Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

DOI Heft:
Heft 22
DOI Artikel:
Luschan, Felix von: Funde aus einer mittelalterlichen Nekropole bei Tuzla in Bosnien
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0700

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Unterfuchung der Frage, ob wir es hier wirklich mit dem Grabe von Gvartko H. zu tun haben,
nicht eingehen. Das muß Sache der FJiftoriker [ein, die ihrer[eits [e[t[telien mögen, wo Gvartko
begraben wurde; für uns genügt es einftweilen, zu wif[en, daß [ich auf der Ravna Gresnja bei
Cuzla eine Nekropole des 14. Jahrhunderts befand, ohneGrabfteine, ohne erhaltene Infchriften, aber
mit Gräbern einer überwiegend langköpfigen Bevölkerung von großer Statur, daß aber auf diefer
felben Nekropole auch ein extrem kurzköpfiger Mann beftattet war, mit Schwert und Dolch und
mit einem überaus koftbaren Gürtel, der unter keinen Umftänden einheimifche, das ift bosnifche
Rrbeit gewefen [ein kann, [ondern italieni[cher (oder vielleicht franzö[i[cher) FJerkunft [ein muß.
Die Möglichkeit eines 3u[ammenhanges die[es Gürtels mit der Königin Maria von Ungarn aus
dem F)aus Rnjou i[t nicht von vornherein abzuwei[en; ähnliche gufammenhänge [tehen auch [on[t
fe[t und vielleicht gehört auch [das mehrfache Vorkommen der heraldifchen Lilie auf den angeb-
lichen „Bogumüen-Steinen" in Bosnien und Serbien in denfelben Kreis. 1879 habe ich eine große
3af)l diefer Steine aufgefucßt und gezeichnet; [ie haben meift Sargform, find aber [tets maf]iv,
niemals hohl; die Leiche liegt in der Regel etwa 1 m tief unter ihnen in der bloßen Erde; die
Schädel find durchwegs [ehr kurz und breit; von Beigaben habe ich niemals etwas anderes auf-
gefunden (und auch von nichts anderem erfahren) als einige kleine Münzen des 13. und 14. Jahr-
hunderts und etliche [ilberne Knöpfe in der Art der oben von der Ravna Cresnja betriebenen.
Nicht [eiten tragen die Steine cyrillifche Infchriften; viele andere find mit ganz einfachem Relief
gefchmückt. [o mit der Darftellung eines Schwertes mit angebundenen dicken Qandfcfmhen oder
mit einem Ffaibmond (felbftverftändlich ohne gufammenhang mit dem Islam) oder mit Kleinranken,
die wohl noch auf antiken Einfluß zurückgehen mögen. Ruch die heraldifche Lilie findet [ich
mehrfach auf diefen Steinen, die in der Regel zu größeren oder kleineren Gruppen vereinigt, un-
weit von Paßübergängen oder auf einer weithin die Ebene beherrfchenden Kuppe gefunden werden.
Der allgemein und immer wieder von neuem behauptete 3ufammenhang diefer Rrt vonBegräbnis-
pläßen mit der Sekte der Bogumilen ift rein aus der Luft gegriffen und völlig haltlos; fie gehören,
wie aus den Münzfunden erhellt, in das 13. bis etwa 15. Jahrhundert. In diefer [eiben 3eit gab
es freilich dort auch Bogumilen, aber wir haben nicht die Spur einer alten Rngabe darüber, daß
gerade die Bogumilen ihre Leichen anders beftatteten, als die übrige bosnifch-ferbifche Bevölkerung.
Maffive, farkophagähnliche Grabfteine waren eben damals überhaupt landesüblich und haben [ich
vermutlich imRnfchluffe an wirkliche Sarkophage der römifchen und frühchriftlichen 3eit entwickelt.


Rbb. 10.
Gürtelhaken. Silber, vergoldet.
Seitenanficht. Vgl. Rbb. 6.
V, d. w. Gr.

666
 
Annotationen