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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Trojan, Johannes: Vögel im Winter
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Holzbock, Alfred: Das neue Hoftheater in Wiesbaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0180

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86

MODERNE KUNST.

einzukaufen. Wo auf Balcons und Fensterbrettern Brocken gestreut werden,
findet allerhand hungriges Volk vom Lande sich an, und eins ruft dem
andern zu: „Hier giebt es was! Schnell hierher, ehe die Sperlinge
komraen!“

Die Meisen, die reizenden Ivohlmeisen besonders, kommen auch gern
um die harte Jahreszeit in die Nähe der menschlichen Behausungen, in-
dessen sind sie nicht gar so sehr der menschlichen Gesellschaft bedürftig.
In Schwärmen beleben sie auch den einsamen verschneiten Wald, in dem
mit ihnen zusammen um diese Zeit auch Gesellschaften der zierlichen
Goldhähnchen verkehren. Die Meisen aber lassen auch im Winter ihre
Stimmchen erschallen, wenn auch nur in bescheidenen Tönen, und das
Goldhähnchen singt, unbekümmert um Frost und Schnee sein ldeines Lied.

Dasselbe thut der Kreuzschnabel, welcher der eigentliche Wintd

des Nadelwaldes, besonders im Gebirge ist.

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Seltsam wird dem Wanderer zu Muth, der, in starrer Win tel

• Prni» lint'

durch den Forst wandernd, plötzlich eine zarte kleine Stimme vex

Er sieht sich um, zu erforschen, woher sie kommt, und von emetn

. • uljsäg'

schneiten Zweige her blicken ihn ein paar Aeuglein an, die emem ^

lich zarten Geschöpf angehören. Ein Herz schlägt ausser dem s£1

, irleia 65

noch in der winterlichen Waldeinsamkeit und Oede, ein sehr
Herz, aber ein Herz, in dem warmes Blut pulsirt und in dem die

Hoff'

mt.

nung lebt auf bessere Tage. Das kleine Stimmchen aber, das er verm 111 ^
sagt ihm: „Sei unverzagt! Nicht lange dauerts, dann kehrt der fi u #
zurück. Mit ihm kommen die Veilchen und nach den Veilchen die R° se

*as neue poftheater in wiesbaden.


GOOo

Von Alfred Holzbock.

jm 16. October wurde in Anwesenheit des deutschen Kaisers,
sämmtlicher Hoftheater-Intendanten sowie zahlreicher Leiter
unserer ersten Stadttheater das neue Wiesbadener Hoftheater
in festlicher Weise eingeweiht. Nach Schluss dcr Eröffnungs-
Vorstellung befahl der Kaiser die Herren Fellner und Hellmer, die Erbauer
des Theaters, in seine Loge. Er beglückwünschte die Wiener Künstler,
gab seiner Freude Ausdruck, dass ein preussisches Hoftheater von dieser
Schönheit existire, und constatirte mit Genugthuung, dass gerade öster-
reichische Architekten es seien, die als Theaterbaumeister einen Weltruf
erlangt hätten.

Das neue Theater steht vollständig frei, Dcr „warme Damm“, eine
Art Parkanlage, breitet sich vor der Hauptfaqade aus, und der herrliche
Kurpark, in dem sich Natur und Kunst glücklich vereinen, zieht sich längs
der hinteren Faqade hin und verleiht diesem etwas stiefmütterlich be-
dachten Theil des Baues ein frisches, wohlthuendes Relief. An der
Rtickseite liegt seltsamer Weise der Haupteingang für das Publikum,
während die Hauptfaqade, zu der zwei mächtige Rampen terrassenartig
emporführen, als Bühneneingang gedacht ist, durch den schwere und
umfangreiche Decorationsstücke in’s Theater befördert werden.

Der Ivaiser wünschte, dass den Wiesbadenern ihre Lieblingspromenade,
die Colonnaden im Kurpark, erhalten blieben. Die Flerren Fellner und
Hellmer zogen sich in geschickter Weise aus der Affaire. Sie gestalteten
einen Theil der Colonnaden zu einem grossen Porticus. Um Missver-
ständnisse zu vermeiden, meinen die Wiesbadener, wäre es nothwendig,
an der Hauptfaqade, die man naturgemäss für den Haupteingang halten
muss, die Inschrift anzubringen: „Der Eingang befindet sich hinten“.

Das Theater ist in vornehmstem Hochrenaissancestil gehalten. Als
der künstlerisch bedeutendere Theil erscheint die nach dem „warmen
Damm“ zu gelegene Hauptfagade mit ihrem mächtigen, edlen Porticus, ihren
frei und harmonisch gruppirten Säulenhallen, ihren riesigen Terrassen
und Balustraden, auf denen Hunderte Platz finden können, ihren kühn sich
erhebenden Obelisken und Sculpturen. Professor Voltz hat das Giebel-
feld mit einer plastischen Gruppe geschmückt, welche den Charakter des
Musentempels und der im letzteren vertretenen Künste in sinnreicher
Weise symbolisirt. Neben Voltz haben Professor Eberlein, Baerwald-
Schwerin (der Schöpfer des Friedrich Carl Denkmals in Frankfurt a. d. O.j,
fernerhin Vogel-Wien, Schiess-Wiesbaden sowie andere Künstler von Ruf
und Talent an der bildhauerischen Ausschmückung des Baues in hervor-
ragender Weise sich betheiligt und zu einer harmonischen Vereinigung
von Architektur und Plastik das ihrige beigetragen.

