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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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K., E.: Die Hochzeit des Fürsten Radolin
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Hirschfeld, Max: Ehestandsscene im Atelier
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0479

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MODERNE KUNST.

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kostbaren Baldachin aufgeschlagenen Ehrensitz. Gleich darauf betrat auch

Braut am Ärm ihres Bruders, des Reichsgrafen Hans von Oppersdorff,
^ie Kirche. Für das festliche Gewoge der eigentlichen Hochzeitsgäste
^ar das Presbyterium reservirt.

Der majestätische Prunk des katholischen Gottesdienstes, das Flimmern
der duftenden Wachskerzen, das Blinken der Goldzierrathe und des kost-
t>aren Altarschmuckes, das Wallen der Weihrauchwolken durch die hohen
ernsten Räume, der Schöne, feierliche Gesang, endlich das würdige, ein-
drucksvolle Auftreten des Fürstbischofs — alles das vereinigte sich, um
über diese vornehme Trauung, diese ausgewählte Festgesellschaft noch
einen ganz besonderen Nimbus zu verbreiten. Dr. Kopp betrat, unter
dem Vorantritt von vierzehn Geistlichen und unter einem von Chorknaben

getragenen Thronhimmel um 11 Uhr die Kirche. Nach Schluss des Ge-
sanges „O bone Jesu!“ begann er seine Ansprache, die unter einem Hin-
weis auf die Anwesenheit des Kaisers in tiefempiundenen Worten die
Bedeutung der Feier in allgemeinem und besonderem Sinne hervorhob.
Nach einer sogenannten „stillen Messe“ schloss die Feier mit dem fürst-
bischöflichen Segen ab.

Wir erwähnen noch, dass Graf Hans Oppersdorff während des Hoch-
zeitsmahles eine huldigende Ansprache an den Kaiser richtete, in welcher
er hervorhob, dass Stadt und Schloss Ober-Glogau seit Friedrichs des
Grossen Tagen zum ersten Mal die Freude erlebten, den Landesherrn in
ihren Mauern zu sehen, und dass in seinem Schlosse seit mehr als hundert
Jahren zum ersten Male wieder eine Hochzeit begangen würde. E. K.

JQ

hestandsscene im

Von Max Hirschfeld.

telier

(Er sitzt vor einem Tische, auf welchem ein Skizzenbuch liegt, nagt an einem Zeichenstift
und schielt nach seiner Frau, welche am Fenster sitzt, mit einer Stickerei beschäftigt.)

E r: Du könntest mir so schön helfen, Lucy!

Sie: Du weisst, ich sitze nicht gern Modell, aber ich kann es ja
nicht hindern, wenn Du mich zeichnen willst.

E r: Das allein thuts nicht, liebes Kind, Du musst eine recht grimmige
Miene machen, so als ob-

Sie (ironisch): Wieviel zahlst Du denn für die Stunde?

Er: Du willst nicht!

Sie: Nein, nein, nein!

E r (nach einer Pause, langsam): Es giebt Frauen, welche dem Mann eine
Stütze sind, aber Du — hm! hm! Wenn ich das alles vor einem Jahre ge-
Wusst hätte —

Sie: Dann hättest Du mich nicht geheirathet, wie?

E r : Allerdings nicht.

Sie (heftig stickend): Das soll doch wohl nur ein Scherz sein. Wer hat
denn nicht eher geruht, als bis sein Flehen erhört wurde? War ich das
etwa?

Er: So schlimm war es doch eigentlich nicht. Ich war freilich blind
genug, um Dich zu werben, während ich nur zuzugreifen brauchte, um
das Fräulein von Schnitzel heimzuführen.

S i e (die Stickerei bei Seite schiebend und sich erhebend): Die alte hässliche
Coquette?

E r : Nicht so sehr alt und nicht so sehr hässlich, aber reich, sehr reich.

Sie: Pfui, Hans, das ist taktlos, im höchsten Grade taktlos. Du
wirfst mir indirect meine geringe Mitgift vor. Das würden wir garnicht
rnerken, wenn Du mehr verdientest-

E r : Das war wieder von Dir taktlos.

Sie: Natürlich, wenn ich die Wahrheit spreche, die Du nicht ver-
tragen kannst, so ist das taktlos, aber Recht habe ich doch. Es geht
knapp bei uns her, sehr knapp.

E r: Das ist nicht meine Schuld, mein Verdienst ist immer noch sehr
anständig. Ich arbeite für die besten illustrirten Zeitschriften und meine
Arbeiten werden überall gern acceptirt. Ja, aber wenn man gar keine
Ahnung von der Wirthschaft hat, wie Du, wenn man so das Hauswesen
vernachlässigt, wenn man nur Sinn für Putz und Tand hat-

S i e : Das sagst Du mir, mir? (Sie sinkt schluchzend auf den Stuhl und presst
'hr Taschentuch vor’s Gesicht.)

