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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Mischke, Karl: Die römische Geschichte: eine Erzählung
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Malkowsky, Georg: Jean F. Portaels
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0368

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278

MODERNE KUNST.

dem zurückgebauten Schulhause und der Strasse lag und von der Strasse durch
eine Mauer abgetrennt wurde. Richtig, da standen sie, unse'r lieber Lehrer
Müller und unseres Rectors blonde Trude, ein hübsches Mädchen von etwa
achtzehn Jahren. Ueber ihnen breiteten sich die dichtbelaubten Ahornbäume
aus, durch deren Zweige nur hie und da ein Sonnenstrahl fiel; das dichte Dach
schützte sie vor Blicken, die etwa von oben her sie beobachten wollten. Ueber
uns hatte der Alte sein Amtszimmer. Er, nämlich Müller, schien ihr eifrig zu
erzählen oder in sie hineinzureden, etwa so eifrig, wie er uns Jungens die
römische Geschichte vortrug, und sie hörte ihm mit demselben Eifer zu, wie wir
die Heldenthaten der Alten von seinen Lippen lasen. Was mochte er, der
Lehrer, wohl dem Mädchen so eifrig yorzutragen haben, die docli garnicht seine
Schülerin war?

Inzwischen hatte sich die römische Partei geordnet und begann zum Angriff
iiberzugehen, indem sie, so weit es der Raum gestattete, auf allen Vieren unter
den Bänken hindurch auf den Ofen zu krochen, wobei sie noch Reissbretter,
Mappen, Lineale und sonstige Schutz- und Trutzwafi'en mit sich schleppten.
Das machte so viel Spektakel, dass sie nothgedrungen mit den Vejentern im
Einverständniss sein mussten, um nicht bemerkt zu werden.

„Du“, begann jetzt wieder der Priester, „jetzt haben se sich de Hände je-
jeben, alle beede Hände! lck jloobe janz gewiss, die pussiren! Wenn det der
Olle wisste, au Backe!“

„Na, wat wär’n denn?“ fragte Franz Luchterhand, einer von den getreuen
Vejentern.

„Wat, det weesste nich?“ fragte der Kleine von oben herunter. „Enterben
dhäte er ihr, un verfluchen . . . un . . . un . . . un verhau’n dhät’ er ihr ooch!“

„Passt uf“, fiel jetzt Paul Nagel, der König von Veji, ein. „Nu kommen
se bald ran. Wenn se nu unten sitzen, dann fängt der oben mit det Opfern an
un so wat. Und wenn se denn vorkommen“, fuhr er leiser fort, „denn verhau’n
wer se.“

„Nee, ick denke, wir kriegen Keile, wir sind doch die von Veji“, fiel ihm
Franz Luchterhand ein.

Aber davdn wollte der nichts hören. „Ja, wenn wer’t uns jefallen lassen!“
höhnte er. „Det dhun wer aber nicht“, und nun flüsterte er ihm in’s Ohr, dass
wir ja im Vortheil wären; wir wären z'"—weniger, aber wir könnten „von oben
’runter wichsen“, wenn sie einzeln mit Mühe und Noth hervorkröchen. Franz
gab das weiter, und während die Römer noch siegesgewiss unter den Bänken
heranschlichen, schmiedeten wir seelenvergnügt den Plan zu ihrer Vernichtung.

„Seid Ihr nu alle so weit?“ hörten wir unsern Todfeind Emil Hettler Furius
Camillus mit gedämpfter Stimme gerade unter der Bank fragen, aut der wii
standen. Das war also der Fussboden, der gebrochen werden sollte. Ein mehr-
stimmiges „Ja . . ja . . . ja“ kam als Antwort, auch ein „Wart ’mal noch en
bisken!“ . . „Na denn mach doch!“ . . „Fix!“ . . . „Na denn fangt man an da
oben.“

Und jetzt sollte die grosse Scene sich ereignen. Der Oberpriester sollte
optern, der König sollte mit ihm zusammen beten, und dabei sollten wir über-
fallen und abgethan werden, bei welchem Gedanken wir uns verschmitzt in die
Rippen stiessen.

