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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Alberti, Conrad: Vom Hamburger Kaffeemarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0412

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MODERNE KUNST.

323

Plat:

2 zu durchbranden. Um >/22 Uhr
, C ^* esst man die Thür, der später
VorriInende muss 30 Pfennige be-
jj ahlen, und oft sieht man kurz vor
j. 01 Glockenschlage bejahrte Mil-
°uäre gleich jungen Füllen hüpfend

eirtlen, um die lästigen Sperrgro-

sch,

sich

th.

etl zu sparen.

Gegen l/i6 Uhr Abends füllt

noch einmal die Börse am Sand-
° rquai zum letzten Kall, welcher
r Feststellung der Abendcourse
Gegen 6 ist das Geschäft be-
eridet. In der Zwischenzeit haben
le Verhandlungen in den Contoren
^attgefnnden, angekommene Waare
' st übernommen, verkaufte weiter

Verladen worden. Vor den Thüren
der

T;

Lagergebäude ist den ganzen

Leben. In eleganten Gefährten
V°Hen die Grosskaufleute vor, Ar-
e,ter laden die Säcke ab und auf,
akler eilen von Contor zu Contor,
j^ te Frauen drücken sich vor den
^gängen herum, um verlorene
°l> t>en aufzusammeln.

Die eine Seite der Lagerhäuser
j tösst auf die Strasse, welche die
ahngeleise entlang laufen, die an-
^ ere an den Fluss, so dass der Ver-
^ ehr sich nach jeder Richtung frei
ehtwickeln kann.

>h

Draussen, in einem der oberen
hlafen liegt am Quai ein eben ange-
^fnmener Dampfer der Handlung:

^hdamerikanische Dampfschifffahrts-
^ esellschaft. Weit, lang, einförmig
^ ehnen sich die Schuppenhallen.

' llr Rechten die Hafenbucht mit
rem Walde von Masten und Schlo-
tet>, die aus den breitbusigen Unge-
''‘ümen der Oceandampfer empor-
Vachsen. Hunderte von Krähnen
stehen, rollen, schieben sich am

‘ er entlang und holen sturnm und dienstfertig den Inhalt der Schiffe hinüber
1,1 die Schuppen.

Auf den Decks, zwischen den Kajüten, laufen Comrnis umher und prüfen
^ le ankommende Waare, sie mit den Proben des Maklers vergleichend. Im
^ ehuppen nimmt der Bodenmeister die Säcke aus dem Arm des Krahns in
^pfang. Auf der grossen Waage stellt er ihr Gewicht fest und notirt es. Im
hntergrund der Halle finden sie ihre vorläufige Ruhestatt. Alle Wohlgerüche
^ rabiens schwimmen hier durcheinander. Die Arbeiter laufen hin und her, mit
'^ ren vom Lasttragen überhöhten Schultern, die Beine mit dicken Sackfetzen
l)ri>schnürt, wie die Vornehmen beim Criquetspiel.

Ein paar Tage später kommen die Everfiihrer, um irn Auftrage der grossen

Htidelsfirma die Kaffeesäcke in ihre Schuten zu übernehmen und nach den

. agerhäusern zu führen. Hier werden sie mit hydraulischen Aufzügen auf den

JQcl en aufgebracht. Es sind weite, geräumige Hallen, nicht hoch, aber breit.

^00 Sack fasst solch’ ein Böden, wie sie sich in drei bis vier Stockwerken über'

ett> Fleet aufthürmen, der tief unter unsern Füssen rauscht. Ueberall auf-

® esehichtete Säcke, auf denen sich’s die Speicherkatzen bequern machen, überall

er kräftige, herbe Duft der ungerösteten Bohne. Wie von Zauberhänden ge-

Scl>leudert, fliegen Säcke aus der Luft durch die offene Thtir berein, muskel-

’ be> valtige Arme fassen sie sogleich, schleppen sie zur Waage, lösen sie dann

11T schütten den grünlichen, bläulichen, gelblichen Inhalt auf grosse Haufen.

