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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 22
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Biermann, Georg: Hoetgers neue Arbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0682

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Fjoetgers neu e Ar beiten

Von GA07?G ß/E7?AMAW
At/7 70 AAMOung-on

T^\ernßard Boetger gehört nicßt zu den Lauten, die die Brandung weltgefcßicßtlicßen
(Uerdens im Strudel der Großftadt umfpült, nicßt zu den Erfolgfucßenden, die der
Rektame bedürfen, um fieß und ißr (Uerk in der ßeit ficßtbar zu machen. Seit Jaßren
woßnt er abfeits von den Zentren, wo [icß die grotesken Bilder modernen Kunft-
betriebes abrollen, auf nordifcßer Scßolle, in jenem Lande der Moorbauern, dem ein-
mal als reif[te Frucßt Paula Moderfoßns (Uerk erwucßs. B'cr auf einem waßrßaft kos-
mifcßen Boden wurde ißm Natur zum ewigen Gleicßnis des Unendlichen, warf gött-
liche Scßöpfung das Geficßt nacß innen zurück. Fjier ging ißm, dem reicß Begabten,
der tecßnifcße Schwierigkeiten, um deren Überwindung [icß kleinere Ualente ein Leben
lang mäßen, überßaupt nicßt kennt, das Ließt reinen Erlebens auf, und Geficßte formten
fieß von innen ßer zu Gleicßniffen auf Ewiges, das im Gefüßl, fatumßaft, den Menfcßen
mit Gott verbindet. Diefe neuen (Uerke, die nicßt meßr wie jene fräßen, ßeute feßon
klaffifcß anmutenden Scßöpfungen der Parifer 3eit ißren Scßein von außen empfangen,
find innerer Notwendigkeit erwaeßfen, find Symbole von unbegrenzter Dauer auf primi-
tives urfpränglicßes Erleben der von Gott ins Leben gefandten Menfcßen, Scßickfal zu
fein und diefes vor das Antliß des Vollendeten zu tragen. Die fterbende Mutter, die
mit letzter verlöfcßender Kraft ißren Soßn zum Ließt emporßebt und Leben an Leben
vererbt, die ißrem Kinde aus Brüften der Liebe Naßrung fpendet oder, umfeßließend
embryonenßaftes Kindfein, der Empfängnis ißren zurückgeleßnten Leib entgegenfteilt,
das find die Lßemen einer aus ßeit und (Herden erlöften ewigen Menfcßlicßkeit, die
der Känftler über die Scßwelle aller diesfeitig gebundenen Naturnäße ßinausßob, um
leßte bildnerifeße Freißeit innerem Scßauen gegenüber zu finden. So find äßnlicß viel-
leicht nur noeß die großen Bildner Oftafiens Überwinder alter materiellen Gebundenheit
gewefen, als ißre Seßnfucßt fie dem großen Ließt, dem Nirwana entgegentrieb.
(Her diefe Dinge freiließ mit dem vom Rationalismus ererbten Maßftab bildnerifeßer
Proportionalität mißt oder gar an menfeßließe Modelle denkt, dem wird fieß der ge-
heime göttlicße Sinn diefer Scßöpfungen, die, obwoßl aus Material gezeugt, dennoeß
die Subftanz verleugnen, nie offenbaren; anders, wer in Kontemplation verfunken, den
Umkreis ewiger Symbole ftreift: dem werden diefe (Uerke eines Bildners, der trofs feines
nur in der Kunftwelt des Oftens äßnlicß erlebten Univerfalismus dureßaus nordifcß
empßndet, von felbft zu überfinnlicßen Gleicßniffen, zu Form gewordenen Ballungen eines
fo unerhörten Gefäßtes von abfoluter Reinßeit, daß jeder Verfucß einer zeitlichen oder
gar ftiliftifeßen Umgrenzung die Dürftigkeit jener intellektuellen Feftftellung aueß feßon
im gleichen Augenblick von felbft erweift. — Es gibt da unter dem Dußend Plaftiken,
die Fjoetger — von feßwerem Leiden genefen — in wenigen (Uocßen ßinftellte und die
innerlich unbedingt zufammengeßören, noeß eine Gruppe, die zwei junge Menfcßen im
Kuß des Gebens und Empfangens zufammenbindet. Soll man an Rodin erinnern, der
einmal aueß mit dem ganzen Raffinement feiner impreffioniftifeßen Äußerlichkeit das
gleicße Ußema beßandelt ßat, um zu erklären, warum Fjoetger als Scßöpfer in diefem
feinen (Uerk fo viel größer wirkt, wie er nicßt den Raufcß einer flüchtigen Minute auf-
fing, fondern ein Gefüßl im roßen Bolz zu bannen verfueßte, das in feiner kindßaften
Scßönßeit Ausdruck —- um nicßt zu fagen, Scßickfal jedes glückließen Aienfcßendafeins
ift, ein Gefüßl, fo ewig wie die 3^'L fo frei und unbegrenzt in feinem göttlichen Fluß
wie die Unendlichkeit. Oder man feße diefe beiden Emzelfiguren eines noeß mit ge-
fcßloffenen Augen ins Leben ßinaustretenden Mädcßens, deffen Gebärde Scßam, ßinter
deffen zum Kubus gerundeter Stirn Scßickfal verfcßloffen rußt, und daneben die Figur

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