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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 21
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With, Karl: Ostasien, 1: die Ausstellung der Kestner-Gesellschaft in Hannover
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0639

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O {Mafien / Die Ausheilung der Ke[tner-Ge[ell[d)aft in Hannover
/W/Y d yVYiYYungvn Von /Yd/?ö IV/77/
I.
Aus der Bedeutung afiatifci)er Kunft für unfere geit ergibt fid) ohne weiteres auch
/ \ die Bedeutung folcher Ausftellung. Die Anteilnahme, die nunmehr auch breite
^ ^Maffen durd)dringt, beweift, wie ein im Stadium des Suchens und der Aufrich-
tung lebendes Volk, in Afien (Berte eigener Sehnfud)t ais (Uegweifer und Erfüiiungen
erkannt hat und aufnimmt. Bnd wenn dabei mancher fich abgeftoßen fühlt angefichts
foviel dünkelhaften Fjalbintereffes, das da mitläuft und fid) oft breit macht, fo tut man
dennoch Bnred)t, fid) hinter fein kleines ungaftliches Kenner- und Papfttum zurückzu-
ziehen und verkennt, wieviel Bereitfchaft und Erlebnisfreudigkeit dem allen zugrunde
liegen kann. (Bohl muß man dafür forger), daß nicht Unberufene die Stille, die nötig
ift, durch Betriebfamkeit übertönen; muß aber aud) feßr beßutfam alle Möglichkeiten
offen halten. Laffen wir dod) diefe fernen Lebenswerte Afiens mannigfaltig auf uns
eindringen! Sicherlich wird viel dabei zugrunde gehen können, denn unfere geit ift
gefräßig und morbid. Aber braucht nicht jeder Lebensprozeß Opfer und Niederlagen?
Ebenfo wie er Kräfte braucht und verbraucht, eigene fo gut wie fremde. Bnd wer
die Kräfte an fid) zieht, beweift nur feine Lebensfähigkeit und feinen gefunden Lebens-
willen. Der wird aud) fremde (Berte nid)t nehmen, um fid) zu fättigen, nur um zu
befi^en, fid) zu betäuben oder aufzupulvern, fondern um dem eigenen Id) einen wür-
digen und ftarken (Uiderftand und Erlebnispol zu geben, um der Erneuerung und der
Begegnung willen. Bnd fold)e Ausftellung fei das Ereignis zu folcher Begegnung.
Freilich — wenn man fo will — ift es nur ein buntes Beieinander von Dingen, viel-
fach bedingt und locker; ßerausgeriffen aus ihren urfprünglichen gufammenhängen und
aus ihrer Atmofphäre. Aber das Maß des Objektes ift gar nicht immer maßgebend
viel wichtiger ift das eigene Maß der Empfindung und der Pßantafie; zumal all diefe
Dinge nicht giel, fondern (Ueg und Hinweis find. Man muß in fid) felbft die Atmo-
fphäre erzeugen, die das Kleine und Vielfältige wieder zufammenfd)ließt, und von fid)
felbft aus die großen gufammenl)änge und den großen Sinn, der aus allem fpricßt,
finden; ernftßaft und red)tfd)affen, dod) auch voller Spiel und ohne große (Dichtigkeit.
Dann find wir felbft der Raum, in dem die Fülle von Erlebniswerten Afiens ruht und
lebendig ift.
Da ift der Sinn des Brahma, der unfere Einfamkeit in umfaffende Größe und (Bärme
hineinzieht; und da ift der Sinn des Dao, der das Gefet$ unferer Menfd)lid)keit dem
Gefetj des Bniverfum gleichftellt; und da ift der Sinn des Nirvana, der die Lebensfülle
und die abfolute Leere zur Einheit der Spannung bringt. Oder (^iva in feiner elemen-
taren Potenz ewigen Lebenswechfels von gerftörung und Auferfteßung; oder Kwannon
die alles Menfd)lici)e tünausreißt in die Kurve fd)öpferifcl)er Güte.
Da ift der (Ueg ftiller Befcßauung und Verfunkenßeit oder werktätiger Eingabe, von
Verzückung und Offenbarung, oder der (Ueg des Gleichmuts durch alle Klugheit und
Skepfis hindurch zur Demut der (Ueisheit und Andacht. Immer wieder ift es dies, fid)
felber dem Reichtum des Lebens anzugleichen, Durchgang zu fein aller Kräfte von
Fjimmel und Erde und immer aus dem Sinn des AM heraus zu leben.
All das lebt in den großen Dingen wie in den kleinen: in einem Fjymnus aus den
Upanifßad und in einem indifcßen Bempel; in einem Buddha aus Cambodja oder einer
Kwannongeftalt aus China; das bezeugt ein Spruch vom Laotfe oder eine Sungland-

Der Cicerone, XiH. Jai)rg., Fjeft 21

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