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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Holzbock, Alfred: Das neue Hoftheater in Wiesbaden
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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [6]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0182

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88

MODERNE KUNST.

da auch die Einzelleistungen, namentlich die Elisabeth des Fräulein Brod-
mann und der Landgraf des Herrn Schwegler, viel Gutes aufwiesen, so
gewann man von der Oper des neuen Hoftheaters einen überwiegend
günstigen Eindruck.

Man sagt, dass Herr Georg von Hülsen der kommende Mann sei.
Jedenfalls ist der Wiesbadener Intendant ein Factor, mrt dem das deutsche
Theater wird rechnen müssen. Der junge Bühnenleiter ist eine energische

und zielbewusste Persönlichkeit, das hat er bei der geschickten LösUflr
der seiner Zeit sehr complicirten Wiesbadener Theaterfrage bewie serl
Herr von Hülsen stand durch die Thätigkeit seines Vaters, zum Mindest el1
äusserlich, mit dem Theaterleben in Verbindung; er besitzt einen ehrlich eI1
Willen, ein eifriges Streben und einen bestimmten künstlerischen E rri5
und berechtigt zu den besten Hoffnungen, wenn er dereinst auf nin e>
verantwortungsvolleren Posten berufen werden sollte.


*ss? as aungerloos.

Humoristischer Roman von Heinrich Vollrat Schumacher.

[Fortsetzüng;.]

fas ist das wieder für ein Unsinn?“ sagte Herr von Rocholl dann
streng. „Du siehst wohl Gespenster?“

Der Nachtwächter zuckte zurück, um sich dann plötzlich geheimniss-
voll an seinen Herrn zu drängen.

„Glauben Sie an Gespenster, gnädiger Herr?“ flüsterte er. „Fräulein
Leo glaubt daran. Sie meinte erst heute noch, es könnte wohl die schwarze
Jutta sein. Wissen Sie, das ist die Frau von Rocholl, die im Ahnensaal
auf Templin hängt und so wilde Augen hat. Sie soll ja im dreissigjährigen
Kriege ihrem eigenen Manne den Kopf abgehauen haben, weil er zu den
Franzosen hielt. Und nachher soll sie eine Hexe geworden und vom
Gottseibeiuns bei lebendigem Leibe in die Hölle geholt sein! Seitdem muss
sie Nachts umgehen, wenn den Rocholls ein Unglück droht!“

Herr von Rocholl machte ein ernstes Gesicht. Hatte Leo nur aus
Muthwillen den alten Narren in seinem Aberglauben bestärkt?

„So?“ fragte er gespannt. „Und geht die schwarze Jutta jetzt um?“
Panske nickte ungeheuer wichtig.

„Sie geht! Zweimal hab’ ich sie mit meinen leibhaftigen Augen ge-
sehen, Herr! Vorige Woche und vor vierzehn Tagen. Jedesmal zwischen
halb elf und elf Uhr!“

„Wo?“

„Sie kam direct über’s Dach des Herrenhauses hinten nach dem Garten
zu. Und dann flog sie an der glatten Wand herunter, frei in der Luft.
Menschen können das doch nicht!“

„Na, und dann?“

„Sie verschwand in den Garten, wissen Sie, nach der hohlen Eiche
zu. Sie trug etwas unter dem Arm, was ich nicht erkennen konnte. Das
wäre der Kopf von ihrem todten Manne, sagt Fräulein Leo!“

„Möglich!“ erwiderte Herr von Rocholl grübelnd. „Und Du meinst,
dass sie heute Nacht wiederkommen wird?“

„Sie muss! Jedesmal, wenn Nachts ein Gewitter ist, muss sie auf den
Blocksberg tanzen gehen. Und jedem Menschen, der ihr begegnet, dreht
sie den Hals nach hinten, wenn er nicht ,Abracadabra‘ sagt. Das ist das
Wort, das die bösen Geister bannt. Es steht in den Zauberbüchern so
geschrieben, sagt Fräulein Leo!“

„Sagt sie?“ richtete sich Herr von Rocholl auf. „Na, wir werden ja
sehen, ob es wahr ist!“

Panske fuhr entsetzt zurück.

„Gnädiger Herr, Sie wollen . .?“

Herr von Rocholl nickte grimmig lächelnd.

„Ich will! Aber sei unbesorgt, Dummkopf; Du brauchst nicht mitzu-
gehen. Kriech’ nur wieder in die Hundehütte zum Rolf und halte ihm die
Schnauze zu, damit er die schwarze Jutta nicht anbellt. Die Blendlaterne
nehme ich mit!“

Er schloss sie, dass kein Lichtstrahl heraus drang, und wandte sich
nach dem Garten. Panske sah ihm strrr nach, bis seine hohe Gestalt in
der Nacht verschwunden war. Dann kroch er in die Llundehütte zurück
und hielt Rolf die Schnauze zu.

