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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 6
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Braune, Heinz: Oskar Moll
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0197

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Af/7 /o / Von Af/NZ M7?/C/r/lU

Oskar Mol!

T^\ic Unzulänglichkeit fefter Begriffe der bildenden Kun[t gegenüber kann nirgends
F deutlicher empfunden werden, als angefichts des Ringens unferer Lage. Gewiß
ßat cs in früheren geiten nicht weniger gegärt als heute, aber es ift wie beim
Glockenguß: die Blafen find längft zerplatzt, der Rauch verflogen; der Kern, die Form
ift geblieben und klingt, während wir heutigen vor dem dampfenden Ofen ftehen, der
die ungeklärte, glühende Maffe enthält. Die Glocke hängt noch nicht, der gufammen-
klang der Elemente unferer geit ift noch nicht vernehmbar. Impreffionismus und Ex-
preffionismus, Kubismus wie Realismus, es find nichts als einzelne Mofaikfteincßen, aus
denen fiel) das rätfelvolle Antü^ unferer geit zufammenfe^t, deffen güge im ganzen
erft dem Fernerftehenden ihren einheitlichen Ausdruck zu erkennen geben werden.
Viele der wertvollften Erlernungen, die einer Regiftrierung fpotten, dünken uns heute
widerfpruchsvoll gegenüber dem Ganzen. Vielleicht aber find gerade fie dazu berufen,
in dem fertigen Mofaikbild dereinft die Glanzlichter darzuftellen. So läßt fieß die Kunft
Oskar Molls dem landläufigen Expreffionismus von heute, aus deffen Grundcharakter
Gewalttätigkeit, Umfturz und Eraditionsfeindlicßkeit nicht zu trennen find, gewiß nicht
einrangieren. Läßt fiel) ein ftärkerer Gegenfat$ denken, als zwifeßen der eruptiven
Stoßkraft des Expreffionismus und der Gleichmaß und Ruße atmenden Stille der Moll-
feßen Kunft? Und doeß gehört auch fie ureigen dem Bild unferer geit an, deffen
Düfterkeit fie mit dem Schimmer eines fonnigen Lächelns aufzußellen feßeint.
Oskar Moll kommt vom Impreffionismus ßer und auch er ßat frühzeitig über diefen
ßinausftrebend nach neuen gielen und neuen Mitteln gefueßt. Auch Moll fueßte den
„Ausdruck", die „Expreffion", aber er ging dabei den (Heg des (Ueiterbauens und der
Fortentwicklung, nießt den des Niederreißens. Hier fein Lebenswerk überblickt, begegnet
an keinem Punkte einer Verleugnung der Vergangenheit, einem incende quod adorasti.
Man genießt das ftärkende Scßaufpiel eines organifcß waeßfenden Keims, der kraftvollen
Entwicklung eines Menfcßen, der, fieß felbft treubleibend, den geraden (Heg aufwärts
nimmt. Moll ßat faft anderthalb Duzend „Leßrer" gehabt, wenn man die Künftler,
bei denen er für kürzere oder längere geit Korrektur naßm, fo bezeichnen will. Im
Grunde ift er Autodidakt. Eine Akademie ßat er nießt befueßt, bevor nießt die eigene
Meifterfcßaft ißn als Leßrer an eine Akademie führte. Unter den deutfeßen Künftlern,
denen er in jüngeren Jahren naßeftand, nenne ich nur Lovis Corintß, Ulrich Hübner
und Leiftikow; keinem von ißnen dankt Moll Entfcßeidendes. (Uoßl aber zweigen von
ißm fieß früß feßon hurtige Ealente ab, die das klingende Metall Mollfcßen Gutes in
gangbare Münze umzuwandeln wiffen und in Kurs fetten, wenn der Künftler in dem
Bewußtfein ßößerer Pflichten längft über jene Etappe ßinweggefeßritten ift. Man er-
innert fieß noeß jener vortrefflichen Scßneebilder, mit denen Moll in den erften Jahren
diefes Jaßrßunderts, als der Impreffionismus in Blüte ftand, bei der Münchener Sezeffion
debütierte und feine erften Erfolge erntete. Eines von ißnen ift damals für dieSezeffions-
galerie erworben worden. Von ißrem Geßalt leben noch heute Künftler, die damit
berühmt geworden find, oßne ißm viel Eigenes ßinzugefügt, oßne felbft gewiffe Mollfcße
Proportionen des Formates geändert zu haben.
Molls (Ueg führte, wie der fo manches unferer Beften, von München über Berlin
naeß Paris. Schon die Münchner Scßneebilder waren durch ißre damals ungewöhnliche
Helligkeit und Farbigkeit aufgefallen. In Berlin ßellt fieß feine Palette weiter auf. Er

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