E r (wird ängstlich, wirft einen sehr liebevollen Blick zu ihr herüber und wendet
s'ch ab, sobald sie das Taschentuch vom Gesicht nimmt).

S i e (rasch ihre Thränen trocknend und aufspringend). Ich hätte keine Ahnung
von der Wirthschaft? Hast Du mich nicht immer gelobt, wie gut ich
Mles zusammenzuhalten verstände? Ich Putz und Tand? Solange wir
verheirathet sind, habe ich mir nur ein einziges neues Kleid gekauft-

dn diesem Tone fährt sie fort, sich zu vertheidigen. Die Blitze, welche aus ihren Augen
Schiessen, würden ihren Gatten gänzlich zerschmettern, wenn dieser es nicht vorzöge, sich
tlüt seiner Zeichnung zu beschäftigen und nur ab und zu einen forschenden Blick auf seine
Uau zu werfen. Sie droht zur Mutter zu gehen und nie wiederzukommen. Schon iegt sie die
Band auf den Thürdrücker, als der Mann sich umdreht und mit sanfter Stimme sagt: „Lucy!“)

[Nachdruck verboten.]

S i e : Was soll’s?

E r : Es war nicht so böse gemeint.

S i e : Damit lassen Deine hässlichen Worte sich nicht wieder gut machen.

E r: Es war Unrecht von mir, ich bitte Dich um Verzeihung.

Sie (kalt): Nein, es ist besser, ich gehe und mache — Fräulein
von Schnitzel Platz.

Er: Sprich mir nicht von dieser Vogelscheuche. Man muss doch
Scherz verstehen.

S i e : Und alles andere war auch Scherz?

Er: Wenigstens unüberlegt. Du weisst, in der ersten Aufwallung sage
ich manches, was ich später nicht verantworten kann. (Obwohl sie wider-
strebt, umarmt er sie und drückt einen Kuss auf ihre Wange.)

S i e : Du versprichst mir —

E r: Alles.

Sie: Solche hässlichen Scenen werden nicht mehr vorkommen?

E r : Nie mehr.

S i e (hält ihre Hand hin, welche er inbrünstig küsst).

E r: Und nun zeig mir wieder Dein altes freundliches Gesicht.

S i e (wohl ernst, aber nicht mehr böse): Später. (Sie setzt sich wieder an’s Fenster
und nimmt ihre Arbeit auf.)

E r (einen Hundertguldenschein aus der Tasche nehmend und emporhaltend): Sieh
einmal!

S i e (freudig): Ach, Hans!

Er: Ja, den erhielt ich heute Morgen für eine Arbeit, die ich vor
mehreren Wochen eingereicht hatte. Dafür wollen wir heute unsern Hoch-
zeitstag feiern.

Sie: Unser Hochzeitstag ist ja erst im nächsten Monat, am 12. Mai.

Er: Und heute ist der 12. April, feiern wir also unsern elfmonatlichen
Hochzeitstag. Wir gehen in ein feines Restaurant diniren —

S i e : Dann in die Conditorei —

E r : Abends in’s Theater, in die Oper!

S i e : Ich hätte aber doch noch einige kleinere Wünsche —

E r: Sprich nur, ich kauf’ Dir alles.

S i e : Ich brauche schon lange einen neuen Hut, im Schaufenster bei
der Kronau habe ich so einen reizenden — rosa und schwarz — —

(Sie setzt ihm mit strahlendem Gesicht alle ihre Wünsche weitläufig auseinander, während
er sich wieder mit seiner Zeichnung beschäftigt, nur ab und zu aufsieht und nickt. Endlich
erhebt er sich, nimmt zwei Skizzen vom Tisch und zeigt sie ihr.)

S i e (verblüfft): Das •— bin — ich —

Er: Beide Male. Das eine Mal als „Plausdrachen“, das andere Mal
als „Hausengel“. Es sind Pendants.

Sie: Die Scenen, die Du mit mir aufführtest, waren also nur —

Er: Comödie, mein Engel, Comödie! Im Ernst hätte ich Dich gar-
nicht so betrüben können. Aber in der ganzen Welt hätte ich so schöne
Modelle nicht aufgetrieben.

S i e (schmollend): Das war recht schlecht, Hans —

E r (ihr die Banknote in die Hand drückend): Nun wolleil wir geheil.

Sie (etwas freundiich): Meinetwegen denn!

IX. 25. IV.
 
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