Und der Sturm brauste, der Donner rollte, die Blitze zuckten und
der Regen klatschte. Und die Fensterangel am Getreidespeicher kreischte
und auch die Lade knallte. Und es war eine unheimliche, hexenhaft
schaurige Nacht.

[Nachdruck verboten.]

Fünftes Capitel.

ten

4

„So! Die Strickleiter ist fest!“ sagte Leo mit vom Winde zerzaus
und regentriefenden Haaren in die Mansarde zurückkehrend, die ihr un<
Mia als Schlafzimmer diente und durch ein winziges Stückchen ei

in e{

ch’

es

Stearinkerze spärlich erhellt wurde. „Allons, Mia, steh’ auf und nta 1
Dich fertig. Es ist Zeit!“

Mia’s blasses Gesichtchen tauchte unter der Decke ihres Bettes h er
vor auf. f

,,Oh Leo, wie es donnert und blitzt! Und der Sturm und der Reg el1'
Und der Acker, über den wir müssen! Er ist vorgestern erst fris^ 1
gepflügt!“

Leo zuckte geringschätzig die Achseln, während sie ihre Zöpfe u111
den Kopf legte und ein altes, wollenes Tuch darüber band.

„Bah! Als wenn man von dem Bischen Nasswerden gleich stürb e'
Wegen des Ackers habe ich wohlweislich Papa’s ausrangirte, grosse Reit ef
stiefel beiseite gebracht. Sie stecken im Garten in der hohlen Eiche.
sollst sie anziehen, während ich —■ weisst Du noch, welche Wonne
für rnich immer war, mit nackten Füssen im Regen herumzulaufen?“ ^
Sie drehte sich zu Mia um. •— „Aber was?“ rief sie scheltend. „Du bh 1
noch nicht aus den Federn, Faulpelz?“

Mia faltete verlegen die Hände auf der Bettdecke.

„Oh Leo, ich . . ich bin so schwach. Ich glaube, ich werde unt ßI
wegs liegen bleiben. Und dann — es ist wirklich schlecht von uns, Betrür'
Onkel war heute so gut zu mir, so besorgt, er will extra meinetwegen ^
der Stadt zum Arzt gehen! Und nun . . sei nicht böse, Leo, aber ich . • •'
Leo fuhr mit empört blitzenden Augen zu ihr hin.

„Wie? Du willst nicht mit? Bildest Du Dir etwa ein, dass ich an Deif e
Krankheit glaube? Gewiss, Du wurdest ohnmächtig. Aber warum? W el
Du Angst hattest, dass Papa die Geschichte mit dem Phildoctor entdecU' 1
würde. Und mit Deinen sogenannten Gewissensbissen ist’s genau ebens 0'
Weisst Du, was Du bist? Feige bist Du, Mia, gotterbärmlich feige!

Na ja, nun heult sie. Oh Weiber, Weiber!“

Sie ging mit hastigen Schritten durch das kleine Zimmer. Mia ha tte
sich die Bettdecke wieder über das Gesicht gezogen, um ihre Thränen
verbergen. Aber ihr ununterdrüekbares Schluchzen verrieth sie.

Z u

„Nicht feige, Leo, wahrhaftig nicht!“ stammelte sie dann geqü^ 1
„Es . . es ist etwas Anderes, weshalb ich nicht mitgehen kann. Etw us'
das . . . wenn ich es Dir sagen würde . . . Du müsstest selbst zugeb efl'
dass ich . . .“

Sie verstummte, wie erschreckt über das, was ihr über die LipP
wollte. Leo war aufhorchend stehen geblieben und über ihre eben nn l

ef

finster gefaltete Stirne war ein feines Lächeln geflogen. Nun setzte
sich plötzlich auf den Rand von Mia’s Bett, zog der Widerstreben'

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de' 1

sanft aber mit unwiderstehlicher Kraft die Decke zwischen den Händ el>
hinweg und hob das zarte Köpfchen vor ihr ein wenig zu sich empor-
„Mia, kleine, dumme Mia!“ flüsterte sie zärtlich, während sie tief 1
die grossen, ängstlichen Augen sah. „Was würdest Du mir sagen?“

Mia wurde blutroth und schluchzte noch mehr.

„Oh, wenn Du es wüsstest! Nein, ich kann es Dir nicht sagen.
ist so schrecklich! Du würdest mich nicht mehr lieb haben; Du würd e
mich hassen; ewig; bis in den Tod!“

Leo lachte.'
 
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