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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 4
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Wolfradt, Willi: George Grosz
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0131

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Abb. 6. George Grosz. Dresdner BordeH. 1917.

geicfmer herum ift, der mit bös verbiffenem Gefict)t [teht und [einen kallipggifchen Grieben
mit der geichenkohle nad)get)t. gum Glück [pieit irgendwo ein bärtiger Ciown Fange-
baii mit gglinderhüten, und wir danken der göttlichen Gnade, daß un[ere eigene Pßan-
ta[ie nicht verdammt i[t, [o zynifche Filme zu entwerfen. Alles das i[t [oziales Manifeft,
Bekenntnis zum Animalifchen, Reaktion des Ekels, karikaturiftifches Kaleidoskop in
einem. Mitunter [cßaltet [ich aber die leßte Spur von Frechheit aus, um die rein
tragifche Grimaffe [exueller Not auszuprägen, [o auf jenem fürchterlichen Blatt (Abb. 8),
wo ein wie irrer, wie mit zitternden Fingern hingekrit$elter, angftvoll rotierender Strich
den Selbftmörder und feine Vifion in einem grauenvollen Flackern aller Formen hin-
gebannt hat, oder auf jenem frühen Gemälde des „Liebeskranken" (Abb. 1), das einen
bleichen Jüngling in der Einfamkeit eines leeren Reftaurantzimmers zeigt, fdßlaff und
halb fchon entgeiftert, umfurrt von den Unfagbarkeiten feiner Pein, vor [ich den God
in Geftalt einer Fifchgräte, hinter [ich in Geftalt des Knochenmannes, in fich als Revolver
unter dem Fjerzen. (Hot)l nur Munch bat noch fo die Bangigkeit des Einfamen male-
rifch auszudrücken vermocht, die tote Leere um ihn her, das bleierne Fließen der geit,
die Spiritualität des Müden. — Fjinter allem lauert jedoch die Stadt, dies abfcheuliche,
pervers geliebte Untier. Grosz reißt uns hinein in ihre tollften Strudel. Er hat einmal
ganz naiv ihre Lieblichkeit gezeichnet mit ungelenken Strichen, meift aber zerrt er uns

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