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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 23
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0733

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Neue Büd)er

faffer jedoch auf diefen beiden Klegen fort-
fchreitet, die er ais die allgemeinen 3'ele der
Architektur erkennt, behandelt er in befonderen
Kapitein die Einzeiwirkung und die Klirkung in
intervaiien, die Kiärung von Flächen und Kör-
pern und die Schmuckformen. In einem be-
fonderen Kapitel erörtert dann derVerfaffer die
Anwendung der beiden Geftaitungsarten der
Architektur im Sinne der Plaftik und als raum-
bildende Kunft. In der Schlußbetrachtung weift
er bin auf die Reaktion gegen eine gewiffe
Arcbitekturübung, die verfucbt, die Architektur
iedigücb aus der Konftruktion zu entwickeln
fowie auf jene Cektonik, die Kunft der Archi-
tektur ausCragen und Laften bzw. aus ftatifcben
Gefefzen zu erklären. Er begegnet von vorn-
herein dem zu erwartenden Einwand, daß die
vorliegende Schrift vielleicht allzu verftands-
mäßig die Architektur zu ergründen trachte,
indem er betont, daß es fich hier weniger um
die hohe als vielmehr um die grundlegende
arcbitektonifcbe Tätigkeit handelt. Die Fjöben
feiner Kunft muß fich der Künftler allein weifen.
Es wäre zu bedauern, wenn man die Kunft
jemals ganz ergründen und fie ganz in Formeln
und Rezepte bringen könnte. 3u künftlerifcber
Cat gehört der Künftler, aber weil das Letzte in
der Kunft etwas Unbekanntes fein und bleiben
wird, fo müffen wir eben auf Bekanntem auf-
bauen.
OttoSf/e/z/, DfeBoH/irunst, ezn tV^r/rs/e/n
ZM/n Neuan/Trcu Gfpt/tsc/zen Ge/sYes.
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Sc/zzzz^//<?sY Vgr/czj wn /zz/zzzs /Yo//-
zTzzzzzzz, S/uK^czrY.
Die einfeitige Pßege des Verftandes und ihre
Folge, die allgemeine Richtung auf Nützlichkeit
und Klirtfchaftlichkeit hat zu einer Veräußer-
lichung unferes Geiftes geführt, die die feelifche
Kliderftandskraft weiter Kreife von innen heraus
zermürbt hat. Demgegenüber ift die Förderung
des Innenlebens, die Lenkung des Nützlichen auf
das Fjöbere, ein Gebot der Stunde. Und das
führt den Blick auch im befonderen Maße wieder
zur Baukunft zurück, die in früheren Epochen
immer der klarfte Spiegel des 3eitgeiftes und
3eiter!ebens gewefen ift. Es erhebt pcb die
Frage, wie das Verftändnis für die Baukunft
wieder dem Volke näher gebracht werden kann
und wie diefe Kunft wie in früheren Epochen
die Führung wieder übernehmen könne. Der
Verfaffer kommt bei der Prüfung derverftandes-
mäßigen und gefebäftsmäßigen Aufnahme der
Kunfterfcbeinungen zu einer Unterfcbeidung zwi-
feben verftandesmäßigem begrifflichen Sehen
und anfcbaulicbem künftlerifchen Sehen. Das

erftere, das bislang faft allein gefchult und be-
trieben wurde, deutet die dem Auge bemerk-
baren finnlicben Reizungen nur als Antwort auf
die Frage: Klas ift dort? Ganz anders das
künftlerifcbe Sehen, das nicht auf das Kiefen
der Dinge geht, fondern die Form in ihrer Klir-
kung auf Geift und Gemüt erfaßt, um pe als
ein Erlebnis zu emppnden. Das Streben nach
der Vervollkommnung in der Kunft äußert pcb
im Ausgleich zweier widerftreitender Strebungen :
Ausfeheiden überßüfpger Einzelheiten zum Fjer-
ausarbeiten des Gefamtausdrucks und Einfügen
von Feinheiten zu einer abwechfelnden, ftets
neuen Belebung. Der Streit dreht fich im wefent-
licben darum, ob die in Frage ftebenden Emp-
findungen vom Befcbauer eines Kunftgegen-
pandes in diefen hineingelegt oder ob pe durch
die Betrachtung des Gegenftandes in dem Be-
fcbauer ausgelöft werden. Nach Anficht des
Verfaffers trifft letzteres zu. Auf dem innerlichen
tätigen Ceilnehmen an der Stimmung des Künft-
lers beruht das, was man das künftlerifcbe Er-
leben nennt. Im Mittelalter z. B. war das ganze
Volk bis in die einfaebften, handwerklich tätigen
Kreife hinein von künftlerifcber Anfcbauung
durchdrungen und betätigte dies in feinen
Schöpfungen bis zum einfaebften Fjausrat. Fjeute
aber ift die frifebe Anfcbauungskraft, die in äl-
teren, weniger mit verftandesmäßigem Unter-
richt belafteten 3eiten das ganze Volk als Grund-
lage des Schönheitsgefühls durchdrang, künftlich
zurückgedrängt und brachgelegt. Die Bildung
ift zur Verbildung geworden.
Die Betrachtung der Baukunft bietet uns alles,
was zur planmäßigen Darlegung des vom Ver-
faffer behandelten Ubemas gebraucht wird. Ihre
Formenwelt ift klar, beftimmt und leicht über-
fehbar. Sie vermag reine Schönheit zu febaffen.
ohne Anleihe bei der Natur, unbeeinßußt von
Liebe, Fjaß und Leidenfcbaft. So bietet pe die
Grundlagen künftlerifchen Sehens und Klirkens
klarer dar als die anderen Künfte oder die
Natur. Von der Baukunft müffen wir ausgehen,
um zur einheitlichen Anfcbauung der Mittel zu
gelangen, durch die der Künftler auf feine Ge-
meinde einwirkt. Aber die gleichen Mittel, die
in der Baukunft wirken, beftimmen auch den
Gehalt der künftlerifchen Malerei und Bildnerei.
So kommt der Verfaffer zu dem Ergebnis,
daß, wer in der Baukunft gefchult ift, auch in
der Vielheit der bildenden Kunft die Gefelz-
mäßigkeit fo zum Ausdruck bringt, wie es feiner
3eitftimmung entfpriebt. „Dann wird fich aufs
neue die Kunft bewähren, aus tiefftem Schaffens-
grunde heraus als die Mutter der Künfte. So
kann und foll die Pßege des Verftändniffes für

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