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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Lenbach, Ernst: Donnerwetter: Skizze
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Jenny Gross
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Reimann, Georg: Unsere Rechtsanwälte, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0125

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MODERNE KUNST.

29

\n&

de Cl' dass „Sie“ sich nicht ganz so sehr wie ihre Vorgängerinnen vor
niete°rologischen Namen ihres Verehrers fürchten möge. Mit einiger
\v., erfand ich zur Rücksendung einige höfliche Sätze, welche meine

lwr .

lcl\ iViemung von den Gedichten des guten Gottlieb möglichst maskirten.

e*hieJt aber niemals eine Antwort darauf und schliesslich verlor ich

'■n. ar

^ Hen Kauz so ziemlich aus dem Gedächtniss.

L VVa fünf Jahre nach jenem Ausflug nach Hüsterlo und Krekelborn
ce ich auf einer Reise weiter rheinaufwärts ein Franziskanerkloster,
loy f'; ^ amahgen Einrichtungen einer solchen Niederlassung zu einem
e lshschen Zwecke kenneh zu lernen. Der Pater Präses, dem ich den
üieines Besuches mitgetheilt, liess es sich nicht nehmen, mich per-

'ich

^en,

■ zu führen. Ich lernte in ihm einen höflichen und weltklugen Mann

'J ui der mir manche praktische Einzelheiten in dem ihm unterstellten
|,.js ^UWesen mit herzlicher Genugthuung, mitunter auch wohl mit einem

l6tl 2u:

Es

"^ndii

ge von Ironie über meine bisherige Unkenntniss erklärte.
war ein schöner, milder Tag im Spätherbst. Als ich, von meinem

tr 'Uchen Führer geleitet, vor das Portal des hochgelegenen Klosters
Cj ' Weit vor mir das Thal mit Städten und Dörfern, Feld und Wald, von
," 1' 1 ’Uilden goldenen Dufte umschimmert, ein unendlich friedvoller Anblick.
^ie schön!“ rief ich unwillkürlich. „Wohl mag man es begreifen,
^ 211 diesem stillen, freiluftigen Asyl sich manches Gemüth heraufsehnt,
l‘ ach Stürmen und Schiffbrüchen hier lluhe zu finden!“

Der Mönch neben mir lächelte wieder mit seiner feinen, milden Ironie.
„Nicht jedes Gemüth trägt den klösterlichen Beruf in sich,“ sagte er, „und
die ihn in sich tragen, werden nicht imrner, wie man draussen in der
Welt rneint, erst durch die Stürme und Wellen eines wilden Lebens an
diesen Strand getrieben. Die Wege, auf denen die Vorsehung die Brüder
zu uns führt, sind so unzählbar, so verschieden und irdischem Auge oft
so wunderlich, wie die Leiden der Menschheit.“

In diesem Augenblicke schritt ein noch ziemlich junger Mann in der
dunkelbraunen, grobwollenen Kutte mit Rosenkranz und Geisselriemen
demüthig vorüber, dem Klostergarten zu. Der vornüber gebeugte, unsichere
Gang, das blasse Antlitz riefen eine plötzliche Erinnerung in mir wach.

„Sagen Sie doch, wer war das? Ich glaubte ihn zu kennen,“
fragte ich.

Der Pater Präses sah mich lächelnd an. „Es war Bruder Placidus,“
erwiderte er, „ich denke nicht, dass Sie ihn gekannt haben, aber es passt
zu unserem Gespräch. Denn was diesen in’s Kloster und zum Frieden
geführt hat, das war, wenn man es mit menschlichen kurzsichtigen Augen
betrachtet, weiter nichts als sein Name, der ihn in der Welt nicht zum
Gltick gelangen liess. Er hiess — aber lassen Sie uns etwas bei Seite
gehen, dort kommen einige Wallfahrer, und ich möchte nicht, dass sie
den Klang dieses Namens von meinen Lippen hörten, — Bruder Placidus
hiess nämlich in der Welt einfach: Donnerwetter!“

e n n y

4

ist ein grosser Vorzug der französischen Bühnendichter, dass sie schon bei
Uer Production die Darstellung bis in’s Kleinste vor Augen haben und an
'Wd der Hmicl ihrer Bühnenerfahrung dem Regisseur vorarbeiten. Besonders
laSst° ü ’ st ein Meister dieser Technik, die Dichtung und Aufführung als Ganzes er-
tii j Scfion bei der Abfassung des Scenariums komnit er der eigenen Anschauung
wenn er die Gruppirung seiner Figuren durch Wachspuppen auf
s0h 6,11 Schreibtische markirt. Auch pflegt er für die Verkörperung seiner Per-
Ck v°n vorneherein bestimmte Schauspieler in Aussicht zu nehmen und seine
atere auf ihre speciellen Eigenschaften zuzuschneiden.
c|Vr ardou’s Madame Sans-Gene war unzweifelhaft der grösste Biihnenerfolg
Vergangenen Saison, auch in Deutschland. Die Aufführung im Lessing-
er in Berlin fand unzählige Wiederholungen, die auch in das beginnende
erJahr hinübergreifen. Eine bedeutende Dichtung ist Sardou’s Lustspiel

1i,

Sie bleibt im Anekdotischen stecken und bietet im Grunde genommen

V .