Durch den an den Colonnaden gelegenen Eingang, der ebenfalls von
einer Eberlein’schen Panthergruppe überragt wird, gelangt man in das
Vestibule. Das sich durch farbige Gläser brechende Oberlicht verleiht
diesem Raum eine reizvolle Beleuchtung. Vom Vestibul aus erfolgt der
Eintritt in die verschiedenen Theile des Zuschauerraumes. Das Haus
bietet Raum für 1450 Personen und enthält nur Sitzplätze in einem Parquet
und drei Rängen. Die grosse Hofloge befindet sich gegenüber, die kleine

rechts von der Bühne. Hinter dem ersten Ränc

[Nachdruck verboW-l

iS, der eine Art sogenan 111
Nobel-Galerie bildet, steigen die Logen mit amphitheatralisch geordn e* :
Sitzreihen empor.

Die Wiener Architekten sind auch in Wiesbaden ihrer VorlieÜ e

sind ifl

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Gold, Weiss und Roth treu geblieben. Die Rangbrüstungen siß 1
Weiss mit Goldverzierungen gehalten, den Hintergrund bildet ein sai
Roth. Der Wiener Maler Goltz, der durch
Salzburger Theater die Aufmerksamkeit

seinen Vorhang

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auf sich gelenkt hatte, i sl
Künstler, dem auch der Wiesbadener Vorhang zur Ausarbeitung u
geben wurde. Goltz hat auch hier seine grosse Begabung für 0
Specialkunst gezeigt; „der Triumph des Genies“ ist ein von PhaU 11

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ünd Geschmack zeugendes Kunstwerk, das, da es sich um einen Th eU

vorhang, also um ein Stück decorativen Charakters handelt, durch ^ ^

wendung satterer Farben eine noch stärkere Wirkung erzielen kö u ,

Zeigen die Faqaden eine Vereinigung von Architektur und Bildha ue

rti&

so schmückt den reich und kunstvoll gegliederten Plafond eine eig erial
Mischung von Malerei und Sculptur. Auch hier wird durch die einz el ^

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Gruppen und Figuren, Schöpfungen der Maler Köpler und Weim ar|
sinnreicher Weise neben der Bedeutung Wiesbadens der Charaktef
Hauses allegorisirt; dieser findet auch in zahlreichen Medaillonpol■ ,

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unserer volksthümlichsten Dichter,Musiker undKünstler einen bezeichn e11'
Ausdruck.

Dass bei einem neuen Theaterbau, der, trotzdem die ung e
3700 Quadratmeter grosse Grundfläche von der Stadt frei herg e§ e
wurde, über zwei Millionen Mark kostet, die moderne Bühnentechnik
jeder Weise berücksichtigt ist, erscheint als selbstverständlich. Di e
Brandt, dem vortrefflichen Obermaschinenmeister der Berliner Hofth ea

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Ö.

eingerichtete Bühne, trägt den Fortschritten der Technik vollauf Rechn 11 ^
Das Orchester liegt zwar tief, kann jedoch durch eine hydraulische ^
richtung in wenigen Secunden höher gehoben werden. Ganz beson ^
prächtig ist die Anlage der elektrischen Beleuchtungskörper, die s lCh
effectvoller Weise um die Rangbrüstungen ziehen und vom Plafon^

einem massiven, reichen und kunstvoll verzierten Kronleuchter
Strahlen auf den Zuschauerraum herniedersenden.

Eine Eröffnungs-Vorstellung mit ihrem vorher genau erwogenen 1
gramm kann nicht ein abschliessendes Urtheil über die Leistungsfäh 1^

jlif e

pi-o'

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eines Theaters gewähren. Der Intendant des Wiesbadener Hofthe 3 j
Herr Georg von Hülsen, hatte gemeinsam mit Herm Lauffs ein Fes tsP^
gedichtet, eine Art Huldigung der Künste für Wiesbadensia, die aü s 1 ^
düsteren Grotte von diesen emporgeführt wird zu lichten GefildeUi .
Tempel der vom Hohenzollernaar beschützten Kunst. Das Festspiei ^
sich poetisch und schwungvoll an und verräth, dass unsere Realis te11
Naturalisten auf die Tantiemen des Wiesbadener Hoftheaters sich ^

X afln

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Hoffnungen machen dürfen.

Der hierauf folgende zweite Act aus «-

häuser“ zeigte Chor und Orchester auf einer vornehmen künstleri sC^
Höhe. Herr Rebicek ist ein Kapellmeister, der seinen Stoff mei ste j
beherrscht. Decorationen und Costüme waren reich und stilgemäs 3'
 
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