Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

DOI article:
Kirchbach, Wolfgang: Der Wein, [10]: Roman
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0471

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
384

MODERNE IvUNST.

Rob. Warthmüller. Lustiges Paar.

weggefahren. Ein paar Tage in Budapest, um Kisfaludy & Co. einen
Besuch abzustatten, die wieder einen grossen Posten bestellt haben. Dann
via Wien, Berlin, Hamburg nach London, wo ich die Entdeckung machte,
dass Jenkins Brothers, eine sehr angesehene Weinhandlung, der ich das
nie zugetraut hätte, massenhaft unsere alten Flaschen mit den Etiquetten
benutzen, um leichtere Weine darauf abzufüllen und als Spurmann’sche
Hochgewächse zu verkaufen. Das Zeug schmeckt nicht einmal schlecht,
sie verbessern ihre Weine dadurch. Unsere Fässer benutzen sie natürlich
schon lange, um ihre Sachen darauf abzufüllen“.

Als er geendet hatte, frug er ein wenig selbstgefällig: „Nun, was
sagen Sie von mir, Fräulein Marianne?!“

Marianne betrachtete ihn einen Augenblick mit innigem Vergnügen.
Dann platzte sie auf einmal heraus: „Sie sind ein köstlicher Kerl!“

Müller fuhr etwas abgefrischt zurück. Marianne wurde feuerroth, es
war ihr so herausgefahren.

Nachdem Müller sich gefasst hatte, wollte er die Sache schnell von
der humoristischen Seite fassen, zudem er aus den Worten mindestens
empfand, dass sie dabei von einer plötzlichen Verliebtheit erfasst sein
musste; er sagte, indem er sich erhob:

„Dieser köstliche Kerl, mein Fräulein, hat übrigens die Ehre, Sie hier-
mit ganz ergebenst um Ihre Hand zu bitten, damit Sie ihm möglichst oft
noch viel grössere Zärtlichkeiten sagen können.“

Marianne sah ihn starr an. Dann platzte sie mit Lachen heraus.
„Meine Hand v/oller. Sie ?! Heirathen wollen Sie mich? Frau Müller soll
ich werden?! Ich eine FrauMüller! Als ob es nicht schon genug Müller-
frauen auf der Welt gäbe!“

Sie lachte von Neuem und konnte sich nicht über den komischen
Gedanken beruhigen, dass sie eine Müller werden solle. Für ein feines
Ohr aber klang aus diesem Lachen eine ganz klare Seligkeit heraus, gar
nicht Spott, sondern Lustigkeit, dass sie den Mann bekommen sollte.

Müller’s Ohr hörte das nicht sogleich. Er fühlte sich verletzt. Er
trat zurück und sagte:

„Ich meine, ein ehrlicher Heirathsantrag sollte für eine Dame ein e
Sache sein, die man —“

„Die man sehr ernst nimmt“, ergänzte Marianne mit einer lächelndeü
Verneigung. „Ich glaube, ich habe Sie so beleidigt, dass ich es nur da-
mit gut machen kann, dass ich Sie nehme. Aber in diesem Augenblicke
weiss ich es wahrhaftig noch nicht. Nein, welch’ ein Mensch! Der wiU
mich zur Frau haben!“

Das Letzte sagte sie mit grösstem Erstaunen über ihn und sich selbst-

„Die Versicherung meiner Liebe —“ stammelte Müller.

„Ist selbstverständlich!“ ergänzte Marianne von Neuem. „Aber j etzt
machen Sie, dass Sie fortkommen. Mir so eine Ueberraschung zu bereiten!“

„Mein Fräulein, auch ein Weinreisender ist ein menschlicbes WeseOi
das eine gewisse humane Behandlung verlangen darf und somit habe ic* 1
vor der Hand die Ehre —“

„Habe gleichfalls die Ehre“, sagte sie etwas schnippisch. Er ginS
und setzte seine erneute Abreise schon auf den Abend fest, in einer zient'
lich schnöden Stimmung über den Korb, den er nach so vielen Hoffnung e[1
und Plänen von einem coquetten und hochmüthigen Mädchen glaubte
erhalten zu haben. Marianne aber, als er fort war, und sie sich etwas
beruhigt hatte, setzte sich mit stillem Lächeln an’s Fenster, träumte el11
Weilchen, huschte an ihren Schreibtisch und begann zu schreiben. S> e
dichtete, und dieses Gedicht trug die Aufschrift: „An Desire M.“ —

Wenige Tage später weilte Müller in einem feineren Speisehause def
alten Königstadt Reims, unweit der Cathedrale in Gesellschaft mehrerer
anderer Weinreisender aus aller Herren Ländern.

Da wurde er durch den Hötelkellner unterbrochen, der ihm auf ein er
Platte einen eben angekommenen Brief überreichte. Müller erbleicht ei
seine Hände fieberten, als er das Schreiben eröffnete. Er erkairn te
 
Annotationen