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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Malkowsky, Georg: Das moderne Weib, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0266

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as moderne <jEfeib.

Von Georg Malkowsky.

W-

er eine Monographie über den Einflnss des Weibes auf die bildenden Künste
schreiben wollte, würde sich nurganz ausnahmsweise mit Einzelbiographien
zu beschäftigen haben. Seit Angelika Kauffmann ist die Zahl der malenden
öamen in's Ungemessene gewachsen, aber neben Rosa Bonheur wird sich kaum
ein zweiter Name ehrenvoll behaupten können. Die Malerinnen der einzelnen
Kunstcentren haben sich zu Vereinen zusammengethan und besondere Aus-
stellungen veranstaltet, die von einem respectablen Durchschnittskönnen zeugten.
Dass es dem Weibe weder an Beobachtungsgabe,, noch an Geschmack für die
Ausübung der Malerei fehlt. dass es sich die erforderliche manuelle Geschick-
Üchkeit miihelos aneignet. ist unzweifelhaft erwiesen. Fraglich bleibt. ob ein er-
hebliches Anwachsen der Zahl der malenden Damen für den wirthschaftlichen
Fortschritt des schöneren Geschlechts erspriesslich scheint.

Die Thatsache, dass in der Welt schon heute zu viel gemalt wird. lässt sich
kaum leugnen. Die malenden Damen drängen sich somit auf ein Gebiet, das
aü der Ueberproduction leidet. Sie sind gezwungen, für den Markt zu arbeiten,
auf dem die Hauptnachfrage dem Billigen und naturgemäss Minderwerthigen gilt.
C*abei muss die Kunst offenbar zu kurz kommen, das Niveau der Durchschnitts-
' eistung herabgedriickt werden. Wir können der Vermehrung der malenden
^rauen weder auf wirthschaftlichem, noch auf künstlerischem Gebiet ein günstiges
^fognostikon stellen.

In der Londoner Nationalgalerie hat die Direction jiingst die den Damen
zum Copiren freigegebenen Tage auf wöchentlich zwei beschränken müssen, da
man täglich in den Sälen gegen fünfhundert von Malerinnen besetzte Staffeleien
zählte. Neben dem ernsten Studium mag sich hier vielfach der Dilettantismus
breit gemacht haben, und der viel bemängelte Verwaltungsukas will uns so un-
geheuerlich nicht erscheinen. Es handelt sich da einfach um einen Schutz des
Ivunstconsumenten gegen den Kunstproducenten. Dass die Staffeleien den Aus-
blick auf' clie freie Natur hindern, ist aus räumlichen Gründen so leicht nicht
denkbar, aber ein Rubens ist durch eine zum Copiren eingespannte Leinwand
den Augen der Beschauer für Wochen entzogen, und die Museen sind dem
Kunstgenuss schliesslich nicht weniger gewidmet, als dem Kunststudium.

Soll den Frauen das Gebiet der bildenden Kiinste principiell verschlossen
bleiben? Das wäre eine Grausamkeit, aber man soll nicht auf besondere Unter-
stützung rechnen, wo das öffentliche Interesse mangelt. Die Einrichtung von
Meisterinnen - Ateliers beispielsweise, die Gewährung von Staatsstipendien an
Malerinnen, würde uns im Hinblick auf die herrschende Ueberproduction zur
Zeit als ein wirthschaftlicher Fehler erscheinen. Wenn den Damen die Aufgabe.
schön zu sein, nicht genügt, mögen sie immerhin auch Schönes schaffen.
Des Hässlichen ist in der Welt in jiingster Zeit gar viel geworden, wir können
des Schönen ein ungemessen Quantum brauchen.

R. Sauber. An der Staffelei.

IX. 12. I.
 
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