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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Kirchbach, Wolfgang: Der Wein, [10]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0469

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3^2

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em.

Roman von Wolfgang Kirchbach.

[Fortsetzung.] ' 4 ''

[N'achdriick verboten.]

Siebentes Kapitel.

^MFn Spurmann’s Weinbergen war man schon früh geschäftig. Den
Anordnungen Horst’s gemäss brachten mehrere Arbeiter, die zum
Schweigen verpflichtet waren, durch Hinterpforten und aus verschlossenen
Winzerhäusern grosse Massen von Trauben in vollen Bütten in den Berg.

Allmählich aber wunderten sich diejenigen, welche Horst eingeweiht
hatte, dass der Urheber des Planes selbst nicht kam, um dieses ganze
heimliche Getriebe zu überwachen. Man erwartete Anweisungen, und da
sie ausblieben, traten die Eingeweihten zusammen, um nach Horst zu
schicken. Einer machte sich auf nach seiner Wohnung, er fand ihn nicht:
er frug in dem Comptoir nach, auch hier wusste man nicht, wo der Mann
geblieben sei. Er kehrte ergebnisslos in den Berg zurück, als gerade eine
von den Leserinnen mit entsetztem Wesen auf einer Weinbergstreppe
herabkam und schreiend verkündete, in dem Tannendickicht oben unter
dem Felsen liege ein todter Mann.

Die es hörten, liessen ihre Bütten und ihre Traubenfässchen stehen,
stiegen und liefen hinauf, sammelten sich vor dem Dickicht und drangen
hinein. Liebezeit, der Winzer, welchen Horst am tiefsten eingeweiht hatte
in die Pläne und Absichten Spurmann’s, erkannte auf den ersten Blick,
dass ein Mord vorlag. Die Leiche wurde aufgenommen und herausgetragen,
um zu untersuchen, wie es geschehen war. Ein Mann wurde nach der
Ortspolizei geschickt, um sogleich den Thatbestand festzustellen; alle be-
trachteten mit einem Schauder den Todten in seiner Bacchusvermummung.

Liebezeit selbst, ein Mann in mittleren Jahren mit einem blonden
Knebelbart und einem sehr verschwiegenen Wesen, machte sich auf, um
dem Geschäftsherrn das erschreckende Ereigniss zu vermelden.

Er traf Spurmann im Comptoir, meldete sich und sagte:

„Herr Spurmann, wir haben soeben den Winzer Horst in seinem
Blute gefunden. Es liegt jedenfalls ein Mord vor, aber man hat noch
keinen Anhalt, wie es zusammenhängen kann.“

Spurmann musste sich am Stuhle anhalten; dieses Ereigniss in einer
so gefährlichen Zeit drohte ihn zu betäuben; er vermochte kein Wort zu
sprechen. Wenn er eine Art Erleichterung spürte, dass er mit einem
Male cines gefährlichen Mitwissers seiner Geheimnisse entledigt war, wenn
er eine Art von ausgleichender Gerechtigkeit empfand, dass der Mann ein
so jähes Ende gefunden hatte, der ihm so unberechenbaren Schaden zu-
gefügt, so gesellte sich doch im gleichen Augenblicke dic unheimliche
Sorge dazu, wie die begonnene Schmuggelei ohne Aufsehen zu Ende gc-
fiihrt werden sollte. Der Geschäftsherr vermochte kein Wort zu sprechen.
Endlich frug Liebezeit beklommen:

„Soll man vielleicht die Leiche hierherbringen?“

„Schaffen Sie sie zum Teufel, ich mag ihn nicht sehen, kein Mensch
soll ihn mir vor die Augen bringen!“ sprach mit unterdrückter, aber wilder
Stimme der alte Mann.

„Und wie wird es denn mit dem, was der Herr Horst noch bei Lcb-
zeiten angeordnet hat?!“ frug Liebezeit lauernd.

Spurmann fasste sich und nahm alle Kraft zusammen. Er sah den
Mann fest an und frug mit einem langen Blicke:

„Angeordnet? Was denn?!“

„Nun, so allerhand Heimliches —! Ich dachte, der Herr Spurmann
wüssten —!“

Spurmann sagte langsam: „Heimliches? Ich weiss von Nichts. Aber
wenn mein Oberwinzer etwas angeordnet hat, so führen Sie nur alles so
aus, wie er es eingerichtet hat. Es ist wegen der Thätigkeit des Geschäfts-
betriebes.“

Liebezeit verstand. Er sagte kein Wort weiter und empfahl sich, um
die weitere Anordnung der Sache selbst in die Hand zu nehmen. Er
hoffte, es würde schon der Tag kommen, wo der Geschäftsherr sich dank-
bar erweisen würde.

