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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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G., R.: Das Erfurter Reiterfest
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282

MODERNE KUNST.



Reiterfest in Erfurt.

Blumen - Manöver.

wurde und die Gewandtheit der Reiter wie die Dressur d
Pferde in helles Licht stellte. Von den folgenden Numm eI^
sei die Militärquadrille im Costüm der Seydlitz-Kürassiere un
Ziethen-Husaren, ferner das vorzügliche Voltigiren di c' e
junger Officiere erwähnt und der brillant gerittene Schleit el
raub. Auch der Humor kam zu seinem Recht, und

durch die Vorführung einer deutschen Dogge „Cäsar“)

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Blumenquadrille, deren Reifen und Stäbe mit herrlichen frischen Blumen
umwunden waren, dann folgte eine vierfache Fahrschule, von 2 Herren
und 2 Damen in kleidsamen Rocococostümen flott geritten. Ein schneidiges
Jockey-Steeple-Chase Ieitete dann zu einem „Ungarischen Manöver“ über,
das in den knappen Magnatencostümen des vorigen Jahrhunderts geritten

sämmtliche Künste der hohen Schule dem Pferde genau
ahmte. Den Schluss des Festes bildete eine Pantomim c
Renz, eine Fuchsjagd mit allem Drum und Dran darstell ellt
Mit grosser Sachkenntniss war dieselbe arrangirt und bot el
getreues, lebendiges und stimmungsvolles Bild einer heib s
lichen Schleppjagd. Mit Bravour und Eleganz folgte das r ot 1
Feld in toller Flucht den Piqueuren hinter der kläffend e^
Meute über meterhohe Hürden und breite Verhaue, bis endl ,c
das Signal „Fuchs todt“ erklang und Halali geblasen W ul^
Das Fest ist als ein durchaus gelungenes zu bezeichn e|1'
und der Erfurter Reiterverein kann auf seine Leistung st°'
sein. Zu bedauern ist, dass nicht mehr wie zwei Wied el
holungen des Festes stattfanden, die Schaulust des Publik 11111
war noch lange nicht befriedigt — und man hat so gern das erheben'
Bewusstsein, sich wieder ’mal zu wohlthätigem Zweck amüsirt zu haD 11
Das Pferdematerial war durchweg vorzliglich und wurde famos gesteü e

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116 Pferde und 158 Personen wirkten mit
ansehnliche Zahlen.

für einen Privatverein g eV

R. G ■

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Jubeljahr der Wiedererrichtung des Kaiserreiches deutscher Nation
rnft Erinnerungen wach, die lange in der Volksseele geschlummert.
Hinter den Triumphen von 1870—71 taucht die Vergangenheit auf,
ein Bild tiefer Erniedrigung und gewaltiger Erhebung, die Zeit von 1806—1812.
Es war eine Vorbereitungszeit, die nicht vergessen werden darf, eine Prüfung,
die das deutsche Volk bestehen musste, um sich auf sich selbst zu besinnen.
Schwer hatte die Gewaltherrschaft des Corsen auf allen Landen gelastet, da er-
wuchs aus den Schneefeldern fern im Osten ein neuer Völkerfrühling. An dem
passiven Widerstande der Russen brach sich die ungeheure Menschenwoge, die
Napoleon gegen das Zarenreich gewälzt, zerschellt stob sie zurück und verlief
sich an den Grenzmarken Deutschlands. Diese denkwürdige Epoche hat in
Albert Baur ihren malerischen Interpreten gefunden.

Seine Historien aus jener Zeit sind nachempfundene
Geschichte. Unter unserem Bilde steht die einfache
Jahreszahl 1812, aber aus der öden Schneefläche mit
dem zusammengebrochenen Reiter und den langsam
nachschleichenden Wölfen spricht die Norne der Ge-
schichte, und die Spuren der Grossen Armee ziehen
sich wie Schicksalsrunen durch die todte, verschneite
Landschaft.

Nicht allein von äusseren Geschehnissen ist das
Geschick der Völker abhängig. Ihre Gegenwart be-
ruht auf der reifen Manneskraft ihrer Bürger, ihre
Zukunft auf der heranwachsenden Jugend. Schon die
alten Griechen verstanden ihre Volksfeste zu einer
Heerschau des jungen Volksnachwuchses zu gestalten.

In feierlichem Aufzuge stellten sie den Nationalgöttern
ihre Epheben männlichen und weiblichen Geschlechtes
dar, als ein Knospenopfer des Volksfrühlings. Auch
die katholische Kirche verstand es, ihren religiösen
Festen ein nationales Gepräge zu verleihen. Der
„Palmsonntag in Venedig“, wie ihn Meister
Josephus Villegas schildert, ist nicht allein der
Erinnerungstag an den Einzug Christi in Jerusalem,
er giebt sich gewissermaassen als eine Darstellung
der Jugend im Tempel. Die heiligen Zweige sind für
die Procession am Hochaltare geweiht, und nun ziehen
sie hinaus, die Patricierkinder der stolzen Lagunen-
stadt, in reichen Gewändern und blumengeschmückt,
die mit bunten Bändern und Schleifen umwundenen
Palmen in der Hand, eine Augenweide und Zukunfts-
hoffnung der Väter und der älteren Geschwister.

Der Jugend gehört die Zukunft und nicht rninder der Schönheit, denn ?1
ist auch in ihrer anmuthigsten Gestalt eine Gewähr für die harmonisch entwick ett^
Kraft. Aus O. Richter’s „Studienkopf“ spricht jene gesunde Schönheit
der das Vollbewusstsein ihrer Macht aufdämmert. Eigenwillig drängen sich
krausen Löckchen unter dem hoch aufgethürmten Directoire-Hut hervor. deS-
breite, durch ein schmales Bändchen niedergebogene Krämpe ein liebreizen
ovales Gesichtchen umschliesst. In den gross aufgeschlagenen Augen leuchtet ^
siegesbewusst, und die schön geschwungenen Lippen erzählen von träumeri-
Auf das Busentuch herab ringeln sich zwanglos die Lock el1’

geahntem Glück.

den leicht seitwärts gebogenen Hals umrahmend. Das Ganze giebt sich wie
in knospender Mädchenanmuth verkörperter Menschenfrühling. —

Fahrschule.
(Reiterfest in Erfurt.)
 
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