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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Kirchbach, Wolfgang: Der Wein, [10]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0470

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MODERNE KUNST.

383

Schneemantel lag dicht über den Spurmann'schen Weingütern und über
Rüdig’s Berg.

Spurmann hatte, vertrauend auf Rüdig’s Hoffnung, dass es ihm ge-
üngen werde, die Weinberge selbst im nächsten Jahre wieder in die Höhe
zu bringen, sich in den letzten Wochen chemischen Studien hingegeben.

Als er mit seinen Studien zu einem bestimmten Ergebniss gekommen war,
lud er auf einen Nachmittag den Kellermeister und den Reisenden auf sein
Geschäftszimmer. „Nach langem Ueberlegen“, sagte er, „und in Anbetracht

Wege längere Wartezeit erfordert, — ein gutes Bouquet zu erzielen, so
habe ich mich hierin für die elektrische Methode entschieden.“

Er schwieg. Er hatte ein zuversichtliches Gesicht machen wollen und
konnte doch ein schwereres Athmen nicht unterdrücken. Müller sprang
mit einem lauten Bravoruf von seinem Stuhle auf, fing an vom Fortschritte
der Zeit und der Zukunft der Elektricität zu reden und den Geschäfts-
herrn zu diesem kühnen Entschlusse zu beglückwünschen, der die erhofften
Millionengeschäfte mit einem Male in Aussicht stellte. — —

der Lage unsres Geschäfts, welches gebieterisch eine Steigerung des Um-
satzes verlangt, habe ich beschlossen, heuer auf wissenschaftlichem Wege
die beginnenden Jungweine in unseren Kellern einer früheren Reife entgegen-
Zuführen. Ich schicke gleich voraus, dass selbstverständlich nichts Un-
^rlaubtes gethan wird, sondern nur die von Herrn Müller früher gemachten
^orschläge angenommen werden. Wir werden, 'wenn der rechte Zeitpunkt
gekommen ist, die Mehrzahl unserer Fässer und Stücke durch Hausenblase,
je nachdem durch Eiweisszusatz zu einer rascheren Klärung führen. Da
es aber vor allem auch gilt — was bei unsren Weinen auf dem natürlichen

Marianne Spurmann sass zur selben Zeit in ihrem Mädchenzimmer
und las in einem Bändchen Gedichte.

Dieses verstohlene Bacchanal hatte Marianne ein Weilchen mit dem
grössten Behagen gefeiert, als ihre Empfindungen plötzlich durch Desire
Müller’s Eintritt aufgestört wurden.

„Darf ich eintreten?!“ frug der Reisende lächelnd und zurückhaltend.

„Sie haben gewiss viel zu erzählen von Ihren neuesten Abenteuern in
Ungarn und England, denn da waren Sie ja doch zuletzt?!“

„Ich bin wie ein Blitz im Zickzack über die Landkarte von Europa
 
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