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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Kork-Teppiche
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Mischke, Karl: Die römische Geschichte: eine Erzählung
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0367

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MODERNE KUNST.

2 77

^ Der deutsche Name „Korkteppich“ erklärt sich selbst; pulverisirtcr Kork ist
j 2weite, weniger werthvolle aber nicht minder wichtige Bestandtheil, der die
' c]l Kerkleinerung theilweise verloren gegangene Elasticität des Korkes durch
c ßindung mit auf natürlichem Wcge oxydirtem Leinöl wieder erlangt.

Soweit war uns der Artikel, der heute eine mächtige Industrie beschäftigt,
bekannt; es drängte uns aber — ist doch auch die Linoleumfabrikation
* llc «Moderne Kunst“! - - genauere Einsicht von seiner Herstellungsweise zu
j. ' men, und so machte sich denn unser Reisegelehrter auf den Weg nach dcn
^ t'°leumwerken der German Linoleum Manufacturing Cie. zu Delmenhorst bei
j^men, woselbst er von der Direction, die sonst gegen Besuch sehr vorsichtig
’ ^eundlich aufgenommen wurde. Lassen wir nun unserem Abgesandten
Wort.

Systematisch bei den Grundstoffen beginnend, zeigte mir der technische
lrector, welcher mich begleitete, zuerst die Korkmühle, woselbst in einer
; ahlichen Zahl oberschlächtiger Mahlgänge von mächtigen Dimensionen die Kork-
a'le zermahlen und zu staubfeinem Mehl versiebt werden. Dann ging es an
^ gewaltigen Oelbehältern, in denen stets gegen eine Million Pfund bestes
_ crleinöl ablagert, an den Oelkochern und -Punipen vorüber, zu den Oxydir-
ÜSern. Hier erwartet den, der gewohnt ist sich unter „Oel“ etwas Flüssiges
'Wustellen, eine eigene Ueberraschung; er sieht das Leinöl als feste kautschuk-
. u8 e> goldgelb durchscheinende Masse an langen Nesselstreifen hängen, welche

bi

d.

lrtirn,

•tio

den

er wieder mit frischem Oel übergossen werden. Die wunderbare Meta-

rPhose aus dem flüssigen in den festen Zustand ist die Folge eines durch
Sauerstoff der stetig erneuerten Luft bewirkten Oxydationsprozesses. Die
I atur arbeitet gratis, aber sie lässt sich auch Zeit dabei. Es vergehen 6—8 Monate,
^' s der Oxydationsprocess beendet ist uncl so lange hängt ein grosses Capital

tr,
d,

ür'lich in der Luft! Eine freundliche Einladung des Herrn Directors „näher zu
lehnte ich dankend ab, denn ich merkte schon etwas von dem Einfluss

° r scharfen, bei der Oxydation sich verflüchtigenden Ameisen-(Leinöl-)Säure
die Thränendrüsen! Uebrigens begreift man, wenn man so cin Stück
"^ydirtes Leinöl“ in die Hand nimmt, sofort, dass dies in Verbindung mit Kork
' vunderbares Material abgiebt. Wenn man dann noch sieht, wie dieses Oel
Crkleinert, mit Kanri-Kopal, einem werthvollen fossilen Harze, gemischt, mittelst
lllCr Serie der verschiedenartigsten Knet- und Walz-Systeme mit Korkmehl und
^ en Farberden durcheinander gearbeitet und schliesslich die so gewonnene
von den damplgeheizten Walzen gewaltiger Kalander auf das starke

Rückengewebe gepresst wird, so wird man von Bewunderung erfüllt für die
geniale Idee des Erfinders (Frederik Walton, der vor mehr als 30 Jahren die
erste Linoleumfabrik zu Staines an der Themse gründete) und die grossartige
Verwirklichung, die dieselbe in den Werken der aus dem Staines’schen Unter-
nehmen hervorgegangenen German Linoleum-Company zu Delmenhorst gefunden
hat. Man ist völlig überzeugt, man sieht und fühlt es, dass ein solcher Boden-
belag mit der Wärme und der Schalldämpfung des Teppichs die Elasticität, Halt-
barkeit und Wasserbeständigkeit des Kautschuks, und die Reinlichkeiten des
früheren Wachstuches in vollkommenster Weise verbindet,

Besonderes Interesse bot mir, als einem Vertreter dcr grossen Gilde der
„Druckkünstler“ die Art und Weise, wie dasjenige Linoleum, welches seine
einfarbige Oberfläche nicht behaltcn soll, durch schwere Druckformen mit den
mannigfaltigsten Mustern bedruckt wird. Man zeigte mir Muster von hervor-
ragender Formen- und Farbenschönheit, welche darthun, dass auch die ästhetische
Seite mit Verständniss gepflegt wird.

