Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

DOI Artikel:
Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [8]: humoristischer Roman
DOI Artikel:
Dincklage-Campe, Friedrich von: Diner der Generale am Neujahrstage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0227

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
136

MODERNE KUNST.

hat. Sein Benehmen gegen mich war nicht zum wenigsten dcr Grund,
der mich zur Flucht trieb. Nimm’ es mir nicht übel, Malchen, dass ich
so offen zu Dir spreche. Aber wenn Du Dich unparteiisch in die Sache
hineindenkst, wirst Du mir Recht geben. Alte Geschichten! wirst Du mir
vielleicht entgegnen. Wohl wahr, aber ich habe an diesen alten Ge-
schichten bis heute schwer genug getragen. Ich muss meine Rache, meine
Genugthuung haben. Darum bin ich eigentlich nur herübergekommen.
Freilich, auch ein wenig aus Heimweh. Na, meine Rache kann Winand
nur willkommen sein. Erinnerst Du Dich, dass vor einem Jahre ungefähr
ein Beamter der Deutsch-Amerikanischen Bergwerksgesellschaft hier war,
um mit Winand's Erlaubniss Muthungen aufTemplin und Rochollshof vor-
zunehmen? Nun, der Director dieser Gesellschaft bin ich. Und wir wissen
nun, dass hier unter unseren Füssen ergiebige Steinkohlenlager ruhen, die
11ns alle zu reichen Leuten machen werden; Winand nicht ausgeschlossen,
wenn cr vernünftig genug ist, auf meine Vorschläge einzugehen. Verstehst
Du meine Rache nun? Begreifst Du, warum mich —- verzeih! — eine
gewisse Freude beschlich, als ich hörte, dass es Winand nur kümmerlich
ging? Die verspottete Naturwissenschaft wird ihm auf die Beine helfen
und der durchgebrannte Taugenichts Fritz von Rocholl wird ihm die Hand
dazu bieten. Auch eine Art von Satisfaction, wie?“

Er hatte ihr lächelnd in die verwirrten Augen gesehen, in denen leise
etwas, wie eine schüchterne Hoffnung auf die Zukunft, aufgetaucht war.

„Oh, ich habe es ja immer gewusst, Fritz, dass Du ein guter Junge
warst!“-

Es war das Einzige gewesen, was Frau Amalie zu erwidern vermocht
hatte. So sehr hatte das viele Neue, Ueberraschende des Tages sie
(iberwältigt.

„Und nun — ich muss gehen“, hatte Fritz dann geschlossen. „Mein
Wagen wartet unten am See. Ich möchte Winand unterwegs nicht be-
gegnen. Nicht wahr> Dü versprichst es mir, dass Du ihm nichts von
meiner Ankunft erzählen wirst?“

Unwillkürlich hatte Frau Amalie gelächelt. War's nicht genau so, w
damals vor achtzehn Jahren? Immer hatten Fritz von Rocholl, der Taug
nichts, und Frau Malchen von Rocholl kleine Geheimnisse mit einan
vor Winand gehabt.

Und so hatte sie ihm auch diesmal wieder Schweigen gelobt; h' 1
Gelingen seiner Rache.

* *

*

Als Herr von Rocholl sp>ät in der Nacht aus der Stadt zurückkehW
fand er alle noch wach und seiner harrend vor. Seltsamerweise sc
er jedoch nicht, wie gewöhnlich, über die unnütze Verschwendung v°
Petroleum. Er lächelte sogar, genau so dunkel, wie er Morgens geläc
hatte. Und lächelnd packte er vor den Augen der Erstaunten die za
reichen Packete aus, die er mitgebracht hatte.

Da gab es seidene Bänder und Schinken, Handschuhe und Hun» ri(
in Conserven, Hutmodelle mit künstlichen Blumen und Spickbrüste, A- 111^
bänder und Madeira, Ringe und Sherry, und Bordeaux und Rhein- UI1
Moselweine. Auch zwei Körbe Sect fehlten nicht; Pomary und Röder e
carte blanche.

Aus alledem machte Herr von Rocholl drei Haufen und wandte s
dann lächelnd zu den drei wie erstarrt Zusehenden, nickte Jeder zu UI1
deutete dabei auf einen der Haufen.

„Fiir Dich, Malchen! . . Für Dich, Leo! . . Für Dich, Mia!“

Für sich selbst hatte er einen kleinen schwarzen Shlips gekauft, ei nfl
von denen zu fünfzig Pfennigen das Stück.

Kam's von der grenzenlosen Ueberraschung, die er ihnen bere' te

hatte — Keines dankte ihm, Keines wagte die Herrlichkeiten auch nur

berühren. Lange Zeit herrschte lautlose Stille im Zimmer. Auf He rl‘

th

von Rocholl’s Stirn erschien eine leichte Wolke. Er wurde plötzlich r°
und fast verlegen und sah Niemand an. Und währcnd er dann a n& f
legentlich den kleinen schwarzen Shlips betrachtete, antwortete er auf ^ 1'
stumme Frage, die in der Luft schwebte. |Fortsetzung foigt-I

2IW

8f

^ lcnerale am fj|eujahrötage.

