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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0344

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253


Saisonschluss macht
nachdenklich, etwas wie
Katerstimmung schleicht sich
in die Empfindungsnerven
der Balllöwen und -Löwinnen
und besonders bei derälteren
Generation steigen Reminis-
cenzen an vergangene, glück-
lichere Zeiten auf. Man lebte
leichter und froher damals vor
20 bis 30 Jahren, als noch
der Rabensteiner auf der
Sonnenhöhe seines Ruhmes
stand. Jetzt ist er 56 Jahre
alt und feierte jüngst sein
40 jähriges Jubiläum — als
Tanzmeister. Aber der war
aus ander'm Holze als die
heutigen, die unwillkürlich an
dressirte Oberkellner erin-
nern. Damals, d. h. in der
Glanzzeit von Dammayer's
Casino, damals, als Johann
Strauss persönlich auf den
„Harmoniebällen' 1 dirigirte, da
^ ar keinTanzfest ohneEduard Rabensteiner denkbar, und er allein verstand es, über
s Ganze jene sonnenheitere Stimmung zu breiten, die früher in Wien heimisch
Vvar. Freilich trank man damals auf Bällen und Redouten mehr Champagner,
** s heute Bier. Der Rabensteiner war aber auch nicht das bestellte Individuum,
s seine paar bezahlten Stunden mit der Leitung der Geschichte hinbringt, er
. ertielte sich mit Liebe in die Details des Festes, er wusste den Verhältnissen
■| edes Patrizierhauses Rechnung zu tragen, er
ar der Vertraute jener Familien, deren Kinder
tticht nur tanzen, nein auch stehen und
^ en und sprechen und schweigen lehrte. Wie-
|j lel zarte Bande sind durch ihn geknüpft wor-

en er wusste Alles und wusste Allen Rath,
abi

geben lassen. Die dreieckige Nadel bewegt sich mit einer Schnelligkeit von 40 Punc-
tirungen in der Secunde über die Hautfläche. Die Farbe wird mit einem anderen
Stift eingedrückt. Die ganze Operation geht schmerzlos vor sich und hinterlässt
nur ein leichtes Jucken. Während die Japaner drei Farben anwenden, weisen
die Tätowirungen des Schotten deren fünt’ auf, Ultramarin, Blau, Sienna-Braun,
Chinesisch-Schwarz, Zinnoberroth und ein eigenartiges, mineralisches Grün. Mr.
McDonald zählt zu seinen Clienten den Hof, die Gesandtschaften und die ganze
vornehme Gesellschaft. Besonders Club- und Sportleute lassen sich ihre Ab-
zeichen auf die Haut ritzen. Eine Lieblingszeichnung sind Familienwappen. Die
Damen lassen sich mit Vorliebe die Anfangsbuchstaben des heimlich Geliebten
auf den Leib tätowiren, oder Phantasie-
Motive, wie ein lesendes Kaninchen, oder
einen in feurigem Roth strahlenden Me-
phisto. Der nebenstehend abgebildete
japanische Drache umwindet die Brust
des tätowirten Salonlöwen, und von einem
Kahlkopf eizählt man sich, er hätte Mr.

McDonald gebeten, ihm eine Spinne im
Netz auf die Platte zu graviren, um so
die Fliegen zu verscheuchen. Der Künst-
ler führt ein fein ausgeführtes Muster-
buch, aus dem seine Kunden die Wahl
treffen dürfen.

Tanzmeister Eduard Rabensteiner.

er

er stets in der tactvollsten Form als voll-
e>i(leter Cavalier. Er hat sich im Laufe der
Wenig verändert, fast scheint er die ewige

2eit

TätowirtesPortrait einer exotischenGeliebten.

^Send gepachtet zu haben. Seine engen Pan-
0lls, sein französisch geschnittener Frack,

Zweispitz, den er statt des Claque schwingt,

, ln<^ stereotyp. So steht er heute vor uns, der
°^ ar des Parquets, das Prototyp des tanzenden, lustigen Wiens der
° r'Sen Generation. .. «

Th«

Ein furchtbarer Brand zerstörte vom 5. bis 8. Mai 1842 einen grossen

le'l des inneren Hamburg. 4219 Gebäude, darunter drei Kirchen,
M1ken in Asche und 20000 Menschen verloren ihr Obdach. Am 7. Mai
Snifen die Flammen die ehrwürdige Petrikirche, einen gothischen Bau
dem 12. Jahrhundert und die Kirche wurde bis auf die Grundmauern
' erstört. Das Kupfer des Daches schmolz in der Gluthhitze, und aus den

