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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Lenbach, Ernst: Der Klosteresel
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0349

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25S

Von Ernst Lenbach.

vKy J'nnten durch’s Thal sclilängelt sich der Bach gemächlich dem
KO fernen Strome zu, umgeben von Dörfern und Weilern mit rothen
Schindeldächern und rauchenden Schornsteinen; droben auf dem Berge
aber ragt freundlich ernst das Franziskanerkloster. Vier Gnadenwege
führen hinauf, tief eingeschnitten in den bröckeligen Lössboden, ge-
schmückt mit Stationsbildern, zwischen ihnen dehnen sich grüne Halden,
mit Kirschbäumen bepflanzt; es sieht sehr anmuthig aus, wenn im Früh-
ling die blühenden Bäume den ganzen Berg mit einem duftigen Schnee-
mantel umhüllen, aus welchem sich das röthliche Gemäuer des Klosters
erhebt. Bei den Bauern drunten stchen die Patres in grossem Ansehen.
Wenn sich eine braune Kutte auf der Dorfstrasse sehen lässt, so laufen
die Kinder mit ungewöhnlichem Grusseifer herbei; sie wissen, dass die
Klostermänner immer etwas für artige Kinder bereit haben, ein buntes
Ilciligenbildchen und dergleichen, aber auch wohl einen schönen roth-
bäckigen Apfel oder eine Hand voll Kirschen. Damit gewinnen sie sich
die Herzen der Kinder und folglich auch der Mütter. Die Männer aber
wissen ganz besonders ihre Predigten zu schätzen. Die Beredsamkeit der
Patres ist noch nicht angekränkelt von der kunstvollen Zucht der Seminare,
sie verstehen ganz anders als Pfarrer und Caplan, den Bauern an’s
Fell zu greifen. Von den Herrlichkeiten des Himmels und den Gluth-
qualen der Hölle berichten sie mit einer Anschaulichkeit, die vom Bösen
abhält und zum Guten ermuntert. Es weht durch ihre Predigten ein
kräftiger Zug des Mittelalters, der dem Bauern so eindringlich und ver-
traut in die Nase steigt, wie der derbe Erdgeruch des frischgepflügten
Ackers. Auch der geizigste unter den ländlichen Hausherren lässt es sich
nicht verdriessen, mit reichlichen Gaben ess- und trinkbarer Natur den
guten Patres für ihre Bemühungen um sein Seelenheil zu danken. Weiss
er doch obendrein, dass sie durch ihre mächtige Concurrenz dem Pfarrer
viel Aerger bereiten; und das freut ihn trotz aller schuldigen Achtung.

Früher lag das Einsammeln der milden Gaben einem der Mönche ob,
der von Haus zu Haus zog, begleitet von zwei Laiengehülfen mit rieslgeri
Körben, und niemals ohne eine reiche Ausbeute an Eiern, Fleisch, Butter,
Gemüse, Mehl, Milch und auch wohl minder kindlichen Getränken heim-
kehrte. Mit der Zeit aber wurde den Patres die Zeit immer kostbarer,
auch war zu erwägen, dass das ergiebige Gebiet auf die bisherige Betriebs-
art nur oberflächlich ausgenutzt wurde. Somit kaufte der Pater Präses
einen schönen starken Esel, der schon wegen seiner ungewöhnlichen,
braunen Farbe zu diesem Dienste vorbestimmt schien, ein ländücher Stell-
macher baute um Gotteslohn einen geräumigen Karren, und ein alter
Junggesell’ aus einem der Dörfer fand sich bereit, gegen Kost und Woh-
nung im Kloster mit der Leitung des Fuhrwerks auch die gewissenhafte
Einsammlung der milden Spenden zu übernehmen.

Anfangs hatte der Pater Präses alle Ursache, mit seinem Eingehen
auf den modernen Grundsatz möglichster Hebung der Verkehrsverhältnisse
zufrieden zu sein. Die Gewissenhaftigkeit des neuen Einsammlers erwies
sich eben so tadellos wie die Zugkraft des braunen Esels, und der dicke
Pater Cölestin, dem die Oberaufsicht über die leibliche Versorgung seiner
Brüder oblag, schmunzelte überaus vergnügt, wenn er den geräumigen
Karren wiederkehren sah, eben so wohlgefüllt wie vordem die beiden
Körbe. Aber der Teufel ist allezeit wach und geschäftig, und wo irgend
ein fiommer Mann etwas zur Besserung des Erdenlebens aussinnt, da legt
er sogleich seinen Schwanz darauf. Es ist ein gemeiner Brauch in jener
Gegend, dass jeder freundliche Besucher vorab vom Hausvater mit einem
Gläschen selbstgebrauten Schnapses bewillkommt wird. Auch der Fiihrer
des braunen Esels hatte diesen Brauch von Jugend auf geübt und ge-
nossen, und er war immerhin wohl im Stande, die Freuden einer ziem-
lichen Reihe von Hausbesuchen an einem Tage ohne sichtbare Folgen zu
ertragen. Was aber in dieser Hinsicht jetzt von ihm verlangt wurde, wo
er tagsüber an einigen dreissig bis vierzig Häusern Halt zu machen hatte,
das ging über seine Kräfte. Die guten Patres mussten mit Schrecken
wahrnehmen, dass der Braune von jeder neuen Ausfahrt wieder etwas

später heimkehrte, während sein Führer jedesmal wcnigcr im Stande
über seinen geistigen Zustand Rechenschaft abzulegen. Sie kannteH
menschliche Gebrechlichkeit und waren gewohnt, keinen allzu streno

