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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Lenbach, Ernst: Der Glücksmops
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234

V)

er %(lücksmops.

Von Ernst Lenbach.

/Iiryie gesagt, Herr Director, ich bin mit dem Ergebnisse meiner dies-
maligen Inspicirung des Ihnen unterstellten Königlichen Gymnasiums
sehr zufrieden! Disciplin, stramme Disciplin, Achtung vor den Autoritäten,
das ist die Hauptsache, und die habe ich bei Ihnen gefunden.“

Der Director verbeugte sich tief. „Ihre Worte beglücken mich, Herr
Schulrath. Es wird stets meine höchste Befriedigung sein, anerkannt zu
sehen, dass ich die mir anvertraute Jugend zu ordentlichen Staatsbürgern
zu erziehen bestrebt bin.“

„Ja, ja“, bestätigte der Schulrath und strich sich vorsichtig die Hand-
schuhe glatt, „das ist das einzig Richtige. Nun sagen Sie mal, was ist
denn eigentlich aus diesem incommensurablen Menschen geworden, Ihrem
ehemaligen Hülfslehrer Dr. Sutorius? Es war hohe Zeit, dass er seine
Entlassung aus dem Staatsdienste nahm, in den er mit seinem disciplin-
widrigen Eigenwillen so gar nicht passte.“

Der Director zuckte die Achseln. „Wie es eben mit solchen ver-
fehlten Existenzen geht! Seine Gönner unter den hiesigen Oppositions-
leuten haben ihm einen Posten an der alten städtischen Dombibliothek
verschafft, die aber wohl spätestens in einem Jahre aufgehoben wird.
Dann wird er wohl ganz unter die Zeitungsschreiber gehen. Er schreibt
ja bereits Novellen, in denen er sich nicht entblödet, die Liebesabenteuer
zweifelhafter Individuen aus den unteren Volksklassen als tragische Stoffe
zu behandeln. Ich habe das von meiner Frau gehört, — selber lese ich
das moderne Zeug natürlich nicht“.

„Schade um den jungen Mann“, meinte der Schulrath und sah nach
der Uhr, „— ei, so spät schon? Da muss ich wohl einen Wagen zur
Bahn nehmen. — Schade um den jungen Mann, er war nicht ohne
Talent, wenn er sich zu subordiniren gewusst hätte, wäre unter Ihrer
bewährten Leitung vielleicht doch noch ein tüchtiger Schulbeamter aus ihm
geworden“.

Während diese Beiden auf dem Schulhofe des Gymnasiums ihre
Betrachtungen über den verlorenen Mann austauschten, stieg Doctor
Benedict Sutorius selber höchst vergniigt die Treppe des grossen Mieths-
hauses empor, in welchem er mit seiner jungen Frau Clara, genannt
Schnurcks, einen bescheidenen Theil des dritten Stocks bewohnte. Unter
dem Mantel trug er etwas Rundliches, Zappelndes im Arm, und er bemühte
sich, so leise und heimlich aufzutreten wie ein Wäschedieb; die Gattin
aber hatte ihn schon vom Fenster aus bemerkt und öffnete in liebender
Ungeduld die Thür, als er kaum oben angelangt war. „Liebster, Bester!
rief sie und streckte sich auf den Zehen empor, um ihm den Willkomm-
kuss zu geben; denn für gewöhnlich reichte sie dem geliebten Riesen mit
ihren Lippen gerade bis an den bloncien Kinnbart. Sogleich aber fuhr
sie erschreckt zurück, da sich bei ihrer Annäherung unter dem Mantel
des Gatten ein dumpfes Knurren vernehmen liess. „Was hast Du denn
da, Ben?“

Benedict Sutorius schlug den Mantel zurück und liess seine Last zu
Boden gleiten, es war ein Mops von der bei diesen Hunden meist
gebräuchlichen silbergrauen Farbe. „Guten Tag, Schnurcks,“ sagte
Benedict und küsste die Erstaunte, „sieh, da hast Du Dich um eine Ueber-
raschung gebracht, das kommt davon, wenn eine Ehefrau nach sieben
Monaten und dreizehn Tagen ihrer Ehe noch so verliebt ist und ihrem
Manne vor die Thür entgegen läuft. Ich wollte Dir den Herrn eigentlich
ganz leise durch die Thüre hineinschieben und draussen bleiben, damit
Ihr Eure Flitterminuten allein für Euch rein auskosten könntet.“

„Aber Ben, wie kommst Du denn zu dem Thier?“ fragte Clara und
betrachtete den fetten Hund, der unterdess ohne weitere Umstände in
das Wohnzimmer gewackelt war und eben mit seinen glänzend schwarzen
Augen den Abstand maass, um sich mit einem kühnen Sprung auf das
Sopha zu schwingen.

„Murcks heisst er, findest Du nicht, dass sich das herrlich aui
Schnurcks reimt?“ erwiderte Benedict und folgte auch seinerseits mit
höchst vergnügten Blicken den Bewegungen des Mopses.