«a-

M,

av°n übrig gebliebenen Resten wurden die heute von uns reproducirten
^ ^aillen geprägt, deren Erlös beinahe so viel ergab, dass die Kosten
,, s Daches der neuen Kirche, welche die Architekten de Chateauneuf und
efSenfeld 1843- 1849 erbauten, gedeckt wurden.

j. Das Tätovviren ist in der guten englischen Gesellschaft salon-
‘§ geworden, und wenn nicht alle Anzeichen trügen, wird die närrische
in Kurzem auch ihren Weg über den Canal gefunden haben. Ein Schotte,

' ‘'’Utherland McDonald, hält seine Ateliers für Herren und Damen in London

offen und macht ein glän-
zendes Geschäft. Er ist
ein vorzüglicher Zeichner
und bevorzugt dem neue-
sten Geschmack entspre-
chend den japanischen
Stil, dessen feine Umriss-
linien sich vorziiglich für
seine Technik eignen. Er
hat sich ein Patent auf
seinTätowiren vermittelst
Japanisches lätowirungsmuster. des electrischen Glühstifts

Der Schneiderkönig Worth ist
todt. Der Verstorbene, der ein Alter
von 76 Jahren erreichte und eine Gross-
macht auf seinem Gebiete vorstellte, war
eine interessante Persönlichkeit. In Eng-
land geboren, übersiedelte er zur Zeit
des ersten Kaiserreiches von London nach
Paris und errichtete dort einen Modesalon
in bescheidenem und ldeinem Maassstabe.

Einst wendete er sich an eine hoch-
stehende Dame und bestürmte sie mit
Bitten, sich bei ihm ihre Toilette zum
bevorstehenden Hofballe anfertigen zu lassen. Die Dame gab dem Wunsche
nach, und ihre Toilette fiel beim Balle sofort der Kaiserin Eugenie aut, welche
nach dem Autor der schönen Kleiderdichtung fragte. Dies bildete — wie die
Chronisten der Modewelt erzählen — den Grundstein seines Glückes, und bald

war Worth der gesuchteste Schneider der vornehmen
Welt von Paris. Im Sommer pflegte Herr Worth häufig
in der Schweiz in fashionablen Curorten zu weilen,
und der Fremde erhielt hier ein Abbild der grossen
Popularität, welche dieser Damenschneider in der
Frauenwelt genoss. Die Damen machten ihm förm-
lich den Hof, und er nahm gnädig die Huldigungen
seiner Clientinnen entgegen und ertheilte väterlichen
Rath in verzweifelten Robenfragen. Er kleidete sich
auf der Reise höchst bizarr. Man hätte den hoch-
gewachsenen beleibten Herrn, der in bunten Plaids
und Shawls eingehüllt erschien, eher für einen excen-
trischen Amerikaner als für den Gesetzgeber der
Pariser Mode halten können. Um so eleganter tritt
sein Sohn, einer seiner Nachfolger, auf, ein Gentleman von Kopf bis zu Fuss
ein Cavalier würde man in Wien sagen — der übrigens selten von seinem
Specialfache, sondern vorwiegend von Sport, Theater und Literatur spricht, wie
auch das Haus Worth überhaupt in Paris mannigfache Beziehungen zur guten
Gesellschaft unterhält. Der alte Worth und seine
Familie waren besonders in Malerkreisen sehr be-
liebt, und der Chef des Hauses galt als eifriger
Kunstsammler. Zur Zeit seines Glanzes unter
der Modeherrschaft der Käiserin Eugenie schätzte
man den Umsatz des Hauses Worth auf dreizehn
Millionen Franken; unter der Republik sanken diese
enormen Einnahmeziflfern allerdings, doch noch
immer galt es auch jetzt als das letzte Wort der
Eleganz, sich bei Worth kleiden zu lassen. Herr
Worth liebte vorwiegend aristokratische Kund-
schaft, welcher er fortwährend Grazie und Ein-
fachheit predigte; verlangte eine reiche Dame eine
prunkvolle lärmende Robe, so antwortete er wohl,
auch wenn ihm die höchsten Summen geboten
wurden, mit göttlicher Herablassung: „Das macht

Medaille zum Gedächtniss an den
Brand der Petrikirche in Hamburg,

Ilcrr Worth,

ein König im Reich der Mode. f.

IX. 16. IV.
 
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