Die Farben, welche sehr dick aufgetragen und in langwierigem Trocken-
process erhärtet werden, leisten in den geschützten Innenräumen des Hauses
der Abnutzung viele Jahre Widerstand. Da man nun aber auch an manchen
anderen Stellen den Schmuck des Musters nicht gerne entbehren möchte, so ist
die German Linoleum-Company dazu übergegangen, ein granitartig gesprenkeltes
und geadertes Linoleum herzustellen, welches die Unverwüstlichkeit des ein-
farbigen Korkteppichs mit dem hübschen Aussehen eines Granit- oder Terrazzo-
Bodens verbindet. Das Vollkommenste jedoch was die Linoleumindustrie und
zwar, wie mir gesagt wurde, nur die von mir besuchte Delmenhorster Fabrik
jetzt hervorbringt, sind wirkliche Muster, deren Farben thatsächlich durch und
durch gehen, so dass sie nie abgetreten werden können! Die German Linoleum-
Company bringt diesen Artikel unter dem Namen „Inlaid“ in den Handel. Ich
war auf’s Höchste überrascht, als ich sah, wie man die verschieden gefärbten
Linoleumteilchen in Gitter füllte und das so zu einem Muster zusammengesetzte
Material einem hydraulischen Druck von 2000 Kilo auf den Quadratzoll aussetzte!
„Das“, sagte ich mir, „ist in der That der Fussboden der Zukunft!“

Unser Bild zeigt einen Innenraum des Reichsbank-Neubaues, welcher von
den Ilerren Quantmeyer & Eicke, den Berliner Generalvertretern dcr Fabrik, mit
dem durchgemusterten Granitlinoleum belegt wurde und so einen Bodenbelag
erhielt, der hochfeines Aussehen und praktischen Werth in früher nie gekanntem
Maasse vereinigt.

römische fjfeschichte.

<T ^

Eine Erzählung von Karl Mischke.

^lche

är es nicht bei der Eroberung von Veji? Ganz recht. Natürlich war es
bei der Eroberung von Veji. Das hatte uns Bengels einen riesigen Spass
gemacht. Ja, das war aber auch noch etwas; oben im Tempel zu Veji
Oberpriester und der König der Vejenter beim Opfer, irgend eine Gottheit —

war es doch gleich? — anflehend, die bösen Römer, dieses Räubervolk, zu

^ Crnichten. dass keine Spur davon übrig bleibe, und unten in ihrem unterirdischen
^ atlge inzwischen vordringend die Römer, an der Spitze der Held Marcus Furius
T^illus, leise schleichend und doch von gedämpftem Waffengeklirr begleitet,
, s aber die Verblendeten oben in ihrem Opferwahn überhören, dann krach!
^ Cllls! klirr! die Fliesen des Fussbodens gesprengt, hops, hops! heraus die
ackeren Römer, Schwertgeklirr, Schildesklang, die überraschtcn Feinde stehen
' arr> knacks! liegt der Vejenterkönig, knacks! liegt der Oberpriester, und Morcl
lc Blutvereiessen und Feuerbrand und Zerstörung! Weiber und Kinder heulen,

■'Ut2

Ullc

H;

ergiessen

zt ihnen alles nichts, Greise und Jünglinge greifen zu den Waffen, werden
ak>geschlachtet, kein Stein bleibt auf dem andern, Veji wird alle! War früher
^ 11®! eine mächtige Stadt.

