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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Blumenreich, Franziska: Conversion
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0413

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324

r

^onvepsion.

5 &

Von F. von Kapff-Essenther.

lie Tante war richtig eingeschlafen, behaglich hingestreckt auf dem Sitz
des Coupe's zweiter Classe. Man konnte ihr ein ganzes Sopha ein-
Ca räumen, da die kleine Gesellschaft sich allein befand, was wiederum
den eifrigen Bemühungen Robert’s zu danken war. Das Brautpaar wünschte
begreiflicherweise allein und ungestört zu sein — man hatte darauf gerechnet,
dass die als Aufsichtsdame fungirende Tante sehr bald ein wenig einnicken
würde. Lange hatte sie geklägt, sie läge zu niedrig. Sie fühlte sich tiberhaupt
nicht wohl und nahm Kamillentropfen aus der Reiseapotheke, die sie stets
mit sich führte und die ihr ganzer Stolz war. Robert und Ilse hatten Plaids und
Regenmäntel kunstvoll zusammengerollt und ihr unter den Kopf gepackt, man
hatte auch den Schleier über die Gasflamme gezogen.

Nun schlief die Tante, während der Schnellzug gleichförmig fortrüttelte.

Die Liebenden waren wirklich allein. Sie dachten nicht an’s Schlafen; sie
waren glückselig, aneinander geschmiegt zu plaudern.

Sie sprachen von ihrer Einrichtung, von ihrer künftigen Wohnung. Dazu
eigentlich reiste man nach Berlin.

Allerdings, der äussere Anlass zur Reise war die Conversion der Staats-
papiere. Diese Papiere bildeten Ilsens für Robert zu bestellende Caution und
mussten an irgend einer Hauptkasse umgetauscht werden, weil eine neue Emission
bevorstand. Das war eigentlich ein Unglück, denn, wie es bei Conversionen zu-
meist der Fall ist, wurde der Zinsfuss herabgesetzt. Aber das junge Volk

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kümmerte sich wenig darum, dass das ktinftige Einkommen um zwei- bis
hundert Mark geringer wurde. ^

In einem verschlossenen, eigens dazu verwahrten Täschchen, oder vid 111
einer Art von Mappe waren die kostbaren Papiere verwahrt. .

Im vorigen Carneval hatten sie rasend mit einander getanzt. AIR
tanzten sie noch sehr gerne, sie waren nicht blasirt. Ilse blieb immer di e
bestrittene Ballkönigin, er der entzückende Lieutenant, dem alle Mädchen 113

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seufzten. Ihm aber gefiel nur Ilse und er gefiel ihr nicht minder. Sie arnüs»
sich köstlich, gottvoll. . ^

Als der Carneval vorüber war, bemerkten sie, dass sie ohne einander 111
leben konnten.

„Wahrhaftig nicht,“ betheuerte Use.

„Auf Ehre, es geht nicht,“ betheuerte Robert. ^

Weshalb aber sollten sie ohne einander leben? Ilse hatte die Caution, s° n .
die doppelte Caution und so verlobten sie sich. Es gab nicht die Spur £l11^
Hindernisses. Ilse war die einzige Tochter eines Rechtsanwalts, der sich nlC
weiter sträubte, seine Ersparnisse für das Gliick seiner Tochter zu opfern. P lC
Ersparnisse, das waren eben die Staatspapiere, welche convertirt werden mu sS
Ilse war mutterlos und wurde darum von der Tante behütet, welche
vor ihnen schlief.

Sie fuhren aus der hübschen, angenehmen, aber kleinen Garnisonstadl


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