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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 3
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Däubler, Theodor: Die Genfer Internationale Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0103

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Die Genfer Internationaie KunftausfteHung
Von 77/EODO/? DOUBLE/?

Tm vorigen Jaßre wurde bereits eine „Internationale KunftausfteHung" in Venedig ab-
j gehalten: man ßatte jedoeß keine deutfeßen Künftler dazu eingeladen. Aueß weiß man
^ ja, daß diefe Ausheilungen in der Lagune recßt moraftßaft ausfallen, wenn aucl) einem
oder dem andern modernen Künftler einmal ein Saal eingeräumt wird; fo gefeßaß es
im vorigen Jaßr für den ukrainifeßen Bildhauer Alexander Arcßipenko.
Die Internationale KunftausfteHung in Genf ift feßon etwas ganz Verfcßiednes: und
Deutfcße und Öftreicßer find eingeladen worden und ßaben befte Räume zugewiefen
bekommen. Leider feßlen die beften Künftler ganz oder find nur fpärlicß vertreten.
Glücklicßerweife ßat ein Genfer Sammler einige Bilder und geießnungen zur Ergänzung
geließen: fo fießt die deutfcße Abteilung verßältnismäßig gut aus. Die modernen, beffern
Bilder ßängen in der ganzen Ausftellung fießtbarft in den FJaupträumen, das ift aueß
ein Fortfcßritt, fonft muß man fie abfeits und ßinter allen offiziellen Scßinken fueßen.
DieBeftürzung der Genfer ift darob keine geringe; aber was tun: die Jugend der ganzen
(Belt feßafft nun eben doeß modern und läßt fieß weder dureß altmodifcße Kritik, noeß
dureß Unbildung eines kitfeßvereßrenden Publikums ins Bocksßorn jagen. Ungeßeuer
wird die Erregung der Befcßauer, wenn fie feßen, daß diefe „verrückten" Dinge eigent-
licß die berüßmten find, dazu die teuerften, die am meiften gekauften. Und das in der
ganzen Hielt! HIozu ßat das Bürgertum eine Preffe mit angeftellten Kritikern, wenn
ße fo einen Unfug nießt verßindern kann? Man möcßte am liebften mit Regenfcßirmen
dreinfeßlagen, wie feinerzeit gegen Manet: aber die Bilder fteßen, wie gefagt, als die
.unerfcßwinglicßften im Katalog!
Dabei ift das Unverftändlicße eigentlicß zaßm: der Eriumpß von Cezanne! Und
zwar der Meifter in noeß recßt fanfter (Uiedergabe. Cezanne bleibt der Sieger unter
den Franzofen: faft die ganze moderne Kunft ßängt von ißm ab, geßt von feinem
Scßauen und fcßlicßten Empfinden aus. Die Nacßfolger von Van Gogß, Renoir, Gauguin
können fieß neben der (Ueltkunft im Sinne Cezannes in keiner (Ueife feßen laffen. Nur
der Meifter von Aix ßat nießt zu dekorativen Stilifierungen verfüßrt, fondern zu ein-
faeßer, oft wundervoll eindringlicßer Kunft die (Uege gewiefen. Er beßerrfeßt das
plaftifcße, malerifcße Scßaffen ebenfo in Japan, in Polen, Jugoflawien, Mexiko, als in
Frankreicß felbft. Auch in Deutfcßland ift fein Einfluß, wenn man genau Umfcßau ßält,
ein ganz beträcßtlicßer.
Die zwei füßrenden Meifter in Frankreicß ßeißen immer noeß: fjenri Matiffe und
Andre Derain. Leider find fie in der Ausftellung unzureießend vertreten. Derain,
mit feinem übergroßen, ftrengftilifierten Abendmaßl und feinen ebenfo etwas zu aus-
gedeßnten Stilleben überzeugt immerßin noeß dureß feine (Uerke in Genf, Matiffe ßin-
gegen, der nur fcßlecßt vertreten ift, allein dureß feinen Rußm; man weiß eben: Matiffe
und Derain find die überragenden Künftler, nur die ganz jungen feßen fieß vorurteilslos
aueß über diefe (Uertfeßung der Radikalen ßinweg. Sogar Picaffo, der nun viel zu
oft allgemeinverftändlicße, feßr feßöne klaffifeße geießnungen maeßt, wird vielfacß ver-
laffen. Er felbft malt übrigens immer noeß naeß kubiftifeßer Art, die er mit Braque
erfunden ßat: nur nießt ausfeßließließ! Der dernier cri ßeißt jeßt section d'or, die
größte internationale Künftlervereinigung in Paris! Noeß weiter . . . wo anders,
fteßen ßöcßftens die Dada-Menfcßen, die aber in Genf nießt ausgeftellt ßaben. gur

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