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Maassstab bei der Beurtheilung von Leuten anzulegen, die ihnen
Uebrigen treu und redlich dienten; aber schliesslich erforderte doch d
Reputation des Klosters und ebenso sehr die bedrohte Sicherheit d e
Proviantkarrens ein strenges Einschreiten. Der Alte wurde seines Dien s* e
entsetzt und an seine Stelle der bisherige Gärtnergehülfe des Klosi eI
erhoben, ein blasser stiller Jüngling, der von klein auf dort oben gewe s
war und über jeden Verdacht sträflicher Neigung zu scharfen GetränK e
erhaben war.

Etwas verdrossen, die langen Ohren platt an den Kopf gedrückt,

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anscheinend in sein Schicksal ergeben, folgte der Braune seinem n eu

Führer thalabwärts; der Pater Präses sah ihncn zufrieden nach, nahm el‘ ^

Prise und glaubte sich nun aller Sorgen enthoben. Als es aber Ab el1

wurde, dunkel und immer dunkler, ohne dass die Beiden zurückkehK'

begann sein Gemüthsbarometer mit wachsender Schnelligkeit zu f a^ c'

„So lange ist der Andere doch niemals ausgeblieben“, klagten die Brü^ c'

„Wenn dem Jungen nur kein Unglück zugestossen ist“, meinte P atL

Cölestin, gerade heute, wo er das Fass Bier mitbringt, — es wäre schr eC' v

üch.“ Der Pater Präses verwies ihm seine Kleinmüthigkeit mit erns^

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Worten, aber ihm selbst wurde es immer weniger geheuer. Schliessn
machte er sich in Person auf, um gemeinsam mit dem Pater Cölestin
Vermissten entgegenzuwandern und nöthigenfalls im nächsten Dorfe L ellt
zu weiteren Nachforschungen aufzubieten.

Der Abend war schwül und finster, der Weg war abschüssig
holprig, nur wenig vermochten die beiden wohlbeleibten Herren h e'^
Scheine ihrer Laterne zu erkennen, sie schwitzten und seufzten erklecL lC
unter ihren dicken Kutten. Als sie aber ungefähr zwei Drittel des H 01
weges hinter sich hatten, hörten sie vor sich Lärm, scheltende MenscU’ 1
rufe und Schläge und dazWischen ab und zu die wohlbekannte St)’ 11
ihres Braunen; — „das sind sie, Gott sei Dank!“ stöhnte Pater CölesF

er hat noch e\^ e

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der Pater Präses versetzte sorgenvoll: „Mir scheint,
viel schwereren als der Vorige, — der konnte doch wenigstens sich
den Esel bis zu uns herauf bringen.“ Nun trat auch der Mond aus
Wolken heraus und beleuchtete sehr schön und hell den Hohlweg-

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sahen sie ihre Sorgenkinder vor sich. Der Karren stak mit dem elir
Rad im Wassergraben seitwärts der Strasse, der Esel stand unbewegb 1
davor, und neben dem Esel lehnte der junge Kutscher, durchaus nücht el
aber heiser und erschöpft von Rufen und Prügeln. Er klagte und W el11

,b e

beinahe, mit dem Thier sei nichts anzufangen. Auf dem Hinwege h a
es sich ja soweit ganz ordentlich benommen, und auf dem Rückv' ,' es
anfangs auch noch ziemlich; dann sei es aber zusehends immer tückis c
und fauler geworden, habe ihn ganz niederträchtig angeschielt,
schliesslich sei es eben ganz stehen geblieben und lasse sich durch ü lC
wnn der Stelle bringen. Der Esel bestätigte diesen Bericht mit ul1^

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1/

friedenem Schnaufen und Ohrenspiel. Nun versuchte der Pater P r‘ lS
an ihm seine Ueberredungskraft im Guten und im Bösen, aber es


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nichts; er musste es erfahren, dass es viel leichter ist, eine

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Bauerngemeinde zur Reue und Busse zu bringen, als einen ' vVlt
spenstigen Esel zu meistern. Pater Cölestin hatte sich inzwischen ' ^
gewissert, dass das Fahrzeug seine gehörige Fracht und vor
das Fass Bier an Bord hatte. Diese Wahrnehmung schärfte seinen Ge&’ ^
„halt, ich hab’s!“ rief er, steüte sich vor den Esel und begann den ^ j

hinauf zu schwanken, in seltsamen Zickzacklinien, hin und her toi

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und heftig mit den Armen schlagend; es sah sehr sonderbar aus im

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schein, dem Esel aber schien die Sache ausnehmend zu gefallen, ang elie^
berührt, reckte er die Ohren in die Höhe, that einen Ruck und s

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sich an, hinter dem nev.en Wegweiser herzutraben. Der Pater

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klappte den Mund ein paar Mal auf und zu, v/usste aber zunächst 111L
Ah!“

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vorzubringen als:
 
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