Die ßeit und der Markt
Kun ftpoliti k
Aus[teHungspoiitik
EinRückblick auf die BerlinerKunftausftellungen
des Jahres muß jeden ehrlichen Freund wefent-
lieber Kunft mit Enttäufchung und Skepfis erfüllen,
(üohl noch niemals haben diefeVeranftaitungen
troß aller Verfchiedenartigkeiten und „Neuheiten"
ein fo belanglofes Geficht gezeigt, wie gegen-
wärtig. Die befte der Ausheilungen war immer-
hin noch die der „Freien Sezeffion", deren haupt-
[ächlichftes Verdienft es ift, eine gute Auswahl
Marcfcber Bilder, der fich eine wertvolle Reihe
von merken Campendonks und Mackes anfchloß,
neben weiterweifenden Gemälden jüngerer Kräfte
der Sezeffion einer größeren Öffentlichkeit vor-
geftellt zu haben. Doch gerade unter den ver-
schiedenartigen Künftlerperfönücbkeiten diefes
Kreifes machen ficb zwifchen Alt und Neu Gn-
ftimmigkeiten geltend, die geeignet erfebeinen
können, eine gedeihliche gufammenarbeit für die
Ankunft in Frage zu ftellen, und die gefchäftlich
intereffierten Stellen beginnen bereits mit der
Erwägung, die bisher zur Verfügung geteilten
Räume an weniger bewegliche und damit ren-
tablere Unternehmungen abzugeben.
Es befteben ja auch fcbließlicb zwifchen der
Obfervanz eines Liebermann und eines Schmidt-
Rottluff, zwifchen den älteren Impreffioniften der
Freien Sezeffion und Marc oder Chagall zu große
Unterfcbiede, um eine alle diefe Parteien zu-
friedenftellende Löfung in der Frage einer zeit-
gemäßen Kunftvertretung auf die Dauer zu ge-
währleiften.und ein beträchtlicherCeil derKünftler
ift einer derartig freimütigen Entwicklung durch-
aus nicht geneigt. Mittlerweile triumphiert aber
— fo ift es das geicben der geit — die Verwirrung
durch einen manierierten, reklamefücbtigen Ra-
dikalismus fogar in den vom Staate veranlaßten
Ausfteilungen, wie an diefer Stelle (1920Fjeftl3)
berichtet wurde. Und wenn es darauf ankommt,
bei einer Scheidung der Geifter eine neue Phalanx
für den Kampf der neuen Kunft zu fammeln,
wird wieder einmal nicht vermieden werden
können, daß fich gefcbäftstücbtige Auchkünftler,
wie fie in der Chronik der Kunftvereins-Neu-
gründungen febon zu trauriger Berübmbeit ge-
langt find, dazwifebendrängen, um auf Grund
ihrer Laktik ihre eigenen niebtsfagenden Pro-
dukte an hervorragender Stelle plazieren zu
können. Diefer Gefahr der Verflachung durch
Kunftvereinsvorftände und Programminterpreten
gilt es zu begegnen. Es muß der Entfchluß in
die mirklichkeit umgefe§t werden, zum mindeften
einmal im Jahre in einer wertvollen Ausftellung
einen Überblick über die Kunft und nicht nur
über die zufällige Beteiligung an einem für Ver-
käufe mehr oder weniger ausfichtsreichen Bilder-
magazin zu geben. Nachdem durch die vor-
liegenden Steuergefeße der Verkauf von Kunft-
werken in Ausheilungen überteuert wurde, hätte
man alle Veranlaffung, aus dieferNot eine Lügend
zu machen, indem man die rein künftlerifcbe
Bedeutung vor derwirtfcbaftlicben nunmehr wie-
der mehr berückficbtigt. Auf Grund der durch die
Einnahmen aus Eintrittsgeldern und eventuellen
Provifionen gegebenen Gefcbäftsbafis wäre die
Sammlung und Fjeranfcbaffung der für eine
bezeichnende Kunftfcbau erforderlichen (üerke
in die Klege zu leiten. Es bedarf wohl keiner
befonderen Begründung, daß es für den größten
Leil insbefondere der jüngeren Künftler heute
unmöglich ift, die hohen Lransportkoften für die
Befcbickung einer Ausftellung zu tragen, und
hierin liegt ein bauptfäcblicber Grund, daß ebarak-
teriftifebe Künftler auf manchen großen Aus-
heilungen überhaupt nicht vertreten find, daß der
Raum den gerade am Ort wohnenden Künftlern
oder befonders Kapitalkräftigen überlaffen wer-
den muß. Dazu kommt, daß manches ftarke
Latent, das noch über die Mittel verfügt, feine
KIerke zu verfenden, hiervon Abftand nimmt,
um nicht unter den gegenwärtig herrfchenden
Verhältniffen in der erdrückenden Fülle jener
Maler zu hängen, die fich auf Grund ihrer pe-
kuniär günftigen Lage heutzutage eine Art von
Lagesruhtn erkaufen können und denen hierzu
die allzu billige Methode eines qualitätslofen
Radikalismus die willkommene FJandbabe bietet.
