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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Malkowsky, Georg: Das moderne Weib, [2], Sport und Arbeit
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Lenbach, Ernst: Donnerwetter: Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0123

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26

MODERNE KUNST.

as moderne

eib.

Von Georg Malkowsky.

[Nachdruck vcrboten.]

Sport und Arbeit.

^pn Paris hat cin Velociped-Wettfahren von Damen der Wclt stattgefunden, die
angeblich die Bretter bedeuten, und jener andern, die nur halb zählt, in
f Szegedin hat sich ein weiblicher Ruderclub gebildet, und selbst auf der niich-
ternen Spree will man vor Kurzem seltsame Nixen in einer alten Gondel
bemerkt haben. In Amerika boxen die Damen, in Paris und Wien fechten sie,
kurz, digJ sportlichen Liebhabereien erfreuen sich bei modernen Frauen und
Jungfrauen einer Gunst, gegen die vom hygienischen Standpunkte um so weniger
etwas einzuwenden wäre, als man bekanntlich den zukünftigen Müttern unserer
Kinder kein Uebermaass robuster Gesundheit zuschreibt. Da fällt es jüngst dem
ehrsamen Bürgermeister von Klyndale in Schottland ein, sechs Bicycle fahrende
Damen verhaften zu lassen, weil sie Hosen anhaben und es den Frauen ver-
boten ist, in Männerkleidung auf der Strasse zu
erscheinen. Der brave Mann hat in seiner Nai-
vität den Nagel auf den Kopf getroflen, denn der
weibliche Sport ist — eine Toilettenfrage. Ja,
meine Damen. wenn Sie einmal in die fashionablen
Wochen- und Monatsschriften hineinsehen, muss
Ihnen nothgedrungen vor Ihrem eigenen sport-
lichen Ernst bange werden. Wir lassen Sie nur
zu gern zu Nutz und Frommen unserer Leser
zeichnen und malen, denn die Matrosenhütchen
und Seglermützen, die Jockeykäppchen und Lawn-
tennis-Hüte stehen Ihnen entzückend, und unser
weitherziger Geschmack macht erst vor den Faust-


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mal nichts anzufangen — des Hosenschnitts we

der unerlaü

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hässlich ist. Soll das männliche Kleidungsstück, auf das wir
Machtsymbol nicht wenig stolz sind, wirklich weibliches Gemeih
werden, wie es hin ernsthafter Sportbetrieb unerlässlich erschein
lässt, so muss es sich unbedingt eine vcrschönernde Umwandh 111"
gefallen lassen.

Am Ende ist die Emancipation der Frau auch ohne
möglich, sobäld es sich nicht um eine Toilettenfrage handelt,
dern mn ehrliche Arbeit. Stand da jüngst vor dem Inhaber
Möbeltischlerei Siebert und Aschenbach in Berlin ein weibl' 0^

Weseu im eiiifachen Wollkleid, mit kurzgeschnittenem Haar un

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willensstarkem Gesichtsausdruck. „Sie wünschen?“ „Arbeit.“ « ^

waa?“ „Als Tischlergeselle.“ Der Chef mochte ein wenig ersta“

sind meine Zeugnisse.“ Catha 1
“ ö n a-

Horsböl, geboren den 10. Juni 1872 in Ribe bei Kopenhagen- ^

gegen liess sich nichts einwenden. Sie hatte nach Handwe 1 ^

Brauch und Sitte ihre Lehrlingsjahre abgemacht und war nun 1

llft*

Unterstützung der Regierung nach dem Festland gekommen,
sich in der Möbeltischlerei weiter auszubilden. Ein weibl> c

handschuhen und Fechthauben Halt, die uns neidisch allzuviel Schönheit ver
hüllen. So lange noch die Mehrzahl der illustrirten Journale von Männern
geleitet wird, sind Sie Ihrer Toilettenerfolge im Sportkostüm sicher, denn es ist
zwar ein Redactionsgeheimniss, aber wir werden es Ihnen ausnahmsweise ver-
rathen: Wir machen unseren Lesern gern die unbändige Freude. Frauenschön-
heit in ungewönlich kleidsamer Tracht zu bewundern. Dass wir uns die Modell e
unserer Radfahrerinnen erst aus Paris holen müssen, ist bedauerlich, aber m>
den deutschgründlich im Linnenhabit riegenweise turnenden Damen ist nun ein-

MODKRNE KUNST.

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Und nun, meine Damen, eine kleine Nutzanwendung zum Schluss!
So willkommen Sie auch den illustrirten Journalen in ihren geschlechtslosen
Costümen sein mögen, für den Sportbetrieb sind sie noch nicht reif. Im
„Sport“ steckt nämlich der Hauptbegriff des vom Zweck losgelösten freien
Spiels der Kräfte im zwanglosen Wettbewerb. Nur der Ueberschuss der
Leistungsfähigkeit soll sich hier bethätigen. Es wäre beispielsweise garnichts
dagegen einzuwenden, wenn der Tischlergeselle Catharina Horsböl in den
Spindlersfelder Ruderverein einträte und sich nach gethaner Arbeit auf der
Spree erginge. Die Damen, die da sonst herumrudern oder die Landstrassen
auf dem Velociped befahren, sind für uns nur decorativ verwendbar, denn an
den Ueberschuss ihrer genügend in Anspruch genommenen Kräfte glauben
wir nicht.

