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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Malkowsky, Georg: Laurens Alma-Tadema
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0397

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aurend

adema.

Von Georg Malkowsky.


ünstler, die sich den internationalen Markt erschlossen haben, sind
nicht etwa im Uebermaasse vorhanden. Das ist natürlich und
nicht nur durch das Können, sondern durch die beschränkte Stoffwahl
bedingt, die an die Wirklichkeit gebunden, schwer über die Grenzen des
engeren Vaterlandes hinauskommt. Der Menschenmaler wählt seine Mo-
delle in seiner nächsten Umgebung und wird demgemäss am besten von
seinen Landsleuten verstanden. Die
festeren Anschluss an die Natur
suchende Kunst erscheint national
begrenzt, weil sie sich freiwillig aui
das mit eigenen Augen Gesehene
beschränkt.

Die moderne Wirklichkeits-
malerei hat sich breit und bequem,
geradeaus blickend zwischen die
nach oben schauende Idealkunst und
die rückwärts gewandte Historien-
schilderei gelagert. Dafür, dass sie
nicht Alleinherrscherin wird, sorgt
jene nationale Gebundenheit. Bei
Künstlern wie Arnold Böcklin und
Alma-Tadema fragt man nicht nach
ihrer Heimathsberechtigung, denn
sie malen eine Welt, die nicht die
unsere ist, die sie nur mit ihren
Künstleraugen gesehen, die sich
unserer Controle entzieht.

Arnold Böcklin und Alma-Ta-
dema haben die Loslösung von der
zeitlich und örtlich beschränkten
Wirklichkeit gemeinsam und nur
aus diesem Grunde sind sie hier
neben einander genannt. Sie haben
sich auch äusserlich von ihrer Hei-
math getrennt. Der Schweizer
Böcklin lebt in Florenz, der Belgier
Alma-Tadema als naturalisirter Eng-
länder in London. Beide schufen
sich auch in ihren V/ohnstätten eine
eigene phantastische Welt, ein
Milieu, das sie in die Stimmung
ihrer Werke hineinzwingt.

Townshend-House, das Londo-
ner Heim Alma-Tadema’s, ist trotz
seiner zahlreichen Kunstschätze kein
Museum, sondern eine Flucht von
wohnlichen Räumen, deren jeder
eine historische Stimmung repräsen-
tirt, ohne vom Besucher archäologisches Interesse zu erpressen. Ueber dem
Ganzen schwebt der Geist vornehmer Gastlichkeit, der sich in der liebens-
würdigen Herrin des Hauses verkörpert. Ihr Name begegnet uns überall,
in antiken Lettern auf Thüren und Panelen, unter Büsten und Portraits.
Alma-Tadema selbst, Bastien Lepage und John Collier haben sie gemalt,
Amendola hat sie in Marmor verewigt. Ihr häusliches Wirken aber spricht
sich in Sinnsprtichen aus, in Denkinschriften, die Familienereignisse ver-
zeichnen und von Wänden und Friesen herab von ungetrübtem Zusammen-
leben erzählen, das in der gemeinsam geübten Kunst seine höchste
Weihe findet.

Das einfachste Zimmer in Townshend-House ist des Künstlers Atelier.
Hauptsächlich im pompejanischen Stil gehalten, wirkt es nur durch seine
gebrochenen rothen und gelben Farbentöne und durch die einfache Pro-

Alma-Tadema.

filirung seiner Möbel und Geräthe. An diesen Raum schliesst sich eine
Reihe nur durch Draperieen getrennter Salons, deren jeder mehr oder
weniger antikisirend gehalten ist, ohne darum an Wohnlichkeit zu verlieren.
Da ist zunächst das Säulenzimmer, das seinen Namen von den jonisehen
Pfeilern empfangen, welche die Decke tragen. Dann folgt das Goldcabinet,
so bezeichnet nach seinen in mattem Gold glänzenden Wänden, und darauf

ein Holländisches Zimmer, die ein-
zige Erinnerung an die niederlän-
dische Herkunft des Malers der
antiken' Welt.

Laurens Alma-Tadema ist in
Dronryp am 8. Januar 1836 geboren.
Seinen ersten Unterricht erhielt er
auf der Antwerpener Akademie, um
dann in das Atelier des Baron Leys
einzutreten. Hier empfing er die
ersten archäologischen Anregungen
und fasste Interesse für das histo-
rische Genrebild, für eine Darstel-
lung der Vergangenheit in intimen
Scenen des häuslichen und öffent-
lichen Lebens. Gegen die asketi-
sche Manierirtheit des Baron Leys,
die sich in der strengen, den alten
Flamländern abgesehenen, durch
dunkle Umrisslinien markirtenZeich-
nung aussprach, schützte den jungen
Künstler sein frischer, farbenfroher
Sinn.

Im Jahre 1863 fing man an, sich

für Alma-Tadema in seinem engeren
Vaterlande zu interessiren, 1864 er-
hielt er die erste goldene Medaille
in Paris und seit der internationalen
Ausstellung 1867 häuften sich die
internaticnalen Ehrenbezeugungen.
Er wurde Ritter des belgischen
Leopold-, des niederländischen
Löwen-, des bayerischen Michael-
Ordens undOfficier derEhrenlegion.
Die Akademien der grossen conti-
nentalen Kunstcentren ernannten
ihn zu ihrem Mitgliede. 1871 mit
einer englischen Dame, der Tochter
eines Dr. Epps, verheirathet, fühlte
er sich mit der brittischen Nation
auf’s engste verknüpft, liess sich
Verstecksplei. 1873 naturalisiren und wurde 1876

ausserordentliches, 1879 ordentliches Mitglied der Londoner Akademie
der Künste.

Das künstli.ch hergestellte archäisirende Milieu, die Fülle internationaler
Anerkennung, das sind die chafakteristischen Kennzeichen, aus denen sich
die Eigenart des Künstlers nicht minder erklärt, als aus seinen Werken-
Er ist der Ebers der Malerei, der Kleinmeister der antiken Welt, die er
nicht in ihren jugendfrischen hellenischen Anfängen, sondern in ihren
archäisirenden römischen Ausläufern darzustellen liebt. Hier findet sich
die Farbenfülle für die strenge harmonische Form, hier jener überfeinerte
Lebensgenuss, der unmerklich zum modernen Empfinden hinüberleitet-
Denn Alma-Tadema ist modern trotz seiner hellenisch-römischen Co-
stümirung. Echter im Detail als die Kunst des Empire, athmen seine
Werke eine kaum merkliche sentimentale Stimmung, einen Duft wie von
 
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