Es ift nötig, fi*h in diefer geit eines treffen-
den Saßes von Franz Marc zu erinnern, den der
Künftler fchon 1912 im „Sturm" febrieb: „Künftler
find nicht von den Ausheilungen abhängig, fon-
dern die Ausheilungen ganz und gar von den
Künftlern."
In diefer Forderung liegt die für die gukunft
bedeutendfte Aufgabe gerade für die jlaatlicb
funktionierten „großen Ausheilungen", um diefen
einen Anfprucb auf Kulturwert zurückzugeben.
Für die Errichtung aller möglichen Kunftftellen
ift gewiß genug getan, es bedarf nunmehr des
Beweifes, deren Arbeit für eine jenfeits aller
Richtungen und Cliquenwirtfchaft bedeutende
Kunftvertretung verwenden zu können. Aus
Kreifen der wefentiieben Künftler. Vertretern von
der gegenftändlicben bis zur abftrakten Kunft,
und Perfönlichkeiten, deren Eignung für eine
Der Cicerone, XHI. Jat)rg., Fjeft4
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Kun ftpoliti k
Aus[teHungspoiitik
EinRückblick auf die BerlinerKunftausftellungen
des Jahres muß jeden ehrlichen Freund wefent-
lieber Kunft mit Enttäufchung und Skepfis erfüllen,
(üohl noch niemals haben diefeVeranftaitungen
troß aller Verfchiedenartigkeiten und „Neuheiten"
ein fo belanglofes Geficht gezeigt, wie gegen-
wärtig. Die befte der Ausheilungen war immer-
hin noch die der „Freien Sezeffion", deren haupt-
[ächlichftes Verdienft es ift, eine gute Auswahl
Marcfcber Bilder, der fich eine wertvolle Reihe
von merken Campendonks und Mackes anfchloß,
neben weiterweifenden Gemälden jüngerer Kräfte
der Sezeffion einer größeren Öffentlichkeit vor-
geftellt zu haben. Doch gerade unter den ver-
schiedenartigen Künftlerperfönücbkeiten diefes
Kreifes machen ficb zwifchen Alt und Neu Gn-
ftimmigkeiten geltend, die geeignet erfebeinen
können, eine gedeihliche gufammenarbeit für die
Ankunft in Frage zu ftellen, und die gefchäftlich
intereffierten Stellen beginnen bereits mit der
Erwägung, die bisher zur Verfügung geteilten
Räume an weniger bewegliche und damit ren-
tablere Unternehmungen abzugeben.