„Du Lieber, Guter, Einziger! — Es ist aber wirklich ein süsses Thie r’

„Ja, nicht wahr? Sieh’ nur ’mal dieses kokett geringelte Schweifch eI1'
es liegt etwas Geniales darin. — Aber die. Wahrheit zu gesteh’n, ich hab e
ihn nicht bloss aus schuldiger ehemännlicher Aufmerksamkeit mitgebrachh
sondern um einen Mord zu verhindern. Bis jetzt gehörte er nämlich d eirl
Pedell vom Gymnasium. Die Beiden begegneten mir heute früh, dui c^
einen Strick verbunden, den der Pedell in der Hand, Schnurcks aber urn
den Hals trug. „Na, Küppers“, sag’ ich, „lassen sich wohl ’n bisch eI1
spazieren führen?“ Da fängt er an zu jammern, er habe das Thier n ufl
schon acht Jahre, es sei ein Geschenk von seiner seligen Schwiegermutt er
und garantirt stubenrein, und nun habe ihm der Director stricte befohl eUl
den Köter unverweilt abzuschaffen, weil er dem Herrn Schulrath he ute
früh an die Waden gefahren sei. Und nun wolle er das Thier unten atl1
Fluss mit einem Stein um den Hals ertränken. „Nichts da“, sag’ ich,
Hund gehört zu mir, sehen Sie das denn nicht ein, Küppers? Er hat sfch
der hohen vorgesetzten Behörde durch seine Kritik missliebig gema cut'
fort muss er, aber warum gleich in’s Wasser? lassen Sie ihn in’s Pri v" at
leben zurücktreten, ich kaufe ihn. Und so gewann ich Murcks. Er ^
mir auch sogleich ganz verständig nach, — er liebte mich um mem e3
holden Mitleids willen, wie Othello die Desdemona.“

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„Aber was hast Du denn dafür bezahlt? Soviel ich weiss, besass e
Du —“

„Noch vierundvierzig Pfennig, richtig, Schatz, — sie sind noch ^
und bilden bis zum nächsten Ersten, der glücklicher V/eise morgen fcS 1'
unseren Juliusthurm.“ Nein, sieh, da habe ich noch eine Fliege mit d el
selben Klappe geschlagen. Entsinnst Du Dich, sanftmüthigste der Gattinn el1'
wie unzufrieden Du Dich zu äussern beliebest, als ich vor einigen Woch Ll1
das Kirchenbauloos kaufte? Du nanntest es eine überflüssige Ausgab e'
und ich habe wohl bemerkt, wie Du seit jener Zeit mich ab und zu ullt
Blicken geheimer Angst mustertest, wenn ich einen Augenblick vor ein elU
Laden stehen blieb, wo man unnöthige Luxuswaaren feil bot. Nun, l a=,s
Deine Angst fahren, — ich habe meinen Antheil an den Baukosten H r
die Gereonskirche dahingegeben und dafür diesen holden Liebling ^ ef
Natur eingetauscht.“

„Du bist ein lieber süsser Mann,“ sagte Frau Clara versöhnt, küss te
ihren Riesen lächelnd und bückte sich dann zu dem Hunde nieder, ^
ihre Liebkosungen wedelnd und leckend erwiderte.

»" *

.v.

Von nun an war Murcks, genannt der Glücksmops, anerkannterHaushn 11^

des für den Staatsdienst untauglichen Doctors Benedict Sutorius und seiü er

hübschen verständigen Frau; aber er machte seinem neuen Beinamen weü 1'’

Ehre. Von allen Tugenden, die das sterbliche Geschlecht der Huü

theils aus den Händen der Natur, theils durch den bildenden Umgang 1,11

dem Menschenvolke erhalten, besass er anscheinend nur eine, die utl

begrenzte Anhänglichkeit und Verehrung für seine Herrschaft. Bin 111' 1

Ivurzem spielte er in dem weitläufigen Hause die Rolle Edom’s im a-l telJ

Testament, — „er war wider Jedermann, und Jedermann’s Hand ^

wider ihn.“ Von Hausherrn und Miethern liefen mehr Klagen über ^

ein, als einst Nobel der König gegen Reineke Fuchs annahm; seine san

Herrin gestand sich seufzend, dass ihre vordem an den störrigsten Sch u^

kindern erprobte Erziehungskunst an diesem rundlichen Unthier machd 0

niederglitt, und der einzige, der noch an ihn glaubte und seinen Leb eI1'

faden auch diesmal vor der trennenden Scheere bewahrte, war sein H elf

der Doctor Benedict Sutorius. Er begegnete den Anklagen gegen Mu 1" 1-

mit derselben aufreizenden Gelassenheit, mit welcher er vordem nach A lP

ftet 1

sage des Gymnasialdirectors zu dessen Sarg so manchen dauerfiai
Nagel gespendet hatte. „Er ist eben ein Glücksmops,“ erklärte er,

Beruf ist es, die Menschen zur Ordnung und damit zum Glück zu erziH ie
indem er ihre unordentlichen Gewohnheiten ahndet. Wie. wollen

-tefl

tadeln, Hefir Nachbar, dass er Ihnen drei Rindsknochen in ihren Vorg al
 
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