„Jetzt küssen se sich sogar! Na det is ’ne scheene Wirthschaft!“ sagte dcr
Oberpriester, der seinen Sitz auf dem Ofen so hatte, dass er schon aus dem
Fenster heraussehen musste.

Wenn die Beiden gewusst hätten, dass in diesem Augenblicke zwölf neu-
gierige Kinderaugen sie anstarrten! Aber die Schule war ja aus, alle anderen
Classen waren schon nach Hause gezogen, und von uns nahmen sie es wohl
auch an. Dass wir sonst immer noch auf dem Nachhausewege allerlei Unfug
verübten, und dass uns in diesem Falle unser ehrwürdiges Schulzimmer dazu
gerade gut genug war, konnten sie freilich nicht wissen.

Mit dieser Voraussetzung war der Platz für ein liebendes Pärchen hinter
der Mauer, die die Strasse absperrte, uriter den Bäuinen, die gegen oben hin
schützten, das muss ich jetzt bei besserer Erfahrung sagen, garnicht schlecht
gewählt. Nur von ein paar Feristern im Erdgeschoss konnten sie beobachtet
werden.

Jetzt fing unser Oberpriester an; „Jewaltiger Jupiter, wir sitzen hie*
Deinern Tempel! .... Wat soll ik denn nu noch sagen?“

„Sag: Die Römer soll der Deiwel holen!“ flüsterte der König.

Un nu?

Jetzt hat

ihr

criflo

„Die Reemer soll der Deiwel holen!
eben wieder ’n Kuss jejeben!“

Die Römer horchten andachtsvoll auf die Feierlichkeit, uns Vejentern
es aber wie in der Regel den Kindern, die Theater spielen wollen. Kostü^
und Requisiten sind da, bloss der Text fehlt. Da that sich die Thür auf, 1111
vor unsern erschreckten Blicken erschien — unser Mitschüler Max Herbst,
während der Zeit einmal draussen gewesen war und uns jetzt zurief;

„Jungs! Eben kommt der Olle de Treppe runter!“ ( ,

Was nun? Alle still auf unsere Plätze setzen? Ja, wir sollten ja läüo"
zu Hause sein!

Aber Camillus wusste Rath. „St! Pst“ machte er und gebot dann v
seiner Stelle unter der Bank her: „Alle bleiben janz stille, wo se sind! D el1
denkt der Olle, wer sind schon wech, un kommt jarnich erst rin un jeht
Hof raus!“

Zittere, junges Paar!

„Wenn er aber doch rin kommt?“ fragte der kleine Oberpriester.

„Stille! Janz stille!“ „

Jetzt lauschten wir alle, ob wir auf der Treppe die Schritte des „Ah e11
vernehmen konnten. Ohne allerlei leise Geräusche ging es nicht ab. Ind e-’
sagten nachher die meisten, sie hätten doch gehoff't, dass er vorbei gehen wü r

Der Alte!

Sofort bekam Max Herbst, der Unschuldige, weil er dem Alten am näch^

nfei 1

stand, ein paar Ohrfeigen, dann nef der Alte dem Klemen, der auf dem

sass, zu, er solle sofort herunter kommen, guckte unter die Bänke und wund el

. . Aefl

sich, dass da ein Theil seiner Schüler steckte, und schliesslich schüttelte er u
Kopf und fragte nochmals: „Was geht hier vor?“

jKjl

Der Kleine erklärte, er könnte von dem Ofen nicht herunter, sie hätten ,
heraufgehoben, und allein wüsste er nicht, was anfangen. Wer ihn hin a
gehoben hätte? Das wüsste er nicht. Es wäre schon lange her.

