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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Bäcker, Heinrich: Ein Apoll der Thierwelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0137

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MODERNE KUNST.

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poll der Ipierwelt.

Von Heinrich Bäcker.

-- [Nachdruck verboten.]

w er würde bei einer Schönheitsconcurrenz der Thiere wohl den
Preis davontragen? — Das Pferd? — Vielleicht! — Es käme auf
die Preisrichter an. — Wenn man der Jury aber eine Deutsche Dogge
vorführte, müsste sie diese nicht als vollwichtigen Bewerber um den Schön-
heitspreis anerkennen?

Die Schönheit der Pferdegestalt ist unbestreitbar; ist die Haltung der
^ogge aber weniger edel, zeigt ihre Gestalt nicht dieselben schön ge-
schwungenen Linien, bewegt sie sich nicht mit derselben Gewandtheit —
Ja mit noch grösserer?

Ihr Kopf ist obendrein ausdrucksvol'ler, als der des Pferdes, ihr Auge
sprechender. Es zeugt von höherer Intelligenz; wie auch ihr ganzes Sich-
geben und Benehmen den Beweis liefert, dass sie fast nichts ohne Ueber-
legung thut. Sie bedarf der Leitung des Menschen bei weitem nicht in
dem Maasse, wie das Pferd.

Käme das Nützlichkeitsprincip in Betracht, müsste die Dogge ja nicht
allein gegen das Pferd, sondern auch gegen viele andere Hausthiere ver-
üeren, denn sie ist nicht einmal auf der Jagd brauchbar, da sie von
vielen anderen Hunderacen an Intelligenz noch überboten wird, ihr
auch die zur Jagd nothwendige feine Nase abgeht. Sie ist trotzdem
aber gelehrig, hat ausgezeichneten Appell, so dass sie dem Dresseur
Wenig Schwierigkeiten bereitet, und lässt sich besonders gut auf den
Mann abrichten.

An Schönheit aber kommt ihr ausser dem Pferde, das ja auch sehr
stark durch seine Grösse imponirt, kein anderes Thier nahe, und ihre
Stammesverwandten, deren es eine Legion giebt, müssen, wenn es sich
um äussere Vorzüge handelt, zurückstehen. Der Kopf des Bernhardiners
ist immerhin plump, seine Bewegungen zu behäbig, der Barsoi, der jetzt
in Mode kommt, verliert, obwohl sein wunderschönes Haar besticht, durch
den minimalen Schädel, auch ist seine Haltung nicht edel, ja, sein Gang
tnacht gewöhnlich den Eindruck der Schwächlichkeit, während die Deutsche
Jiogge selbst in der Ruhe die strotzende Kraft der Muskeln und die
Gelenkigkeit der Glieder zeigt. Erhebt sie sich aber, bewegt sie sich, da
ist alles an ihr Eleganz und Grazie und feuriges Leben.

Sandor, Deutsche Dogge.
Original-Aquarell von H. Sperling.

Schon im Mittelalter interessirte man sich für diese schöne Hunderace
und wir sehen ihre Vertreter auf Bildern aus der damaligen Zeit neben
dem geharnischten Ritter auf dem Fehdezug, neben dem lustwandelnden
Edelfräulein und auf dem Teppich der Kemenate neben der Burgfrau,
inmitten der spielenden Kinder. Denn die Kinderfreundlichkeit ist auch
einer der Voi'züge der Deutschen Dogge.

Und die Freundschaft des Menschen ist der Dogge bis heute hold
geblieben. Dem Officier ist sie der elegante Begleiter beim Ausreiten,
der Dame der sicherheitgebende Beschützer auf einsamem Waldespfade,
den Söhnen der Alma mater der zeitvertreibende Renommirhund und im
Hause der zuverlässige, niemals unbequeme Wächter, der nicht in jedem
harmlosen Bettelkinde einen gefährlichen Räuber wittert, und
das Ohr dann durch unnützes Gekläff beleidigt.

Das Gebahren der Dogge ist gewöhnlich würdevoll — wehe
aber dem unberechtigten nächtlichen Eindringling! Mit dem
ungeheueren Gebiss ist nicht zu spassen!

Das Interesse für die Deutsche Dogge hat an vielen Orten
Vereine, Doggenclubs — in’s Leben gei'ufen, welche für ihre
Reinzüchtung Sorge tragen und die Liebhaberei an dem pracht-
vollen Thiere verbreiten. — Diese Liebhaberei geht schon so-
weit, dass man für einzelne Exemplare ganz immense Preise
bezahlt. So ist „Sandor“, der früher dem „Deutschen Doggen-
club“ zu Bei'lin gehöx'te, vor zwei Jahren für viertausend Mark
nach Amerika gegangen.

Neben diesem „Sandor“ ist „Mentor“, im Besitze eines
Ilambui'ger Herrn, einer der voi'züglichsten Vertreter der
Deutschen Doggenrace, und wir führen die Conterfei’s dieser
beiden Hunde den Lesern in Zeichnungen von der Meisterhand
Heinrich Sperling’s vor.

Was Sperling auf dem Gebiete der Thiei'malerei leistet, ist
ja bekannt, er hat seine Objecte nicht nur mit dem Auge,
sondern mit ganzer Seele studirt, deshalb sind seine Bilder
niemals blosse Wiedergabe der Formen, und aus den beiden
Zeichnungen spi'icht der Chai'akter des Hundes, sein treues
Gemüth, seine Intelligenz, sein Kraftbewusstsein.

Besonders „Mentor“ blickt so verständig und selbstbewusst,
als kenne er seinen Wei'th genau, als könne er die Ehi'e, ge-
malt zu werden, voll und ganz würdigen. Weiss er, dass er
ein Apoll der Thiei'welt ist?

IX. 3. III.
 
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