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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Mischke, Karl: Naturforscher
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0145

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So

IBatupfoPsehep.


Von ICarl Mischke.

’S gicbt kein forscher Leben,
A!s das Forscherleben —

o beginnt eins der vielen Gedichte, die zu einer bekannten
Melodie gemacht worden sind, und dem Mann, der diese
stolze Wahrheit in die Welt hinausgeschmettert hat, ist
nur zu wünschen, dass er sie auch am eigenen Leibe recht
vollständig erfahren möge. Der Jurist, der Theologe, der Philosoph und
der Philologe sind auf ihr Kämmerlein und ihre staubigen Scharteken
angewiesen, wenn sie die Wissenschaft bereichern wollen, woher es
auch geschehen mag, dass manche dieser Wissenschaften nicht so recht
vorwärts kommen will. Aber der Naturforscher ist ein ganz anderer
Mann. Ihn leidet es nicht in der Stube, und die Bibliothek macht nicht
sein Glück. Da sucht der eine ganz Ostafrika nach Kohlenlagern ab und
findet keine, der andere besteigt den Kilimandscharo von allen Seiten und
entdeckt seine Flora, wieder einer lothet an allen Inseln der Südsee herum
und behorcht den Erdball, der vierte steigt auf die Alpengletscher, um
sich auf eine Nordpolfahrt vorzubereiten, der fünfte schliesslich sitzt im
Institut oder im Laboratorium an seinen Instrumenten und wird demnächst
durch neue Aufschlüsse die Mitwelt in Staunen setzen. Bücher? Ja
natürlich muss es auch Bücher geben, denn was der Forscher gefunden
hat, muss er doch den anderen mittheilen. Jedes Institut muss eine
Bibliothek haben, in der man sich vergewissern kann, wie viele sich schon
an der Lösung des vorliegenden Problems vergeblich versucht haben, und
jeder Naturforscher hat eine Büchersammlung, zumeist aus Separatabzügen
bestehend, die man sich gegenseitig widmet und die daher nichts kosten.
Aber die Bücher sind doch Nebensache, und der richtige Naturforscher
nimmt sie erst zur Iland, wenn er mit seinen eigenen Untersuchungen
fertig ist und es an das Zusammenstellen geht. Dann ist es noch Zeit,
sich über die Litteratur zu orientiren und zu vergleichen. JDie eigentlichen

[Nachdruck verboteoJ

da

Bücher des Naturforschers sind seine Pflanzen, seine Steine, und ' vaS ,
kreucht und fleucht; das sind seine Monographien. Und seine

Lexik a un

Luf 1'

Compendien, das sind seine Mikroskope, sein Thermostat, seine ^


pumpen, und nicht in letzter Linie das geübte Auge, die feine Nase
die zeichnende Hand.

Der denkende Mensch hat in der Regel wenig Lust zum Arbeiten

desto mehr Lust zum Bummeln. Bei dem Naturforscher verbindet

Arbeit und Bummeln zu einem Ganzen von idealer, erhabener Harm°

,;e se fl

Arbeit ist Bummeln, und Bummeln ist Arbeit. Conflicte zwischen °
beiden Lebensprincipien giebt es nicht, und Angst vor dem Examen w

,ürd e

seiner ganzen auf Erfahrung aufgebauten Lebensanschauung widerspre c
Der Naturforscher kommt oft rudel- oder heerdenweise vor-
schönen Sommertagen, wenn lau die Lüfte weh'n, bemerkt man irg eU'

pen-

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•leb 1

in der Umgegend, gewöhnlich an einem Orte, der von anderen AusfWS

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ziemlich verschont bleibt, in der Nähe einer Eisenbahnstation, aui

Landstrasse unter dem Schatten eines Baumes, einen wohlgenährten ält cl ^

Herrn mit struppigem Vollbart und freundlichem Gesicht. Er trägt eiri

recht verwetterten Hut auf dem Kopfe und eine gewaltige Botan' 5

trommel auf dem Riicken; aus einer der hinteren Taschen seines R° c ,

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lugt der hölzerne Stiel eines Pflanzenstechers heraus. Ab und zu

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er sich mit einem rothen Taschentuch die Stirn. Schweigend steht el

und lugt nach allen Richtungen, von denen noch Nachzügler kom lT1

könnten. Um ihn herum, wie der Sterne Chor um die Sonne sich ste

finden sich in zwanglosen Gruppen etwa eine Mandel jüngerer Leute, d eI

äusserer Mensch eine souveräne Verachtung der Modejournale erk erlU

A

lässt. Noch ein paar stossen zu der Colonne, der eine hat eine an u

\J$'

Fahrgelegenheit benutzt, einer ist ,zu Fuss gekommen und hat schon nn ^
wegs einige Beute eingeheiinst, einer hat sogar schon den Vorflih 4 ^
botanisirt und findet sich jetzt ein. Noch einmal sieht sich der Profe” 5

Rast auf dem Naturforscher-Ausflug. Originalzeichnung von P. Hey.
 
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