Und doch, warum sollten wir mit ihnen rechten? Der Kampf der Schön-
heit um Anerkennung ist so unendlich schmeichelhaft für die, vor deren Forum
er ausgefochten wird. Je seltsamere Formen er annimmt, um so interessanter
wird er. Ob eine schöne Frau seit- oder ritllings auf dem Pferde sitzt, sie
bleibt immer schön. Was ihr ein kokettes Spiel ist, mögen die „Anderen“
Emancipation nennen. Der Name thut's freilich nicht, und für den Umsturz
der physischen Gesetze und der conventionellen Weltordnung sind zarte Frauen-
hände noch auf lange Zeit hinaus zu schwach.

Pariser Radfahrerinnen.

Geselle, das war ein
wenig ungewöhnlich. aber,
man konnte es versuchen. Und
da steht sie nun Tag für Tag,
wie wir sie abconterfeit, an der
Hobelbank und sägt und hobelt
ganz wie ihre männlichen Ge-
nossen. Im übrigen fühlt sie sich in ihrem Frauen-
rock ganz wohl und zeigt nicht die mindeste Lust,
sich äusserlich und innerlich zu emancipiren. Sie
hat eben gefunden, was sie gesucht: ehrliche Arbeit.
Den Ausdruck „Emancipatfon“ kennt sie nicht einmal.

(AwJ^nten am Niederrhein war es, in einer sehr traurigen Gegend, wo
ich ihn zuerst traf. Weit und breit dieselbe graugelbe dürre Ebene,
Q) nur von kümmerlichem Haidekraut bewachsen, über welchem
summende Bienen schwärmten. Die schmalen, ungepflegten Wege sahen
aUs, als ob sie aus der Unendlichkeit kämen, um sich zwecklos ins Unend-
üche zu verlieren; nur hier und da zeigte sich am Sehkreise ein dürftiges
Gebüsch oder ein niedriger Kirchthurm inmitten einiger rothgedeckten
Bauernhäuschen, und dahinter, ganz fern, zeichneten sich kaum noch er-
kennbar die höchsten Thürme der grossen Stadt ab, aus der mich die
erlöschende Lust am Gegensätzlichen auf einen Tag in diese Oede
verlockt hatte.

Es war eine Gegend wie jene Wüste „im Osten von Flandern,“ wohin
K-Dneke Fuchs den König Nobel schickte, um zwischen dem Busch Hüsterlo
Und dem Brunnen Krekelborn nach Emmerich’s Schätzen zu graben.
Auch die zwei Birken fehlten nicht, die Meister Reineke seinem leicht-
Siäubigen Lehnsherrn als Augenpunkt gab; zwei verkrüppelte Stämmchen
^bseits vom Wege, mit dürftigem Laub und flatternden weissen Rinde-
fetzen. Da sass mein Mann unter einem der Bäume und studirte emsig
' erruittelst einer Lupe irgend ein zierliches Haideblümchen.

[Naclidruck verboten.]

Was mir zuerst auffiel, als er meinen Gruss höflich aufstehend er-
widerte, war die merkwürdige Aehnlichkeit zwischen ihm und der Birke.
Eine schlanke Gestalt, aber schief und vornüber gebeugt, mit dünnen
flachsblonden Haaren und einem langen, blassen Gesicht, aus dem ein
Paar grosse wasserblaue Augen mit einer gewissen friedlichen Hoffnungs-
losigkeit in die Welt starrten. Er sprach leise und undeutlich, wie Einer,
der von vornherein auf jede nachhaltige Wirkung seiner Rede verzichtet
und gewohnt ist, mit sich selbst zu sprechen. Man weiss bei solchen
Leuten nicht, ob wirklich ihre dünne Stimme die Folge der Flach-
brüstigkeit ist, ob es sich nicht vielmehr umgekehrt verhält. Denn der
Geist hat doch schliesslich auf den Baustyl seiner irdischen Wohnung
auch einen vorbildlichen Einfluss.

Ich liess mir den Gegenstand seines Studiums zeigen und erklären,
wir kamen in ein botanisches Gespräch, und da konnte ich Manches von
ihm lernen. Er kannte die winzige Lebewelt der Ilaide und sprach von
ihr mit vieler Liebe, mit einer sanften lyrischen Begeisterung.

Schliesslich lud ich ihn ein, mich gelegentlich einmal in der Stadt
aufzusuchen. Ich besass einige Bücher, die er gern nachgeschlagen hätte.
Mit der üblichen kurzen Verbeugung nannte ich ihm meinen Namen.

c ß'SII'V

poanerwelter.

Skizze von Ernst Lenbach.
 
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