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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 18
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Escherich, Mela: Mittelalterliche Bildwerke aus Frankfurter Privatbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0559

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Mittelalterliche Bildwerke aus Frankfurter Privatbefit^

fchonungslofen Realismus das Gefühl des Be-
fchauers auf. Ein übrigens fehr merkwürdiges,
fchwer datierbares (Uerk, da in ihm die gotifchc
Empfindungsfkala von mehr als einer Epoche
durchlebt, nach- und vorempfunden wird. Um
bei dem Motiv des Schmerzensmannes zu bleiben,
fei hier such gleich ein elfäffifches Stück, Nr. 90,
genannt, im ftärkften Gegenfat; zu dem vorigen,
vorwiegend Aktproblem, den Körper ornamental
zu ftilifieren. Entftebungszeit, wie dieBeinftellung
beweift, nach Baidungs Freiburger Hochaltar.
Ein reizendes Profanwerk der Kleinplaftik ift
eine lautenfpiclende Dame (kein „Engel")
aus Schwaben, Ende des 15. Jahrhunderts; von
flottem, echt fchwäbifchem Temperament ein
Mohrenkönig aus Augsburg und ein Johan-
nes d. T. (Nr. 74) mit glücklich betonter Raum-
abmeffung durch quer vorgefet^tes Standbein. Eine
kniendeVerkündigungsmaria (Abb.5), Fried-
rich Schramm von Ravensburg zugewiefen, in
die bedeutende ulmifche Gruppe gehörig, in deren
Mitte der Blaubeurener FJochaltar und die be-
zaubernde Magdalena des Kaifer-Friedrich-
Mufeums ftehh darf wohl als das Fjauptück unter
den fchwäbifchen (Merken der Ausftellung be-
trachtet werden. Die anmutige hl- Jungfrau
auf dem Sichelmond aus Bauftetten, Donau-
Illergebiet, wird hier doppelt gern begrüßt, da
fich von ihrem Altar eine hl- Magdalena bereits
fchon vor längerer 3eit in Frankfurt (FJiftorifches
Mufeum) eingefunden hat. Der burleske St.
Eligius (Nr. 95), Yvo Strigel von Memmingen
zugewiefen, ein köftlicher Schwabentyp zünft-
lerifchen Spießertums gibt einen wichtigen An-
haltspunkt zur Lokalifierung und Datierung feines
wenig verfchiedenen Doppelgängers im Metro-
politan Mufeum zu New York (Abb. Ber. Kunft-
ftätten, Bd. 58, S. 46) dort mit Fragezeichen der
Normandie zugewiefen. Edle Arbeit ift der von

ftillerBefchaulichkeit überfonnte lefende Mönch
und eine hl- Anna mit Granatapfel, von einer
Anna felbdritt-Gruppe, beide wohl ulmifd). Eine
kleine Stiftergruppe, Bürgersfrau mit drei
Kindern, fchwäbifches Tanagra, ift ausgezeichnete
Augsburger Arbeit. Eine ftolze hl- Katharina,
Nr. 105, Sgrlinfchule geht bereits in den Stil der
Renaiffance, ebenfo das fchöne Fjeiligenflachrelief
von Jörg Kände! von Biber ach-
Von der fränkifchen Spätgotik ftehen fünf
fchöne Riemenfehneider an erfter Stelle, die
von Rauch dem Meifter zugewiefene Maria von
Groß-Oftheim, eine der (Uürzburger Doppel-
madonna nahe Maria mit Kind, eine Verkün-
digungsmaria und zwei Statuetten der ^eiligen
Lorenz und Stephan, etwa aus der 3eit der
Darmftädter Kreuzgruppe. Bedeutend im Aus-
drude ift eine große fd-Elifabeth, Nr.66, leider
abgelaugt. An der fränkifch-rheinifcßen Grenze
fteht eine ausdrucksvolle Pieta, Nr. 72. Als
letztes mittelrheinifches Stück fei hier eine noch
dem 15. Jahrhundert gehörige, von Engeln em-
porgetragene Magdalena, Nr. 124, genannt, mit
der die jüngere Schut;mantelmaria zu Finthen
bei Alainz in einen gewiffen ßufammenhang ge-
bracht werden kann.
Einen würdigen Abfd)!uß der reichen Umände-
rung bilden einige großzügige bayrifche Arbeiten,
untermifcht mit tirolifchen. Eine lefende
5 e i 1 i g e, Art des Leinberger, ein feiner C h r i ft u s -
köpf von Log Fjering, zwei wuchtige Tiroler
Qeilige (Nr. 119, 120), eine mächtig ausladende
Patrona bavariae (Nr. 113), eine köftliche
Katharina inFJalbfigur, deren erhobener Finger
in den Barock zu deuten fcheint und zweiteilige
des AltöttingersMattheusKreniss, deren wal-
lender Rhythmus den ((leg der Gotik zum Barock
freilegt.
Die Ausftellung bleibt bis 4. Oktober geöffnet.

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