Bas war doch ein Fall, der Fall von Veji! Und unser römischer Geschichts-
^ rer, der den biederen Namen Mtiller führte, hatte uns die Sache mit ihrem
ila' 1Zen th ea,:l' ali scl len Aufputz so schön ausgemalt, dass in unseren jungen Herzen
»flich sofort der Plan reifen musste, auch einen unterirdischen Gang zu
en, eine Stadt zu zerstören, Greise, Weiber und Kinder, vor allem aber
Ctl König und einen Oberpriester zu erschlagen, mit einetn Worte, uns zu
llehrnen wie Helden.

e hJnser guter Herr Müller hattc daher kaum das Schulzimmer verlassen —
^ hatte im Eifer der Erzählung eine Viertelstunde zugegeben, die Schule war

I=st aus, und alle anderen Classen waren inzwischen lärntend abmarschirt, —

-

\^. auch schon durch stille Uebereinkunft der runde Ofen, durch den wir im
&; uter mit einer warmen Wasserleitung geheizt wurden, der aber jetzt minder
^Hich 2u besteigen war, zur Burg der Vejenter erklärt wurde. Ehe er es
jj. Versah, war unser Kleinster trotz seines Strampelns von kräftigen Armen
^ ttanfgehoben und zum Oberpriester ernannt worden; er erhielt sofort den Auf-
lrg end etwas zu opfern und die Götter anzuflehen, dass sie die bösen
)tner> dieses Räubervolk, vernichten sollten, dass keine Spur davon übrig

bliebe. Das war bald abgemacht, aber jetzt kam eine Hauptschwierigkeit zu be-
seitigen. Nämlich unsere beiden grössten Hclden, Paul Nagel und Emil Ilettler,
erhoben beide Ansprüche auf den Posten des Camillus. Den König der Vejenter
wollte keiner machen, denn wer ist gern bei der dem Untergange geweihten
Partei? Dagegen Camillus, — ha! mit Schild und Schwert durch einen unter-
irdischen Gang, d. h. mit Reissbrett und Reissschiene unter den Schulbänken
entlang kriechen, und dann wie ein Tiger hervorbrechen, und Radau machen,
und alles abschlachten, und dann als Sieger über die Trümmer schreiten, und
einen klingenden Namen sein eigen nennen! Denn wenn auch Marcus etwas
verdächtig klang und Camillus bedenklich an Leibschinerzen erinnerte, so war
doch Furius eine bedeutende Sache und passte ganz zu der grossen Staatsaction.

Also fassten sich die beiden Ehrgcizigen gegenseitig heftig nach den Locken,
und nachdem sie sich gebührend den Rang streitig gemacht hatten und Paul
Nagel unter der Schulbank zu liegen kam, war es klar, dass kein anderer als
Emil Hettler der grosse Camillus sein konnte. Paul Nagel aber versammelte
seine Getreuen, vier an der Zahl, um sich, stieg mit ihnen auf die Bänke, die
dcm Ofen am nächsten waren, und wir erklärten unseren Vorsatz, Veji zu ver-
theidigen bis zum letzten Athemzuge. In der anderenEcke sammelten sich dieRömer.

„Du, kiek ’mal da aus’t Fenster“, sagte da der Oberpriester von seinem
Ofen herab zu seinern König. „Siehst da? Da steht Müller mit unsern Ollen
seine Trude, schon ’ne janze Weile, die kenn’n sich jarnich trenn’n.“

„Halt s Maul“, donnerte aber Paul Nagel, der König von Veji, „und kümmere
Dich nicht um andere Dinge. Bete Du zu Deine Jötter, und wir werden fechten.“
Der Kleine aber, der diese Anrede wohl als zur Rolle gehörig betrachtete,
nahm die Zurechtweisung, die ihn zur Gebetsmaschine herabwürdigen sollte,
durchaus nicht übel und fuhr fort: „Er kam von de Strasse und wollte über’n
Hof in’t Haus, und sie kam aus't Haus und wollte uf de Strasse, un da ha’m se
sich jetroffen. Du, ick jloobe —“

„Ach wat, ick jloobe, det wer bald mit de Reemers zu dhun kriegen.
Männer, Vejenter, das Vaterland ist in Gefahr, folgt mir nach, Ihr werdet meinen
Helmbusch stets auf dem Wege des Sieges finden!“

So sprach der König, aber er konnte es doch nicht über’s Herz bringen,
nicht durch das Fenster nach dem grossen Vorhofe zu blicken, der zwischen

]X. 18. III,
 
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