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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Klitscher, Gustav: Aus dem Heidelberger Studentenleben
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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [10]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0253

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MODERNE KUNST.

16

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Hcidelberger Carcer. Originalzeichnung von G. Graf.

'vieder ein Stiick lebendigen Lebens hinein, das lustig und heiter zwischen
die Gefängnissniauern nicht recht zu passen scheint. So ein Carcer ist
a.ber ein fideles Gefängniss, wie das in der „Fledermaus“ und auch der
nVerfluchte Pommeranzen“ spielt in ihm seine nicht kleine Rolle. Während
der Tagesstunden besuchen den Häftling die Corpsbrüder, und der dienst-
bereite Pedell sorgt für die unvermeidliche Feuchtigkeit. Dann bei Pfeifen-
J'auch und Skatspiel „wird ein Lied gesunken und ein Schnaps getrunken,

von dem kreuzfidelen Studio“. Das ist eine Zeit von eigenartigem poetischem
Reiz, denn „auf dem Carcer lebt sich’s frei, lustig ist die Carcerei“.

Arn Ende aber werden dem Eingesperrten die Tage doch lang, zumal
wenn die Sonne lockend in’s Fenster lacht. Er sehnt sich hinaus, Freiheit
bleibt doch Freiheit. Besonders schön aber ist sie für den jungen sorgen-
losen Studio in der schönen Neckarstadt, in „Altheidelberg, der feinen, der
Stadt an Ehren reich.“

Humoristischer Roman von Heinrich Vollrat Schumacher.

[Fortsetzung.]

Leo!“ stammelte Mia, von Leo’s seltsamem Wesen verwirrt.
Jene zuckte geringschätzig die Achseln.

„Bah, eine Kleinigkeit! Erst eine möglichst naive und derbe Schmei-
cbelei, — z. B. Gott, was haben Sie für schöne Zähne! — Dann plötzliches
Rothwerden; — man hält den Athem ein wenig an; — darauf ein tiefer
^eufzer — nach einem kräftigen Mittagessen sehr leicht zu fabrieiren, —
l|nd endlich ein verschämter, thränenschimmernder Aufblick: platsch, da
hegt er auf den Knien und rutscht auf dem Teppich herum und winselt
l'm Gnade, wie ein Hund! Na, und wenn er so weit ist, dann . . .“

Sie knirschte mit den Zähnen und warf sich wild in einen von den
^eiien modefarbenen Plüschsesseln.

„Und dann? wiederholte Mia gespannt.

„Dann?“ lachte Leo kurz auf und kauerte sich in sich zusammen, wie
Gne Katze. Und plötzlich schnellte sie vor und stiess mit dem Absatz
'ljfes neuen Schuh’s krachend gegen den Fuss des neuen Salontisches.
uSo! Fusstritt! Wie er einem kriechenden Hunde, einer feigen, ehrlosen
Wstie zukommt. Denn das ist er!“

Mia wich erschreckt vor Leo’s glühenden Augen zurück.

[Maclidruck verboten.]

„Aber ich bitte Dich“, rief sie, „wie kannst Du das sagen? Du kennst
ihn doch gar nicht!“

Leo stand hastig auf und trat an eines der Fenster. Um die Röthe
zu verbergen, die ihr jäh in’s Gesicht gestiegen war?

„Ich kenne ihn nicht?“ sagte sie nach einer Weile mit seltsam ver-
änderter, wie dumpf grollender Stimme. „Ach ja, ich habe es Dir noch
nicht erzählt, dass er hier war, heimlich, im Garten, bei mir, neulich, als
ich die Birnen abnahm. Er wollte sich wohl bei mir ein wenig interessant
machen, ehe er ofifen herkäme. Papa wird’s mit ihm verabredet haben,
weil er weiss, dass ich nie und nimmer heirathen werde. Und da dachten
sie, mich durch ein Bischen romantischen Klimbim herumzukriegen; er ist
ja sonst ein hiibscher Kerl. Haha; natürlich durchschaute ich den Rummel
sofort und sagte ihm meine Meinung, gerade heraus, in nüchternem Deutsch.
Weisst Du, ungefähr so, wie wenn man einen Windhund prügelt. Er scheint
aber sein Deutsch in der Fremde vergessen zu haben; denn er kommt trotz-
dem. Na, und deshalb werde ich die Methode ändern und ’s noch drastischer
machen. Erst werde ich ihm französisch kommen, mit Eieiei und Achachach;
und wenn er dann lichterloh brennt, spanisch, mit dem Rohrstock! Pfiih!“
 
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