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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Reimann, Georg: Unsere Rechtsanwälte, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0126

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30

MODERNE KUNST

Ein fetter ICunde. Originalzeichnung von Ewald Thicl.

Na was denn sonst? Was haben Sie gethan?

„Gethan? nischt nicht, Herr Rechtsanwalt; gethan hab’ ich noch
nisclit nicht; ich meint’ man für den Fall, dass einem mal sollt' was pas-
siren — —“

Die Sprechstunde dauert heute lange. Seit drei Uhr wird das Vor-
zimmer nicht leer von Wartenden, die jedes Oeffnen der Thür mit Hoff-
nungsblicken verfolgen.

Nummer eins war ein Rittmeister mit erlauchtem Namen, der mit
seiner Frau, einer Banquierstochter von etlichen Millionen in Scheidung
liegt. Beide wollen die Scheidung. Aber es ist schwer in der Sache
weiterzukommen: den eigentlichen Grund wollen sie augenscheinlich nicht
nennen. „Unüberwindliche Abneigung“ sagen beide. Aber es ist ein
Kind da, und jener Grund also gesetzlich nicht ausreichend. Heute findet
zum dritten Male das gleiche Gespräch statt. Er will damit auskommen,
dass sie „nicnt mit einander leben können“; der Rechtsanwalt verlangt
Thatsachen; als jener die Achseln zuckt, muss er indiscret scheinen und
allerlei Fragen intimster Art thun. Schliesslich dasselbe Resultat wie vor-
gestern: der Rittmeister will sich’s noch einmal überlegen, was er „ohne

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seine Frau zu sehr zu compromittiren“ sage n
Der wahre Grund wird wohl sein, dass er
der Schuldige ist und leichtsinniger gelebt hnb
eine Frau und Mutter verzeihen kann. Jed e11

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hat er Schulden in Mensre, und aus der

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tung in einigen unangenehmen Wechselange 1

heiten ist er sogar
bühren schuldig.

dem Rechtsanwalt no

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Nummer zwei: ein ehemaliger Landwif
nach Verkauf seines Gutes Mittheilhaber an
darauf betriebenen Ziegelei geblieben und nun
zwanzig Jahren wegen der Gewinnvertheih' 11^^

mit seinem Abkäufer processirt. Er behaupteb ^

früheren Bilanzen seien falsch aufgestellt und 1,111

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von Neuem giebt’s Beweisaufnahmen und Guta

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dauei't .1

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von Bücherrevisoren. Der Process
schon im siebenten Jahr und kann

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ebensolange weiterdauern. Dabei ist der Man' 1
ai'mer Schlucker und längst nicht im Stande,
geforderten Vorschüsse pünktlich zu entrichte 11-

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Als Nummer drei rauscht in schwai'zer

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cine verschleierte Dame in’s Zimrner. Sie sc
von Distinction und wii'd also auf’s Sopha geno
Sie sei beschimpft worden, erzählt sie ohne

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leitung mit wenig distinguirter Entrüstung-
Mutter sei Obstverkäuferin und habe am Wih u

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hain ihre Bude; deswegen sei sie, dieTochtei, |(

einem infamen Gemüseweib wiederholt „Hai' 1i°| ;

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geschimpft woi'den und das brauche sie stcn ^

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gcfallen zu lassen. Während sie so spricht, SP
die Hand mit dem nagelneuen Glaceehandsch
auf den ein anscheinend kostbares Armband he r‘ ^
fällt, auf der Stickerei der Tischdecke. Nad 1
Alles beredet, wird sie gebeten, bei dem $ ul

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vorsteher di'aussen einen kleinen Vorschuss

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zahlen. Sie besinnt sich. Vorschuss? Ob das 111

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vielleicht noch bleiben könnte,

befinde

augenblicklich in einiger Vei'legenheit; ihr Mai 111

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Kaufmann, aber seit zwei Jahren wegen Urkui 1

fälschung im Zuchthaus, und die Mutter verdien e

grade soviel, als für die Toilette ausreiche —■■

Hinter ihr tritt eine arme Näherin ein, die e,n

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Process wegen einer Nähmaschinen-Leihe ven° ,

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Sie bittet, ihr die Anwaltsgebühren zu erla- ^
sie könne beim besten Willen nicht — die Rech u

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sei auch gar so hoch .... Der Rechtsanwalt 1

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lächelnd die Rechnung dm'ch und giebt J ni
Stücken zurück. Sie stammelt einen hastigen Dank und verschwind 1- 1'
Das ist ja heut’ ein hübscher Nachmittag! Die einen können ^
zahlen, die andei'n wollen nicht — und alle werden’s am Ende nich 1-

bei kann man freilich reich werden! Aber nein

da naht scho' 1

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Vergeltung. Dieser dicke behäbige Mann mit der schweren Goldketn

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dem Bauch und der unveränderlichen Biedermannsmiene, der da ebe n

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ti'itt, das ist unser Trost: ein fetter Kunde. Er ist Häuserspeculant:

kauft er, morgen verkauft er; in beiden Fällen aber processirt er.

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letzten beiden Jahren hat er wohl zwölf Processe geführt — erfreu
weise meist um recht ei'hebliche Summen. Mal gewinnt er, mal vel jt
er; aber das ficht ihn nicht an; das Vertrauen zu seinem Rechtsä 11

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wird dadurch nicht erschüttert, und es beweist sich immer wiedei,

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er Recht hat. Und was das wichtigste ist: zahlen thut er mit der V ^
lichsten Pünktlichkeit auf Heller und Pfennig. Heut’ bringt er wied 1' Af,\\

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Processchen; die Sache sieht ein wenig verschmitzt aus mit au ^
Hypothekenschiebereien — aber man kennt schon die Kniffe. * n
Minuten ist einem die Gebühr von etlichen hundert Mark gesichert. t

er dann gelit, drückt man ihm die Hand wie einem Busenfi'eunde, beg*
ihn bis zur Thiire, öffnet sie höflichst und complimentirt ihn mit
Lächcln hinaus. Lieber Gott, man muss seine Gönner sich warm * ia
 
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