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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 9
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0308

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Die geit und der Markt

Ausstellungen
Berliner Anstellungen
Nord und Süd find augenblicklich in Berlin
zuGafte. Der große Norweger Edvard Munch
zeigt bei Paul Caffirer Proben feiner leßt-
jährigen Schaffensperiode und im Kronprinzen-
palais gibt die italienifche Künftlergruppe „Valori
plastici" ihre Vifitenkarte ab. gunächft fei es
mit Freuden notiert, daß fich allmählich wieder
ein internationales Kunftgetriebe bei uns an-
bahnt, daß die Ausländer wieder zu uns kommen
und auch uns dadurch die Möglichkeit geboten
wird, in anderen Landen zu zeigen, was wir
in den Jahren der Abgefchloffenheit gefchaffen
haben.
Daß Munch uns vor England und Frankreich
die Ehre angetan, feine während der Kriegs-
jahre gefchaffenen (Berke vorzuführen, dafür
fei ihm und Caffirer gedankt; wir erleben fo feit
Jahren wieder einmal ein „Kunftereignis", wir
ftehen wieder einmal vor einem der Großen in
der Kunft, deren (Dirken bereits heute der Ge-
fchichte angehört und deren (Berke Lebens-
äußerungen von allgemeingültigem (Berte find.
Vor faft 30 Jahren war Munch zum erften Male
in Berlin zu Gaft. Jene denkwürdige Ausftellung
im Architektenhaufe gab dem Berliner Kunftleben
neue Impulfe. Es erwachten die jungen Kräfte,
die fich von den Alten trennten und ihre eigenen
(Liege gingen. Der kraftvolle Nordländer wirkte
epochemachend. Und doch wurde er nie fo
recht verbanden, wenn er auch fpäterhin um-
jubelt wurde. Man wurde in feiner Gegenwart
nie recht warm; man empfand ihn ftets als einen
Einfamen, der allein feine Straße zog, als einen
Citanen von fo gewaltiger Größe, daß er keine
Genoffen haben konnte, die mit ihm gleichen
Schritt hielten. Er galt als ein Führer der jungen
Kunft, deffen Schöpfungen gar vielen theoreti-
fchen Erörterungen dienen mußten, deffen eigen-
williges Schaffen aber ihrer fpottete und der fich
um nichts kümmerte als um feiner einer tief-
fchürfenden Seele fich durch fteten Kampf ent-
ringenden Kunft. Er kam häufig zu uns und
wurde voller Ehrfurcht aufgenommen; in der
Berliner Sezeffion und der freien Sezeffion, bei
Gurlitt und auf der Kölner Sonderbundausftcllung
hingen feine (Berke. Jeßt erfcheint der an der
Schwelle der fechzig ftehende Meifter wieder
und läßt uns durch Gegenüberftellung mit einigen
früheren (Berken das Fazit feiner reifen Mannes-
jahre ziehen.

Er ift der Bitan geblieben, der einfam Große,
kraftvoll Unbeirrbare, der feinen (Beg weiter
geht. Er ift fich felbft treu geblieben und er-
fcheint nur abgeklärter, ruhiger und verföhnlicher.
(Denn es früher manchmal in ihm brodelte, fo
ift er nunmehr ausgeglichener und fcheint die
Kielt mit milderem Blicke zu betrachten. Das
kommt feinen (Berken durchaus zugute, da er
mit breitem Pinfel zu größerer Farbenintenfität
feßreitet. Es drängt alles zu Vereinfachung und
fchlichter Monumentalität. Nichts mehr von dem
lauten Pathos der Jugend, nichts Dämonenhaftes
und gewaltig Gesteigertes. In den Gemälden
find es zunächft einige große Landfcßaften, die
den im genith feines Könnens fich bewegenden
Meifter dokumentieren; feftlich und groß ge-
ftimmt, fonnendureßwärmt und farbendurchglüht
breitet fich die Erde vor uns aus. Und die Ge-
walten bewegen fich darin frei und felbftbewußt,
natürlich und ungezwungen. Es ift nichts von
Dogmatik in diefen Bildern. Der trefffichere
Blick umfchließt alles in gleicher Eigenwertung
zum großen Gefamterlebnis. verfällt in keine
Kleinlichkeiten mehr und zwingt den Befchauer
durch eine felbftverftändlich wirkende Einheit-
lichkeit in den Bann einer erhabenen Monumen-
talität. Es ift der veredelte Rebenfaft, der nun-
mehr in gereifter Ablagerung zur köftlichen
Entwicklung gebracht worden ift,
Von ihren früheften Anfängen bis zu den
(Berken der lebten geit baut fiel) die Kunft
Edvard Munchs in folgerichtigen Stufen auf.
Nichts konnte ihn von feinem (Uege abbringen.
Er begann als ein Einfamer, Bnverftandener,
und ift heute, obgleich er als einer der Großen
anerkannt und fein Name überall bewundernd
genannt wird, nicht weniger einfam. Er wollte
und will nichts anderes, als um feiner felbft
willen, feiner inneren Stimme folgend, wahre
Kunft fchaffen. Alles Programmatifche lag ihm
fern, — und doch ift kein Künftler unfererCage
fo fel)r zum Programm erhoben worden wie er.
(Denn man aber feinen Bildern unvoreingenommen
gegenübertritt, fo merkt man, daß hier nichts ge-
wollt, fondern daß alles momentan erlebt ift. Ja,
hier zerfchellen fogar alle Cheorien und laffen
das Feldgefchrei der Problematiker als klägliches
Gewinfel erfcheinen. Große Kunft bedarf keiner
Regeln; wahre Kunft ift tiefftes Erleben, mag
fie nun durch die Brille des Impreffioniften oder
Expreffioniften gefehen fein. Munchs Kunft hat
erfolgreich all den Kunftkämpfen der leßten
Jahre widerftandon. (die damals, als er zum
erftenmal bei uns erfchien, kehrt er jeßt zurück:

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