Er war kaum fort, als Spurmann seinen Stock und Hut nahm und
sich auf den Weg machte, um mit dem Manne zu sprechen, von dem er

sich allein Rettung versprechen konnte für die Zukunft, dem er allci' 1
wagen wollte, sich anzuvertrauen und seine Lage darzustellen, zu Rüdig-

Er trat in das Pressgewölbe, wo Rüdig mit der Stampfkeule stand
und in den hochgestellten Traubenzucker hineinstampfte.

Er war so eifrig in dieser Thätigkeit, dass er die Begrüssung Sp ur‘
mann’s erwiderte, ohne sich zu unterbrechen.

„Verzeihen Sie, Herr Spurmann,“ sagte er, „bei mir geht es jetzt
scharf her. Wir haben Tag und Nacht zu thun. Wenn es so fortgehh
habe ich heuer hundert Eimer; das will bewältigt sein und ich brauch e
neuen Wein in den Keller.“

„Ich komme eigentlich, um Ihnen gleich lhre ganze Ernte und Ihreü
Most abzukaufen, Herr Riidig, begann Spurmann. Da sind Sie’s mit einen 1
Male los und haben auch gleich Ihr Geld.“

Rüdig hielt im Stampfen inne. Er blickte den Weinhändler gross aü-
Aber er verstand sofort; er wusste ja, dass dieser heuer nur wenig eigeneü
Wein hatte!

„Ja, sagte er, das wird kaum gehen; ich muss wenigstens einen Thed
selbst behalten und im Keller auf Zinsen legen; es ist noch besser al s
Staatspapiere. Aber die Hälfte, die will ich Ihnen zu gutem Preise wohl
abgeben, wenn er erst reif ist. Den Most gebe ich nicht her.“

Spurmann nrachte ein hohes Anerbieten, schon um Rüdig für sein e
anderen Zwecke zu gewinnen, und Rüdig schlug schnell in den Hand^
ein, da es ihm lieb war, auf diese Weise gleich auf einrnal ein gut Stück
baar Geld in's Haus zu bekommen.

„Es ist aber alles wieder gut zu machen,“ sagte Spurmann. „Wenn
ich einmal so handeln muss, wie ich nicht möchte, so brauche ich eS
doch nicht immer zu thun, ich kann’s wieder gut machen. Glauben Si e>
dass ein guter Winzer meine Weinstöcke wieder in die Höhe bringc' 1
kann, dass ich wieder eigene Ernte habe? Herr Riidig, glauben Sie dara' 1
und würden sie vielleicht der Mann sein, der wenigstens auf ein Jal"

, o

meine Winzerei übernimmt und versucht zu retten, was zu retten i st'
Ich biete Ihnen, was Sie wollen.“

Nach einigem Ueberlegen reichte Rüdig dem Weinhändler die Hand-
Er achtete ihn schon um der Art willen, wie er sich in seiner schwierig e|1
Lage ein Gewissen machte. Er sagte:

„Herr Spurmann, ich getraue mir wohl, Ihre Berge wieder in die Hök e
zu bringen. Aber Sie müssten mir ganz freie Iland lassen. Dafür
ich auch nichts von Ihnen nehmen, denn ich weiss ja nicht, ob es geling 1'
wenn Sie einmal wieder ernten, dann kann man vielleicht über dies eI1
Punkt sprechen.“

In Spurmann’s Antlitz strahlte eine helle Freude auf. Diese Hoffnü 11."
belebte ihn mächtig; er sah einen Weg vor sich, wo er alles wieder g üt
machen konnte.

Man trank ein Gläschen Most auf das gute Gedeihen dieser Veral'
redung. Erst ganz zuletzt erfuhr Rüdig von dem schrecklichen En 1^
des Winzers Horst Spurmann vertraute Rüdig sogar noch an, dass cI
einen Plan zum Herbeischaffen der fremden Trauben gemacht habe. Sp l"
mann glaubte dem Manne volle Offenheit zu schulden, der so uneig e|1
nützig ihm seine Kraft zur Rettung seiner Berge schenken wollte.
frug, ob Rüdig sich den Todten noch einmal ansehen wolle.


„Auf keinen Fall,“

sagte dieser:

„erstens kann ich hier von meii T

en

Arbeiten nicht fort und zweitens möchte ich auch nichts von alledem seh el1
dieser Horst ist nrir mein Lebtag unheimlich gewesen.“

Spurmann ging mit hoffnungsvollerem Herzen wieder heim. Auch 1 r
vermied etwas zu sehen und zu erfahren von dem, was weiter mit H (' ,:’
geschah. Er war voll von neuen Entwürfen und Rechnungen zur Rettu 11"
seines Geschäftes.

Achtes Kapitel.

Der Winter war friih hereingebrochen, starker Schneefall war

üb er

das Stromthal und seine Berge niedergegangen, ein weisser,

wei c

h e!
 
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