Es befteben ja auch fcbließlicb zwifchen der
Obfervanz eines Liebermann und eines Schmidt-
Rottluff, zwifchen den älteren Impreffioniften der
Freien Sezeffion und Marc oder Chagall zu große
Unterfcbiede, um eine alle diefe Parteien zu-
friedenftellende Löfung in der Frage einer zeit-
gemäßen Kunftvertretung auf die Dauer zu ge-
währleiften.und ein beträchtlicherCeil derKünftler
ift einer derartig freimütigen Entwicklung durch-
aus nicht geneigt. Mittlerweile triumphiert aber
— fo ift es das geicben der geit — die Verwirrung
durch einen manierierten, reklamefücbtigen Ra-
dikalismus fogar in den vom Staate veranlaßten
Ausfteilungen, wie an diefer Stelle (1920Fjeftl3)
berichtet wurde. Und wenn es darauf ankommt,
bei einer Scheidung der Geifter eine neue Phalanx
für den Kampf der neuen Kunft zu fammeln,
wird wieder einmal nicht vermieden werden
können, daß fich gefcbäftstücbtige Auchkünftler,
wie fie in der Chronik der Kunftvereins-Neu-
gründungen febon zu trauriger Berübmbeit ge-
langt find, dazwifebendrängen, um auf Grund
ihrer Laktik ihre eigenen niebtsfagenden Pro-
dukte an hervorragender Stelle plazieren zu
können. Diefer Gefahr der Verflachung durch
Kunftvereinsvorftände und Programminterpreten
gilt es zu begegnen. Es muß der Entfchluß in
die mirklichkeit umgefe§t werden, zum mindeften
einmal im Jahre in einer wertvollen Ausftellung
einen Überblick über die Kunft und nicht nur
über die zufällige Beteiligung an einem für Ver-
käufe mehr oder weniger ausfichtsreichen Bilder-
magazin zu geben. Nachdem durch die vor-
liegenden Steuergefeße der Verkauf von Kunft-
werken in Ausheilungen überteuert wurde, hätte
man alle Veranlaffung, aus dieferNot eine Lügend
zu machen, indem man die rein künftlerifcbe
Bedeutung vor derwirtfcbaftlicben nunmehr wie-
der mehr berückficbtigt. Auf Grund der durch die
Einnahmen aus Eintrittsgeldern und eventuellen
Provifionen gegebenen Gefcbäftsbafis wäre die
Sammlung und Fjeranfcbaffung der für eine
bezeichnende Kunftfcbau erforderlichen (üerke
in die Klege zu leiten. Es bedarf wohl keiner
befonderen Begründung, daß es für den größten
Leil insbefondere der jüngeren Künftler heute
unmöglich ift, die hohen Lransportkoften für die
Befcbickung einer Ausftellung zu tragen, und
hierin liegt ein bauptfäcblicber Grund, daß ebarak-
teriftifebe Künftler auf manchen großen Aus-
heilungen überhaupt nicht vertreten find, daß der
Raum den gerade am Ort wohnenden Künftlern
oder befonders Kapitalkräftigen überlaffen wer-
den muß. Dazu kommt, daß manches ftarke
Latent, das noch über die Mittel verfügt, feine
KIerke zu verfenden, hiervon Abftand nimmt,
um nicht unter den gegenwärtig herrfchenden
Verhältniffen in der erdrückenden Fülle jener
Maler zu hängen, die fich auf Grund ihrer pe-
kuniär günftigen Lage heutzutage eine Art von
Lagesruhtn erkaufen können und denen hierzu
die allzu billige Methode eines qualitätslofen
Radikalismus die willkommene FJandbabe bietet.
Es ift nötig, fi*h in diefer geit eines treffen-
den Saßes von Franz Marc zu erinnern, den der
Künftler fchon 1912 im „Sturm" febrieb: „Künftler
find nicht von den Ausheilungen abhängig, fon-
dern die Ausheilungen ganz und gar von den
Künftlern."
In diefer Forderung liegt die für die gukunft
bedeutendfte Aufgabe gerade für die jlaatlicb
funktionierten „großen Ausheilungen", um diefen
einen Anfprucb auf Kulturwert zurückzugeben.
Für die Errichtung aller möglichen Kunftftellen
ift gewiß genug getan, es bedarf nunmehr des
Beweifes, deren Arbeit für eine jenfeits aller
Richtungen und Cliquenwirtfchaft bedeutende
Kunftvertretung verwenden zu können. Aus
Kreifen der wefentiieben Künftler. Vertretern von
der gegenftändlicben bis zur abftrakten Kunft,
und Perfönlichkeiten, deren Eignung für eine
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