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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 24
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Pelka, Otto: Barocke deutsche Elfenbeine
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0749

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Barocke deutfc^e Elfenbeine

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Tm Zeitalter des Barocks erlebte bekanntlich die Elfenbeinfcßni^erei ißre zweite große
! Blüte. Vorbereitet durch die Renaiffance, die im Kern ißres (Hefens eine Apotßeofe
*** des tndividuaiismus dar[te!it, und dadurch in den denkbar fcßärfften Gegenfaß zum
Mittelalter trat, gab dem 17. Jahrhundert aucß das kunftgewerblicße Gebiet durch die
Entfaltung repräfentativen Prunkes ein Mittel zur gesteigerten Betonung des Perfön-
licßkeitsgedankens.
In der deutfcßen und niederländifcßen Elfenbeinkunft ßat diefe ^eitftrömung, ent-
sprechend der befonderen geiftigen Veranlagung diefer beiden Völker, einen ganz be-
sonders Sichtbaren Niederfcßlag gefunden. Das Einfeßen der Gegenreformation hatte
zwar aucß hier ein Entgegenkommen von feiten diefer Kunft im Gefolge, allein die faft
endlofe 3aßl der Kruzifixe und fonftigen Andacßtsbilder, deren Entfteßung durch) diefe
kircßlicß-religiöfen ^eitftrömungen veranlaßt wurde, war doch) nur fozufagen eine Ab-
fcßlagsleiftung an die Kirche, die man nicßt überfeßen konnte und wobei die Künftler
außerdem Gelegenheit fanden in der Darftellung des Leidens die Großartigkeit der Ge-
bärde zu formen.
Allein was das 17. Jahrhundert in den nicßtromanifcßen Ländern überwiegend an
Elfenbeinwaren gefcßaffen und ßinterlaffen ßat, diente vorzugsweife weltlichen An-
sprüchen. Mit der Eröffnung der Handelsverbindungen nach Oftindien war auch die
Einfuhr des Rohftoffes von neuem gefiebert und fo konnte man auch von neuem wieder
feine Bearbeitung aufnehmen.
Es entstanden jene großen Pracßtfcßüffeln, Pokale und Humpen, die die Kredenzen
fcßmückten, oder man belegte die (Hände von (Außen und Kaffetten mit Reliefplatten,
felbft ganze Möbel überzog man mit ornamentalen und figürlichen Schnitzereien. Dazu
kamen die Gegenftände, die man für den täglichen Gebrauch benötigte: Dofen, Stock-
griffe, Cabaksreiben, Hefte für Eßbeftecke wurden ganz aus Elfenbein ßergeftellt; Arm-
brüfte, Bücßfenfcßäfte, Pulverflafcßen belegte man mit gravierten oder gefeßnittenen Ein-
lagen. Als Scßmuckftücke um ißrer felbft willen feßuf man rundplaftifcße Einzelfiguren
oder Gruppen nach hauptsächlich mytßologifcßen, aber auch nach allegorifcßen und
religiöfen Vorwürfen.
Bei allen diefen Arbeiten, und das ift bezeichnend, tritt das rein Ornamentale völlig
in den Hintergrund. Die Haupterrungenfcßaft der Renaiffance in der Plaftik, die (Hieder-
entdeckung der Scßönßeit des menfcßlicßen Körpers wird von den Barockkünftlern mit
leidenfchaftlicßer Hingabe aufgenommen und zu reicher Entfaltung gebracht.
Diefem Gefcßmack der 3?it und ißrer Freude an unverßüllter Sinnlichkeit kam meßr
noeß als Marmor und Alabafter das Elfenbein entgegen; denn kein anderes Material
ift imftande die weichen, fcßwellenden Formen eines weiblichen Körpers und die ftraffe
Muskulatur eines männlichen fo eindruckfam aucß im kleinen Maßftabe wiederzugeben
wie das Elfenbein, deffen Struktur der (Härme und (Heicßßeit des lebendigen Körpers
fo naße kommt. Hnd damit hängt des weiteren zufammen, daß der Elfenbeinfcßnißer
des 17. Jahrhunderts in einer Art unbewußter Äftßetik bei feiner Arbeit fieß unbeirrbar
allein von den Qualitätsreizen feines (Herkftoffes leiten läßt.
ln technischer Hinficßt geßt die Elfenbeinkunft der Barockzeit bei der Großplaftik in
die Schule. Seit dem beginnenden Mittelalter, d. ß. feßon feit altcßriftlicßer 3eit kann
man beobachten, daß derElfenbeinkünftler genau wie der Holzbildhauer fieß einer ausge-
sprochenen Scßnißtecßnik befleißigt oder aber aucß, wenn feineMefferfüßrung zeitweife dureß

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