Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921
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Heft 23
DOI Artikel:With, Karl: Ostasien, [2]: die Ausstellung der Kestner-Gesellschaft in Hannover ; die Kleinplastik
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Siam. Buddha ins Nirvana eingebend, Bronze.
Dann wieder in eine ganz kleine und zärtiiebe Bebutfamkeit übergebend oder in einen
feltfam Schattenhaften und dunklen Umriß eingezwängt. Immer voiier Sinnlichkeit, auch
dort, wo Versunkenheit oder Pflicht und ftrenges Gebot fymbolifiert werden, und voller
Scham und Scheu, wo eine abgründige und ungebändigte Sinneskraft weit und blut-
voll [ich ausgibt. Das gilt vor allem für die aus der mitteljavanifcben 3eit Stammenden
Stücke, deren Schönheit man bisher — nicht mit Unrecht — mit einem „klaffifchen"
Maß gewertet hat. Die Späteren oftjavanifeben Bronzen find fkurriler und leidenschaft-
licher; voll dämonifeber Pbantaftik und kühn fowobl im Aufbau wie im Symbol.
Plaftifcb verzweigt; bunt und marionettenbaft im Geftus; entweder Schwerer und Strömen-
der voll Blut und Leiblichkeit oder angftvoll und aufgelöft wie 3'ttern äußerft gereizter
Empfindung. Ihnen fehlt damit diefe barmonifebe Berubigtßeit der früheren (Uerke.
Geradezu für ficb fteben dann die fiamefifeben Stücke. Berührungen mit Cambodja
in der Frühzeit find unverkennbar, doch find folche Frühwerke ganz feiten. Die mittel-
alterlichen Arbeiten zeigen alle eine tiefe geiftige Schwermut und grüblerifcben Ernft.
Das blühend Pßantaftifcbe und diefe Lebenskraft, die fonft immer durchdringt, gleich-
gültig ob fie in Ernft, Abwehr oder Luft fiel) ausgibt, erfebeint tper ftark zurückge-
drängt. (Uot)l lebt in den Schweren Lippen viel (Uud)t und Erdfcbwere oder in der
ganzen Profilbildung liegt eine fet)r verfeinerte und kultivierte Sinnlichkeit; aber fie
wirkt dabei faft wie Belaftung oder Degeneration. Eine geiftig unerbittliche Schärfe
und zerfetzende Erkenntnis-(Uolluft febeint das Organifcbe zerfreffen zu haben. Die
beiden kleinen Köpfe in der Ausftellung find ftarke beugen diefer vergeiftigten Kunft.
Die dritte liegende Figur ftellt Buddha dar, wie er ins Nirvana binübcrfcbläft, wo
aller Kreislauf beendet ift. Das Stück hat viel Charakter, ohne ficb mit den Stücken
gleicher Art aus der Sammlung Stoclet und Fuld meffen zu können. Etwa derfelben
3eit gehört auch die birmanefifebe Golzfigur an, eine genien- oder nymphenhafte Ffalb-
gottbeit, die man — ähnlich wie die fiamefifeben (Uerke — meift nur in der harten,
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