Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921
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Ausweitung deutjc^er Meiner um 1830 in der Gaierie Arnoid-Dresden.
Qans Beckmann.
witlen; was hoffentlich ermöglichen wird, daß
das (üertvollfte in deutschen öffentlichen Samm-
lungen die ißm angemeffene Stätte findet.
Paui F. Schmidt.
München
Kurt Scßwitters gibt derzeit bei Fjans
Go iß (Neue Kunft) Ärgernis. Er iäßt vor den
erfcßreckten Augen ßarmloferBefucßer eineEnt-
wicklungsiinie Zickzacken, die im wohltempe-
rierten Glaspalaft der Bürgeriicbkeit artig beginnt,
allmählich impreffioniftifcß [ich auflockert, dann
expreffioniftifcb ekftatifiert, bis fie endlich alles
Dagewefene abftrakteften „Dadaismus" provo-
kant überklettert. Äm Änfang entzückt ein
Stillebcn mit Äbendmahlkelch, Buch und Flafche
(alles zum „Greifen" gemalt) auch das konfer-
vativfte Äuge. Im Nebenraum dann die Merz-
kunft. Man vergegenwärtige fiel) den Gat-
beftand: Nicht nur, daß jede Reminifzenz an
die Natur fehlt — der Maler verzichtet fogar
ftreckenweife auf die Farbe, an deren Stelle er
Dinge einführt, die er im Müllkaften eines
Münchener Kritikers gefunden haben könnte:
3eitungsausfcßnitte, Fjolzräder, Sackleinenfeßen,
Briefmarken ufw. Vergebens wird Kurt Scßwit-
ters dem faffungslofen Kritiker klarzumachen
verfuchen, das ihm das Material fo unwefent-
licß geworden ift wie die Natur, wie der Aus-
druck, wie alles außer dem Prozeß des For-
mens, daß er nicht nur Farbe gegen Farbe,
Linie gegen Linie, Form gegen Form, fondern
auch Material gegen Material werten will.
Merz ift — in einem gewiffen Sinne — Gen-
denzkunft. Die Gendenz geht dahin, uns ad
oculos zu demonftrieren, daß es [ich bei der
Kunft um das Formen — und nur um das Formen
handelt. Schwitters ftatuiert ein kraffes
Exempel. Der didaktifche Udert der Merzkunft
überwiegt den künftlerifchen. (Bei diefer Ge-
legenheit darf darauf ßingewiefen werden, daß
in der Reiße der Sturm-Bilderbücher kürzlich
als IV. Band eine Veröffentlichung von Schwitters
erfeßien, zu der Otto Nebel die Einleitung
feßrieb. Die Scßriftltg.)
Bei Goiß gibt es außerdem noch Plaftiken (und
Zeichnungen) von Kurt Kroner zu feßen.
Diefen Plaftiken würde das von Michelangelo
vorgefcßlagene Experiment des Fjerunterkoilerns
von einem Berg fcßlecßt bekommen. Es würden
nur Grümmer übrigbleiben, unverftändlicße Frag-
mente, aber keine Gorfi. Es ift eine Plaftik
der Extremitäten. Seelifcße Inhalte, abftrakte
Vorftellungen follen durch Bewegungen, vor
allem durch Armbewegungen ausgedrückt wer-
den. F)ier wird der Plaftik zugemutet, was
ißrem Kiefen zuwiderläuft. L. 3-
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