Von Hans Nagel von Brawe.

Iljährlich — um dle Neujährszeit vereinigt sich im weltberühmten
Dressel’schen Restaurant „Unter den Linden” eine Gesellschaft zu
zwanglosem Diner, wie sie kaum jernals an einem anderen Orte derWelt
in dieser Zusammensetzung getagt hat, — noch je versammelt sein wird.

Fiir eine Reihe von illustren Gästen wird in dem eleganten Speise-
saale der breite Tisch gedeckt — diesmal unter des Wirthes eigCner Auf-
sicht. Auch im äusseren Aufputze, in der eleganten Art des „nicht zu
viel und nicht zu wenig“ versteht es der Restaurateur par excellence, der
hohen Stellung und dem Geschmacke der Herren Rechnung zu tragen,
die hier zusammenkommen, Männer, deren Händen des Kaisers Majestät
die Führung seines Kriegsheeres anvertraute. — Die Commandirenden
Generäle sind es, die Commandeure des deutschen Armeecorps, die all-
jährlich zum Jahreswechsel, nachdem sie dem obersten Kriegsherrn die
Glückwünsche der ganzen Armee darbrachten, einige Stunden im kamerad-
schaftlichen Zusammensein verbringen, ehe sie sich wieder zerstreuen
nach allen Richtungen der Windrose.

Es ist ein Viertel vor Sieben. Eben hat der Wirth die elektrischen
Eampen erstrahlen, die Candelaber auf der im Silberglanze funkelnden
Tafel anzüriden lassen. Und schon erscheinen die ersten Gäste, — etwa
auf 30 ist gerechnet —, legen im Vorzimmer die hellgrauen, rothgefütterten
Mäntel ab und betreten den behaglich erwärmten Saal.

Bewährte und allbekannte Scblachtenlenker sind darunter. Der alte
Herr, von nicht allzugrosser Gestalt, mit dem schneeweissen Kopfe, dem
weissen Vollbarte, den ausdrucksvollen, markirten Zügen und den — trotz
der 84 Jahre — immer noch feurig strahlenden Augen, das ist der Nestor
der preussischen Armee, der General-Feldmarschall Graf von Blumenthal.

Schon im Feldzuge 64 fungirte er als Chef des Generalstabes des
combinirten Armeecorps in Schleswig, und während des Krieges in Böhmen

stand' er bekanntlich als Generalstabschef an der Seite der Commandirend el1
der 2. Armee — des verewigten Kaiser Friedrich. Auch im Jahre 70/7 1
fungirte er als Generalstabschef bei dem damaligen Kronprinzen, und d ,e
Siege von Weissenburg und Wörth können nicht genannt werden. oh 116
neben dem heldemnüthigen Sieger auch des klugen Berathers zu gedenk e11'

Eine hohe magere Gestalt tritt soeben heran an den Fejdmarscha"

Der ausrasirte weisse Bart, die vornehme Haltung des Kopies, aus de’ 11

ein Paar noch immer unheimlich strenge Augen hervorblicken, erinn e,n

an die stramme Form, mit welcher seinerzeit der alte Gardeofficier Ut1

im Dienste Sr. Majestät unermüdlich thätige Soldat seine Armeecorps,

das 5. und dann das Gardecorps — für den Ernst des Krieges vorbere.it ett'

Es ist der Oberbefehlshaber in den Marken, Generaloberst von Pape, d e1

• h

sich mit dem Feldmarschall herzlich die Hand schtittelt. Jetzt gesellt slC
zu den beiden ein dritter Herr. Formen und Haltung erinnern an ^ fl'
Hofmann. Er ist es auch, denn Generaloberst Freiherr von Loö,
Fltigeladjutant Sr. Majestät und Commandirender des 8. Armee-Corps, ^
in manchem schwierigen Auftrage Gelegenheit gehabt, zu beweisen, d aS5
ein bewährter Heerführer auch ein vortrefflicher Vermittler in diplomatisch eI
Fragen sein kann.

Die Gesellschaft hat sich inzwischen mit militärischer Präcision vel
sammelt, und in froher Stimmung verläuft das Diner. In zündenden kur ze'
Worten hat der Feldmarschall Blumenthal das „Hoch“ auf den Kaiser n 11'"'
gebracht, und endlich — ist man bei Kaffee, Cigarren und zwangl° sf
Unterhaltung angekommen.

Die Saalthür blieb offen steben und gestattet auch dem Unberufen en'
einen Blick auf die Männer zu werfen, die auf der so schwer zu erklimmenh 611
Leiter militärischer Ehren die höchsten Sprossen erreichten.

Da richtet sich zuerst das Auge auf die reckenhafte, jugendkrä» 1^
 
Annotationen