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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Liman, Paul: Zur Eröffnung des Parlaments-Gebäudes, [3], Im neuen Reichsheim
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Malkowsky, Georg: Zur Eröffnung des Parlaments-Gebäudes, [4], Des Reichshauses Außen- und Innenbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0213

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122

MODERNE KUNST.

biete, ist er selbst dem Fürsten Bismarck
oft ein recht unbequemer Gegner gewesen.

Richter spricht sehr gewandt, ein wenig
polternd, stark provocirend, aber ausser-
ordentlich geschickt im Aufbau. Die fo-
rensische Beredsamkeit vertreten seine
Fractionsgenossen Munckel und der Lyri-
ker Albert Träger, die jedoch verhältniss-
mässig selten das Wort ergreifen. Um
so häufiger spricht Herr Heinrich Rickert
aus Danzig, der Führer der „Vereinigung“.

Es vergeht kaum eine Sitzung, in der er
nicht seine Ansichten zum Besten giebt,
ob es sich um eine Frage der Gesell-
schaftsordnung oder um ein sozialpoliti-
sches Problem, um eine Militärforderung
oder um ein Panzerschiff handelt. Neben
ihm sitzen Dr. Barth, einer der eifrigsten
Vertreter des Freihandels, und Dr. Alex-
ander Meyer, ein behäbiger und wohl-
beleibter Herr, der den Berliner Witz
cultivirt und durch seine oft recht ge-
lungenen Scherze in die Monotonie sach-
licher Debatten erwünschte Abwechslung
bringt.

Weit in die Sitzreihen hinein, die
früher dem Freisinn gehörten, erstreckt
sich das Gebiet der Socialdemokratie. Da
ist vor Allem August Bebel, einer der
begabtesten Redner des ganzen Parla-
ments, ganz Nerv, ganz Ueberzeugung.

Wenn er die Tribüne betritt, um seine
Anklagen gegen die bestehende Ordnung
hervorzusprudeln, wenn er oft bis zum
äussersten Pathos steigt, so begreift man
seinen Einfluss auf die Arbeiterschaft. Er
verfügt, wie Richter, über eine ausser-
ordentliche Arbeitskraft; ihr verdankt er
es, dass er die Lücken seiner Bildung
vollständig überbrückt hat. Bebel steht
etwa in der Mitte der Fünfziger, sein alter
Compagnon Liebknecht dagegen geniesst
bereits die Würde eines Jubelgreises. Ihm
haftet trotz seiner Entwickelung etwas
Cathederhaftes an, er docirt gern und
kommt dabei vielfach vom Hundertsten
zum Tausendsten. Der dritte der nord-
deutschen Führer, Herr Singer, ist ganz
das Spiegelbild des behäbigen Bourgeois.

Das natürliche Feuer Bebel’scher Beredt-
samkeit und die pedantische Art Lieb-
knecht’s ersetzt er durch eine grosse Gewandtheit
und geschickten Periodenbau; doch fehlt es ihm an
innerer Wärme. Der süddeutsche Zuaven-Offizier
v. Vollmar, Grillenberger und Auer sind weiter die
vornehmsten Redner der Socialdemokraten.

Die Sitzungen haben nun begonnen, Wallot mit
den Seinen hat rüstig geschaffen, das Heim recht-
zeitig wohnlich zu gestalten. Weniger sichtbar dem
Auge aber bleibt die Arbeit des Mannes, der die
zahllosen Bureauarbeiten des Reichstages leitet. Der
Name des Geheimrath Knack tritt nur selten an die
Oeffentlichkeit, und doch ist der liebenswürdige und
kluge Herr im eigentlichen Sinne der Generalstabs-
chef des Parlaments. Manchen Staatsmann, manchen
Redner hat er kommen und vei schwinden, manche
parlamentarische Grösse entstehen und versinken
gesehen. Er selbst aber hat seit langen Jahren pflicht-
getreu und geschickt seines Amtes gewaltet, die Ge-
schäfte vertheilend, überall liebenswürdig vermittelnd
und allen berechtigten Wünschen entgegenkommend.

