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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 19
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Riffert, Julius: Polizeiliche Zensur an Bühnenwerken
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0274

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die Runst, die es sich gefallen lassen muß, daß der
Staat es sich herausnimmt, ist sie ihm in etwas un-
bequem und läust dies seinen augenblicklichen Ab-
sichten zuwider, den Negisseur zu spielen und den Not-
stift arbeiten zu lassen. Schön aber, auf die Dauer

erträglich und gesund ist dies verhältnis nicht. Da-
rauf warnend aufmerksam gemacht zu haben, wohin
diese Zustände notwendig führen müssen, dazu sollten
diese Zeilen aus- und nachdrücklichst dienen.

Aultus MMert.

Nundscbuu.

Dicdtung.

Dans /Derlan." Zm wesen der Satire liegt
stets die deutlich erkennbare Beziehung zum verspotte-
ten Gegenstand. Sehen wir keinen Gegner, so er-
scheinen uns Bewegungen mit dem Säbel in der bsand
als gymnastische Übungen. Lsans H^rian tzat eine
reine Satire nur mit seinem ersten Buche gegeben;
seine späteren werden mehr und mehr zu werken, die
ihrer selbst willen da sind.

„Der Nilbräutigam"* von ,.S. Nebeg" folgt der
ksandlung in Lbers' „Nilbraut", die er mit ernsthaftem
Gesichte nachzuerzählen scheint. Das Nnvermögen,
zu charakterisieren, der Anfputz des ^elden mit back-
fischerfreuenden vorzügen, so daß er schließlich aus-
sieht zwar nicht wie eine warmorbüste, aber doch wie
ein wachspuppenkopf im Schaufenster des Lsaar-
künstlers, der Stolz auf archäologische Reuntnisse und
der kindliche Glaube, daß diese für den Wangel an
dichterischer Kraft in einem Dichterwerke entschädigen
kännen, das Drahtpuppenhafte des Ganzen, nimmt
man nur die ägyptischen Rleider weg — das alles
ist von Weriau hier auf das Glücklichste satirisch dar-
gelegt. Dabei ist die Sprache so gut, daß man sie
zunächst für äußerst schlecht halten würde, wüßte man
nicht, daß auch sie das Lberssche Deutsch nachahmen
soll. Das Linzige, worüber man geteilter wleinung
sein kann, ist der Nmstand, daß Nlerian mitunter, des
scheinbar trockenen Tones satt, einen guten witz um
seiner selbst willen einfügt. An und für sich be-
lustigend, stört das doch den Scheinernst der j)arodie,
deren eigentlicher Geist hier darin besteht, daß sie uns
die Geistlosigkeit des j)arodierten und die Romik der
wertschätzung solcher Geistlosigkeit aufdeckt.

Zn den „Urahnen", Nlerians „Zyklus vorsünd-
siutlicher Nomane", wird der Lharakter seiner Schrift-
stellerei bereits ein wesentlich anderer. Nrsprünglich
reizten den Verfasser wohl allerhand Absonderlich-
keiten unserer historischen Nomane zur parodistischen
verspottung, und der Gedanke war ein köstlicher, die
Vor-Geschichtlichen durch das Vor-Nlenschliche zu über-
trumpfen und einen hiftorischen Noman mit wloneren,

Amöben und Gasträen als Helden und Duldern zu
schreiben. Nun aber zeigte sich's, daß Nlerian zu sehr
j)oet im engeren Sinne war, um nur parodierender
Satiriker sein zu können: er verliebte sich, scheint
es, in seine wirbellosen Geisteszöglinge und leitete sie
demgemäß zu allerhand Geschichten und Begebnissen
einer Weichtierlebewelt, die mit der Satire oft wenig
zu thun haben. Die Satire liegt nicht mehr als lei-
tender Faden eingewoben im Ganzen, sondern sie
bindet dann und wann einen nenen Strick ins Ge-
webe: sie tritt in Episoden auf. Demgemäß gilt sie

* Gleich den andern Büchern Merians bei Reinhold werther
in Teixzig erschienen.

auch nicht mehr einem einzigen Gegner, sondern ver-
schiedenen: der archäologischeu und naturwissenschaft-
lichen „j)oesie", der altdeutschelnden Spielmanns-
singerei u. s. w.

„von Llifen bis Zwölifen, ein wüster Traum"
nennt sich Nleriaus jüngstes werkchen, angeregt na-
türlich durch den „wüstentraum" „Llifßn" seines
lieben Georg Tbers, von dem Nkerian nun einmal
nicht lassen kann, — könnte er's doch, so wäre das
unserer Meinung nach kein Unglück, denn Lbers Stern
strahlt lange nicht mehr im hellen Glanze der Zeit,
in welcher ihn Lseinrich ^teinhausens kritisches Fernrohr
zum ersten Nlale scharf besichtigte. „von Glifen bis
Zwölifen" ist eine freie Dichtung über „Gott und
welt," wie unsere Altvordern gesagt hätten, d. h.
über Allerlei, was den verfasser erzürnt oder kräukt,
und fast nur der Bänkelgesang „der Herrgottschnitzer
von j)hyle, eine schauerlich schöne Nkorithat" befaßt
sich darin unmittelbar mit Lbers. Lfier begegnen
wir auch zum ersten Nkale dem pathetiker in
Nkerian. Das ganze werkchen sübrigens in versen
geschrieben und zwar in da und dort vortrefflichen
verseu) zeugt von phantasie und jenem Zorn, der
für die Schöpfung von wahrhaft Tüchtigem oft die
Vorbedingung ist.

Werian ist eine Rraft, die Achtung gebietet. wir
dürfen darauf gespannt sein, nach welcher Seite sie
sich zunächst bethätigen wird, ob schon jetzt nach jener
echten, gemütstiefen Humors hin, der sonst nur Nrone
und Abschluß des dichterischen Schaffens zu bilden
pflegt, zu dessen Lntwicklung aber Nlerian alle Neime
besitzt — oder ob zunächst als Lyrik oder Satire.

lDusik.

» Zn Sachen Znstrumental- und vokal-
mnsik brachte der „Runstwart" (im l2. Lsefte) eine
kurze Darstellung der Ansichten Grells — „so gewiß
sich wenige zu seinen Gedanken bekehren werden, so
gewiß sollten sie dennoch mehr Leute kennen und
durchdenken lerneu," hieß es dort, „und wäre es nur,
um in seinem Systeme den Fehler zu finden." Zn
dem zunächst als s)rogramm der Narlsruher Nlufik-
schule, dann in der Leßmannschen „Allg. Nkusik-Z."
(?tl) abgedruckten Aufsatze „Lin Beitrag zur Tha-
rakteristik der Znstrumental-Nkusik" befaßt sich nun
Lfi Ordenstein mit der behandelten Frage. Der
verfasser, der sich durch das wort von der „unver-
antwortlichen Verwahrlosung des u oupellL-Gesanges"
Grell gegenüber ein für allemal gewahrt hat und
treffend gleich Lingangs seiner Erörterungen darauf
hinweist, daß „in einer Nichtung wenigstens eine
gewisse verwandtschaft der Kunstanschauungen Grells
zu den Zdeen, welche N. wagner über das verhält-
nis der Nlusik zur s)oesie und zur Tanzkunst in seinem


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