Der Alte, der unsere geistvollen Ausreden schon kannte, näherte sich d e|1
0 ,

Ofen, und dabei fiel sein umsichtiger Blick auch durch's Fenster. Er kam g era
zurecht, um sein Töchterchen auf die kleine Pforte in der Mauer zuschred 6^
zu sehen, wobei sie sich noch einmal umdrehte und nach dem Hause z lllU
nickte. Der Alte, der selbstverständlich annahm, der Gruss gelte ihm als Va te
nickte gleichfalls freundlich, und Franz Luchterhand, der darüber dummerW e'
lachte, bekarn ein paar an die Ohren. Was hat so ein Dummrian auch
Jachen, wenn Vater und Tochter sich grüssen?

Unser Herr Müller war nicht mehr zu sehen. Aber jetzt erschien auch
an der Thürschwelle, verlegen und erstaunt, uns und den Alten vorzufmd etl
Wir waren inzwischen wiedei sämmtlich zum Sitzen gekonrmen und harr
der Dinge, die da kommen sollten.

Natürlich mussten wir sofort eine Stunde nachbleiben, weil wir uns geprüg e

ilfl 1

hatten, und Herr Müller, der dem Alten erzählte, er wäre zuriickgekommen,

hü 1

Flefte zu corrigireri, die er nicht erst mit nach Hause nehmen wollte, überna
unsere Beaufsichtigung. Als sich der Alte entfernt hatte, mussten wir MüU efl^
erzählen, was los gewesen war, und nachdem er die Geschichte voii ^ c
Eroberung von Veji gehört und festgestellt hatte, dass der Alte eben erst da^
gekommen war, wurde er sehr vergnügt, und seine Besorgniss, dass er viell elC
doch beobachtet sein konnte, verflog. Dann setzte er sich hin und erzäld 1

d el11


weiter von Camillus, von den Galliern, und von den Gänsen, und von
Schwerte des Brennus, und wie Camillus gerade dazu kam — und das wa [
beinahe noch dramatischer und unglaublicher. Aber einige Zerstreutheit 01*

1 cß^

barte er doch und blickte von Zeit zu Zeit, ja sehr oft durch's Fenster, ob s

Schatz vielleicht zurückkäme .... Alles in allem war es aber eine recht
gnügte Nachbleibestunde.

Das ist nun schon eine ganze Reihe von Jahren her. Und jetzt —
von dem, was jetzt ist, wollte ich ja nicht erzählen, ich wollte ja blos von
Eroberung von Veji und was sich dabei zugetragen, Kunde geben.

ve r'

ab ef

d eC

can jrortaelö.

Von Georg Malkowsky.

W-

lenn man den Einfluss des in Brüssel. verstorbenen Directors der
Akademie J. F. Portaels auf die Entwickelung der belgischen
M.alerei in seiper ganzen Ausdehnung würdigen will, muss man sich die
künstlerischen Zustände in den Niederlanden während der ersten Ilälfte
unseres Jahrhunderts vergegenwärtigen. Louis David hattc sich, von der
Restauration aus Paris vertrieben, 1815 in Brüssel niedergelassen und den
französischen Classicismus mit glänzendem Erfolge importirt. Die Correct-
heit der Zeichnung, die Eleganz der Pinselführung, die Einheitlichkeit des

Colorits galten alles, die handwerksmässige Tüchtigkeit beherrschte
Markt. Unter seinen Schülern zeichnete sich Franz Navez aus, d er11
bestimmt war, trotz seiner unbedingten Verehrung für den Meister,

deü

e s

heü

seinem Atelier einen ganzen Schwarm junger Romantiker hervorg e
zu sehen. Gustav Wappers war es, der mit dem Aufsuchen des R u^ e
stiles an die fast vergessene Tradition der vlämischen Schule anknüp
und der Romantik auf der ganzen Linie zum Siege verhalf. Dann
mit der Unabhängigkeitserklärung Belgiens im Jahre 1830 eine Aera u
 
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