, ar> stürzt die Säcke und mischt den Inhalt, unt, ihn in Säcke zurtickfüllend,

j ltle schönere, gleichmässigere Waare zu haben. Hier, in diesem sauberen.

l'Tgen Raume wohnt die Waare, bis sie abgesetzt wird, zur Miethe bei den

Q. . 0

^artiersleuten, welche den Boden gepachtet haben. Der Quartiersmann muss
ei Dinge sein eigen nennen; Kraft, Geld und Treue, er muss seinen Leuten
ei der Arbeit tüchtig vorangehen, er muss den Speicher halten und für die
^lgebrachte Waare einstehen.

Von hier aus wird die Waare, wenn sie an der Börse nach Probe gekauft
»nd der Käufer sich ihrer Uebereinstimmung mit der Probe versichert hat,
Schuten wieder abgeholt. Sie geht vielleicht nach Norwegen oder Russland
>. 0 Passirt die Elbemündung von Neuem, ohne den Grünröcken, die an den

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b,

»ausgängen Wache halten, ihren Zoll bezahlt zu haben. Bleibt sie ir

Studium der Kaftee - Course im Terminhandel.

Deutschland, so passirt sie zunächst das Zollamt, und die gcleistete Abgabe
macht sich als Preisaufschlag in ihrem späteren Lebenswandel bemerkbar. Und
dann per Dampf in’s Innere des Landes, in die Speicher eines grossen Colonial-
waarenhändlers, in die mächtigen Trommeln einer Dampfrösterei, wo sie ihren
braungelben Lackglanz, ihren starken Duft erhält. Oder auf dem Wasserwege
die Elbe aufwärts, zu neuen Stationen des Zwischenhandels.

Aber was sind jene mächtigen, rothen, fabrikähnlichen Gebäude, die am
oberen Hafenwerk mit so fragendem, verschmitztem Lächeln auf unsern Trans-
port niedersehen? .Unsere Waare ist rein — neue Pforten passirt sie nicht, wie
so manche andere gute, aber schlecht versandte Ladung, die erst hier in der
Verleseanstalt eine Art Kur durchmachen muss, um von grossen Maschinen
amhergeschwenkt, von den Händen alter Frauen durchklaubt, von Steinchen,
Pflanzentheilen und anderem Unrath befreit zu werden, auch von jenen schwarzen
Bohnen, die vet'dorben und krank sind.

Wie der meisten Dinge in der Welt hat sich die Speculation auch des Kaflfees
bemächtigt. Ein Differenzgeschäft entsteht, wenn die Waare gar nicht wirldich
geliefert und abgenommen wird, sondern man sich auf die Herauszahlung des nach
dem Unterschiede zwischen dem verabredeten Preise und dem Courswerth der
Waarenmenge berechneten Geldes einigt. Solche Geschäfte lohnen natürlich nur,
wenn die Waarenmenge bedeutend ist, und so ist die Umsatzeinheit für den Termin-
handel grundsätzlich auf 500 Sack festgelegt. Die Berechnungen von Gewinn und
Verlust, die gegenseitigen Abrechnungen und Herauszahlungen geschehen durch die
Waarenliquidationscasse. Wer sich mit der Differenzabwicklung nicht begnügt, lässt
sich die Waare cediren, und es geschieht oft, dass Jemand tausende von Säcken
verkauft hat, ohne einen zu besitzen, weil er die Abschlüsse für Diflferenzgeschäfte
hielt, und der nun, wenn die Contrahenten Lieferung verlangen, die Waaren
selbst erst zu extrahohen Coursen zu kaufen gezwungen ist, so dass er bei
solchem Geschäft Kopf und Kragen verliert. Da aber in den meisten Fällen
nur Dififerenzgeschäfte beabsichtigt sind, glauben auch begüterte Leute, tief
drinnen im Inland, durch Hamburger Vertreter in Kaffee speculiren zu können,
ohne zu bedenken, dass die Coursbewegungen doch nicht blos vom Zufall ab-
hängen und dass zu ihrer Vorausberechnung Kenntnisse, Nachrichten und
persönliche Verbindungen unbedingt nothwendig sind.
 
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