Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

DOI issue:
Heft 17
DOI article:
Ausstellungen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0526

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ausheilungen

ehemaligen Großherzogtums aufgedeckten Wand-
malereien find hierin Kopien vereinigt, in Kopien
allerdings oder richtiger Nachbildungen, die
weit abliegen von dem, was gemeiniglich unter
„Kopie" verbanden wird.
Die heffifche Denkmalpflege, die auch die
wiffenfchaftlidße und künftierifche Vorbereitung
diefer Veranftaltung auf fiel) genommen hat, hat
auf Grund der Erfahrungen bei der Aufdeckung
und Wiederherftellung der alten Wandgemälde
im Verein mit dem Maler Fjermann Veite (früher
Frankfurt, jeßt Niederramftadt bei Darmftadt)
ein Verfahren der Aufnahme und Fixierung des
Befunds herausgearbeitet, das zum erftenmal
alle fogenannte künftierifche Freiheit, lies Will-
kür, diefen Dokumenten alter Kunft gegenüber
in einem wohl nicht mehr zu überbietenden
Maße ausfcßaltet und den Urkundcharakter des
Denkmals unbedingt waßrt. Die Kopie im land-
läußgen Sinn gab ja immer mehr den Eindruck
der Wandmalerei auf den betreffenden Kopiften
wieder als den wirklichen, tatfächlichen Befund,
gab das Denkmal viel zu fehr mittelbar, im
Spiegelbild, gebrochen, aus dem Sehwinkel des
Kopierenden heraus und war darum für die
Wiffenfchaft wertlos. Ganz anders die heffifchen
Aufnahmen. Sie haben unbezweifelt dokumen-
tarifchen Wert, ja fie geben, befreit von allen
ftörenden fpäteren Zutaten, Pußflecken ufw. das
Werk zuverläffiger und reiner, als der jetzige
3uftand es vermag. Es find Paufen, aber ver-
wendet werden nur kleinfte Stücke Pauspapier,
die ftändig und jederzeit eine Kontrolle am
Original durch Aufheben des Papiers geftatten,
was bei dem vielfach fragmentarifchen Charakter
der Zeichnung und der Verdunkelung des ur-
fprünglichen guftands durch Übermalungen ver-
fchiedenfter feiten einmal, aber auch durch
chemifche Veränderung der Mauerfubftanz und
des Malgrundes unbedingtes Erfordernis einer
wirklich buchftabengetreuen Wiedergabe ift.
Es ift felbftverftändlich, daß die Aufnahmen
den 3uftand der Malerei fixieren, wie er fich
nach Entfernung der deckenden, aber auch
fchüßenden Fünche dem Auge darbot, alfo vor
jeder Wiederherftellung und Ergänzung. Als
am beften erhalten hat fich ja immer die Kontur-
zeichnung erwiefen, fie ift wohl überall al fresco
aufgetragen und ift fo die innigfte Verbindung
mit dem Malgrund, dem frifchen Verpuß der
Wand, eingegangen. Die Aufnahmen durch Veite
gefchehen mit folcher Genauigkeit und felbft-
lofen Fjingabe an die Sache, daß vielfach die
zwei Konturen des Konturftrichs mit dem Blei-
ftift auf der Paufe aufgetragen wurden. Der
Aufnahme der Umrißzeichnung, die alfo rein
496

mechanifch ift und fo den denkbar höchften
Grad von Genauigkeit, von objektiver Wieder-
gabe erreicht, folgt dann die Ausmalung der
Paufe bzw. ihrer wieder ganz mechanifchen
Übertragung auf Papier, diefe nun freihändig,
was bei der Geübtheit der befchäftigten Kräfte
(zu Veite trat fpäter noch als Mitarbeiter der
Maler 0. Kienzle in Fraifa bei Darmftadt), aber
auch der relativ einfachen farbigen Fjaltung
mittelalterlicher Wandmalereien, ihrer Verwen-
dung faft ausfchüeßlich ftarker, ungebrochener
oder doch in großen Flächen aufgefeßter Farb-
töne nicht allzu großenBedenken unterliegen kanp.
Die Aufnahmen befinden fich heute zum größten
Feil im Befiß des Denkmalarchivs zu Darmftadt.
Sie find nicht das Ergebnis einer fgftematifcßen
Unterfucßungs- und Aufnahmearbeit, dazu haben
fchon in Friedenszeiten die Mittel gefehlt, fon-
dern fie find eigentlich nur eine Nebenfrucht der
Denkmalpflege. Wo Wiederinftandfeßungsarbei-
ten in Kirchenräumen Freilegungen erforderten,
wurden die angetroffenen Malereien aufgenom-
men, fchon weil ihre Erhaltung eine gründliche
Unterfucßung zur Bedingung machte. Was jenes
Verfahren aus Reften von Malerei, die dem Auge
kaum mehr wahrnehmbar waren, herausgeholt
hat, das muß auch auf den Kenner überrafchend
wirken. „Es waren reine Entdeckerfreuden für
den Maler und den Denkmalpfleger, wenn Li-
nien, die erft unverftändlicß waren, auf den von
allem Scßmuß und fonftigen gufälligkeiten freien
Paufen fich zu bestimmten Formen zufammen-
fchloffen" — man könnte das Verdienft diefer
Aufnahmetätigkeit der heffifchen Denkmalpflege
nicht feiner und fchärfer definieren, als es diefe
Worte des wiffenfchaftlichen Katalogs der Darm-
ftädter Ausftellung tun.
Aus diefem hervorragenden Charakteriftikum
der heffifchen Wandbilderaufnahmen, diefer
denkbar ßöcßftgradigen Wahrung des Urkund-
charakters der Denkmäler, refultiert ihre hohe
kunftwiffenfehaftiiehe und kunfthiftorifche Be-
deutung. Es ift ohne weiteres klar, daß die
Veltefcßen Nachbildungen für die Wiffenfchaft
geradezu unerfeßlicß find in den, allerdings ver-
hältnismäßig feltenen Fällen, wo die gerftörung
durch Witterungs- und andere Einflüffe foweit
fortgefchritten war, daß eine Erhaltung des noch
Sichtbaren als vollkommen ausfichtslos von vorn-
herein gar nicht verfucht werden konnte oder
fchließlich doch nicht gelungen ift. Viel häufiger
mußte aber auch bei aller Sorge für die Er-
haltung diefer Denkmale und troß inneren
Widerftrebens der Pfleger fich dazu verfteßen,
dem Drängen von Pfarrer und Gemeinde und
den Erfordernden des meift ja gottesdienftlichen
 
Annotationen