äü) . Vlel mehr, als eine carikirte Darstellung der Emporkömmlingswirthschaft
Gf0 ° te des ersten Kaiserreiches. Aber Sardou hatte Glück, er fand in Jenny
V0„k e'ne Darstellerin der Titelrolle, wie er sie jenseits des Rheincs in gleicher

V Q|ritnenheit vergeblich gesucht hätte. Die fröhliche Wäscherin, die ihren
® eanten Lefebvre ganz ebenso lieb hat, wie später den Marschall von Frank-

[Nachdruck verboten.]

reich und Ilerzog von Danzig Lcfcbvre, tritt in ihrer Auffassung nicht weniger
umrissscharf zu Tage, als die kluge Frau aus dem Volke, die auf dem Wege
ungenirtester Offenheit sogar mit Diplomaten und Polizeiministern fertig zu
werden versteht. Man verspottet Madame Sans-Gene auf seine eigene Gefahr
hin um ihres Halleniargons und ihrer schlechten Manieren willen, denn in ihrer
Brust pocht ein liebesstarkes Herz, und hinter ihrer Stirn fängt sich’s an, ein-
fallslustig zu regen, sobald man ihre Liebe anzutasten wagt. Madame Sans-Gene
passt garnicht hinein in den Rahmen eines Hofes, der alle Prätensionen der
Legitimität für sich in Anspruch nimmt, ohne ihre gewohnheitsmässig hingenomme-
nen Rechte zu besitzen. Sie ist sich dieses Gegensatzes wohl bewusst, aber ihr
frisches Naturell setzt sieghaft über die conventionellen Schranken fort und macht
sich geltend, wenn es sein muss, sogar gegen den Kaiser. Diese herzhafte Frische
des Naturells kommt in Jenny Gross's Darstellung prächtig zum Ausdruck, weil sie
einen Hauptbestandtheil ihres eigenen Charakters bildet. Und dann die Toilette!
Das Haar auf der Stirn gelockt, am Hinterkopf griechisch geknotet, die schlanken
und doch vollen Körperformen, von dem schmiegsamen Seidenstoff mehr ver-
rathen als verhüllt, aus dem Pelzüberwurf hervorschimmernd, so steht sie vor dem
Kaiser und lacht und tollt ihn mit ihrer Drolerie aus dem Cäsarenwahn heraus, bis
er sich gar mit einem gewissen Behagen seiner knappen Lieutenantsjahre erinnerL

nsere

echtsanwälte.

Von Georg

II.

* n aber hinunter zur Strafkammer! Da steht schon der Angeklagte:

41| ^ie ein Strolch sieht er aus, und ein Strolch ist er! Er hat mit

Ur erdenklichen Frechheit und Niedertracht einen Hausfriedensbruch

Alje gen. verbunden mit Sachbeschädigungen und groben Beleidigungen,

^bsch hintereinander, so dass er einen recht exemplarischen Denk-

tjh, Verdiente: — und doch muss er straflos ausgehen und das Verfahren

VSteilt

Iht,

taR n ‘ 1

t'r^ , niCut rechtzeitig in den vorgeschriebenen drei Monaten gestellt zu

werden: denn wegen eigentlnimlicher Umstände ist der Straf-

Vten.

<lie . Während man nach Pflicht und Gewissen dem Gerichtshof
“'Nc] ! StlSche Unzulänglichkeit der vorliegenden Anträge darthut, hängt
Sai e' nend mit den Zeichen reinster Bewunderung einer von den „Cri-
. tUdenten“ im Publikum -— er sieht wie ein Dutzbruder des Ange-
1üSer aus — an den Lippen des Redners. Ob ihm die Scharfsinnigkeit
1 Ueductionen so imponirt? ob er gar zu würdigen wciss, was man

Reimann.

[Nachdruck verboten.]

da spricht? Es scheint fast—: denn draussen, als ntan eben den Corridor
durchquert tritt er, seinen alten Hut zwischen den Händen drehend, mit
grinsendem Lächeln uns schon entgegen. Ruppig genug sieht er aus mit
dem unrasirten Gesicht und dem struppigen Haar, in den schmutzigen
zerrissenen Kleidern — aber, wer weiss, vielleicht mag doch darin eine
ehrliche Haut stecken. Nun?

„Entschuldigen Sie giitigst, Herr Rechtsanwalt, möchten Sie mir nicht
sagen, wo Sie wohnen?“

Warum? wozu? lautet die hastige Erwiderung.

„Ich «ein’ nur, ob der Herr Rechtsanwalt mir nicht auch möchten
vertheidigen?“

Wesswegen? was ist’s denn? Diebstahl?

„Nein!“

Körperverletzung?

„Nein.“

IX. 2

IV.
 
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