Literaten Max Jacob und Guillaume Apol-
linaire den Kubismus erfunden —." Er zitiert
noch Louis Vauxcelles, den franzöfifeßen Grautoff,
und damit ift die Angelegenheit für ißn erledigt.
Sehr intoreffant [ind übrigens die Geficßtspunkte,
nach denen Grautoff Künftler gruppiert und die

Merkmale, nach denen er kunftgefcßicßtlicße
Unterfcßeidungen macht. „(Häßrend Künftler wie
Henri Rouffeau, Otto Müller und Max Pecßftein
das Unkomplizierte aus dem Menfcßen ßeraus-
zudeftillieren fueßten, [aßen andere mit böfem
Blick in jeder Seele das Leuflifcße. Sie hoben
es ßervor, unterließen es und [teilten Menfcßen
in ißrer feßwärzeften Stunde dar. AVtgraufamer
und leidvoller Eindringlichkeit haben Erich Heckei,
Ludwig Meidner, Max Beckmann, E. L. Kirchner,
Oskar Kokofcßka und andere die Menfcßen dia-
bolifiert. Das Böfe lag oft in ißnen, oft in ißren
Modellen." Diefer leßte Sa§, der an [ich [o
harmlos und faft etwas töricht klingt, gibt für
die Kunftgefcßicßte ganz neue (Hege an und
füßrt unerwartete Dinge, Gut und Böfe, Finfter
und Heiter als Geficßtspunkte ein, um die inter-
effanteften Gruppierungen vorzunehmen. Sehr
feßön find auch die zahlreichen Bilderbefcßrei-
bungen, die der Band enthält. Von Hodlers
Auszug der Studenten fagt er beifpielsweife „in
der lebten Geftalt rechts ftrömt dann das Gefüßl
des ekftatifcßen Opferwillens empor und reißt
den Nacßempfindenden in feine leidenfcßaftlicße
Ausdrucksweife hinein und mit". Diefes hinein
und mit ift wirklich gut. (Denn man bedenkt,
daß in Grautoffs letztem Buche noch der Saß
fteßt „fo ßoeß wie die gotifcßenBaumeifter ißre
Dome gebaut haben, forderte kein äußerlicher
Grund", kann der wohlwollende Lefer nur einen
bedeutenden ftiliftifcßen Fortfcßritt feftftellen und
es ift möglich, daß Otto Grautoff noch einmal
ein berühmter Scßriftfteller wird. Es wird ißm
diefes gelingen, wenn er weniger gefcßäftig ift.
(„Hn Monsieur qui est trop occupe" ift der Lite!
einer entzückenden Gefcßicßte, die der Gil Blas
einmal über Otto Grautoff brachte.) Die Lefer
der Bände „Die neue (Hoßnung", „Der neue
Globus", „Der neue Angeftellte" werden aber
mit dem vorliegenden Bande feßon feßr zu-
frieden fein. (Hilßelm Uh de.
Der Kun ft markt
Verweigerungen in New York
(Häßrend man der im Oktober begonnenen
neuen Saifon in Kunftßändlerkreifen mit etwas
gemifeßten Gefühlen entgegenfießt, denn die all-
gemeine Gefcßäfts- und Geldtage ift keineswegs
beßmders rofig, und Hoffnungen auf baldige
Befferung berußen auf gar unfießrer Grundlage,
[eßeint die (Tätigkeit in den Auktionsräumen
nießts zu wünfeßen übrig zu laffen. Der Ver-
kaufsangebote, und zwar von allen Seiten,
gibt es eben genug, und troß vielfach über-

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