Das alte Heim in der Leipzigerstrasse war in
seiner Schlichtheit ein Repräsentant der Epoche
unseres ersten Kaisers; der prunkvolle Bau am
Königsplatz repräsentirt die Bestrebungen eines
neuen Geschlechtes. Möge die Sonne, die dort
leuchtete, auch hier leuchten, dass alles, was ge-
schaffen wird, segensreich und heilsam sei für unsere
nationale Zukunft.



halle gedachte Laterne mit der K ais
krone tragen. Besonders wuchtig gesta
sind die abschliessenden Ecken des
bäudes. Zwischen kräftig aufrag en

Von G. Malkowsky.

\as Wahrzeichen der preussis 1

;chen

Hauptstadtistd^rSchlosspIatz, d aS^

Reichshauptstadtder Königsplatz.an d esS

Ostseite sich das neue Heim der *°

vertreter erhebt. Es lässt sich kaum e11

günstigere Lage denken. An der Hin tL

front des gewaltigen Monumentalba

wogt das Leben der Weltstadt lärm en^

vorüber, die Hauptfa<;ade legt sich ^

ruhiger Vornehmheit vor das tiefdun

Grün des Thiergartens. Die mit der K aise,^

krone geschmückte Kuppel überragt

Borussia der Siegessäule.

Der Grundcharakter des Baues ist e11

machtvolle Breitenlagerung der in rei c

Symmetrie geordneten Massen bei krä 1 r

gedrungenem Aufstreben der vertik ale”

Glieder. Mit tiefer Schattenwirkung sp rlllr

das von sechs gewaltigen Säulen getrag

° •• Irtel 1

Hauptportal mit dem figurengeschmüc>L

Giebel bis an den Rand der Dopp ell,e
treppe vor, zu der rechts und links el1
breite Auffahrt hinaufführt. Den Gie* 1
überragt die riesige Germania, von R ein
hold Begas modellirt, rittlings auf elneI1j
mächtigen Streitross sitzend, in der f aU ^
die Reichsfahne, und dahinter wölbt S
in kühnen Umrissen die Kuppel mit ih re
goldschimmernden Gurten, die mit H aSt
scher Leichtigkeit die als offene Säuk

ilte £
Oe-

id el1

Säulenpaaren spannt sich ein einzig c

durch beide Etagen fortgeführter B°S

in dessen Vertiefung die reich urnrahm

Fensteröffnungen sich einfügen. H e

dem hier scharf vorspringenden

sims erhebt sieh je ein Eckpavillon.

oflfene Säulenhalle mit dazwischenlieS

.. l-ter

den Bögen und sculpturengeschmuc 1'

Balustrade charakterisirt. Die Fläch el
behandlung der sich zwischen dem Hauptportal und
Eckthürmen nach rechts und links dehnenden Faf a,
wirkt durch ihre grandiose Einfachheit. Zwischen •
zwei Säulen öffnen sich die Fenster, in der ersten
bogenförmig, in der zweiten giebelförmig abschliess e
Besonderes Gewicht ist auf die reiche Ornamentir 111'
der horizontalen Bauglieder verwendet. Nach dem

dei"

spätrömischer Bauten kräftig profilirt, sind sie, beson
wo sie als Attika nach oben hin begrenzen, die H a
träger des bildnerischen Schmuckes in Statuen
Reliefs. .

f deF

Ueber dem Giebel der Vorhalle prangt aut f

breiten Friesbande die Inschrift: „Dem deutschen Volk

• «eh e

Zvvischen den Säulenstellungen erblickt man m ^ ^
die Wappen der Fürsten und Bundesstaaten; von
Höhe der Kuppel herab strahlt die Kaiserkrone. In ^ 1" .(
voller Gedrungenheit steht der ganze Bau da, sich ^

hinlagernd und doch elastisch aufstrebend mit sein

a fe s* e

Säulen und Bekrönungen, ein Sinnbild für das ^
Gefüge des Reiches, das auf dem Boden des einheitl |C
Volksbewusstseins errichtet, sich in den Bundesstä-®^
zu einem freien Organismus gliedert, und im wie
errichteten Kaiserthum deutscher Nation seine ' vel
strahlende Krönung findet.

Während durch die ganze Faqadengliederung ^

strenger, ernster, künstlerischer Zug geht, treibt
Decoration der Innenräume der freie malerische
sein phantastisches Spiel. Schon in den Hallen, Corr

Etag e
,d-

ßck-Karyatide im Sitzungssaal.

3es Keichsfiauses

Hussen- und Jnnenhau.

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