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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0247

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157


Die Apotheose Gounods.

s>ch auf die Stuhllehne stützt.
ünd tragische Masken.

(S5/ie grosse Oper
*® in Paris hat
die tausendste
Aufführung des
Faust von Gou-
n o d glänzend ge-
feiert. Den Schluss
der Vorstellung bil-
dete eine Apotheo-
se des Componi-
sten, für die der
Bildhauer Falguie-
re eine Gipsgruppe
im grossen Stil ent-
worfen hatte. Ein
geflügelterRuhmes-
genius führt mit der
Rechten eine Po-
saune an die Lip-
pen, während er
mit der Linken eine
Leyer auf die Flüfte
stützt. Gounod sitzt
in einem Ueber-
wurf, der die bei-
den Arme und die
linke Schulter frei
lässt, auf einem
thronartigen Sessel.
Die rechte Hand
hängt lässig herab,
während die Linke
Zu den Füssen des Meisters lehnen komische

Wer Italien als das Land der Vergangenheit betrachtet, befindet sich in
einem verzeihlichen, aber darum nicht minder augenfälligen Irrthum. Das Italien
Unserer Zeit ist modern durch und durch. Der Sinn für das Schöne ist dort
"'eit verbreitet und knüpft am liebsten an die neuesten Kunstschöpfungen an.
Der Sicilianische Kärrner ist nicht nur musikalisch, er hat auch eine aus-
Sesprochene Vorliebe für das Scenische der Oper. Sein mit einem Maulthier
^espannter Karren ist mit grellen Ornamenten bemalt und trägt an seinen Seiten-
flächen Darstellungen aus den neuesten Opernaufführungen. Wenn sein Fuhr-
werk aui der sonnenbeglänzten Landstrasse dahinfährt, erinnert es trotz seiner
Praktischen Bestimmung an den antiken Tespiskarren.

Ein Madrider Stiercirkus bot jüngst eine Nummer von ganz besonderem
Interesse. Ein Stier von ausserordentlicher Stärke und Wildheit musste sich
rtlit einem afrikanischen Löwen des Madrider Thiergartens messen. Das Schau-
Spiel fiel nicht so aufregend aus, als man hätte erwarten können. Der Löwe
äämlich benahm sich sehr schlecht. Nachdem der mächtige Nacken des Stieres
ätit zwei Paar Fahnspiessen gespickt worden und man annehmen konnte,
'iass der Stier genügsam aufgehetzt war, wurde der Löwe in die Arena gelassen.
Der Löwe empfand ein sichtliches
^nbehagen auf dem weiten Plane.

^achdem er, gegen die Planken der
^mzäunung gedrückt, einige Minuten
eigenthümlicher, duckender Stel-
'ung verharrt, sah man ihn sich
Uniwenden und im Sande herum-
Scharren. Der Stier hatte sich An-
* angs um seine Anwesenheit nicht
Sekümmert, als aber der Löwe, aus
alter Gewohnheit wahrscheinlich, ein
ftarkerschütterndes Gebrüll ausstiess,

^emerkte er ihn. Der Löwe bekam
eme heilige Angst und duckte sich
'mmer tiefer in den Sand. Der un-
^ändige Stier rannte mit gesenktem
^aupte auf den angsterfüllten Löwen
Der Wüstenkönig nahm mit einem
' Veiten Sprunge Reissaus. Der Stier
Setzte ihm nach, erreichte ihn und
8ab ihm einen Hornhieb. Das war Sicilianischer

dem Löwen denn doch zu viel. Der Schmerz machte auch ihn wüthend; erwandte
sich blitzschnell um und schlug die Pranken nach den Augen des Stiers. Der Stier
machte eine geschickte Seitenbewegung, was jedoch nicht verhinderte, dassderLöwe
ihm ein handgrosses Stück Fell vom Hals riss. Der Löwe war nun wild geworden
und stand niit flammenden Augen und hocherhobener Mähne zum Sprunge bereit.
Der Stier hatte sich etwa drei Meter von ihm zurückgezogen und erwartete mit
gesenkten Hörnern den Angriff. Ein Sprung und der Löwe sass auf dem Nacken
des Stiers, aber dieser schüttelte ihn sofort ab und nahm ihn auf die Hörner,
um ihn etwa fünf Meter hoch wie einen Spielball in die Lüfte zu schleudern. Der
Löwe fiel wie ein Mehlsack auf die Erde und ehe er sich wieder erheben konnte,
rannte ihm der Stier eines seiner meterlangen Hörner durch den Leib.

Coloratursängerinnen, die über das Niveau der Durchschnittsleistungen
hinaus kommen, sind seltene Erscheinungen. Clara Stolzenberg ist aus
der Schule ihres Vaters hervorgegangen, des Tenoristen Benno Stolzen-
berg, der eine Professur am _ Conservatorium der Musik in

Köln bekleidet und dort seit \ neun Jahren als Lehrer des

Solo-Gesanges und der / n, Opern-Schule thätig ist.

In Karlsruhe, wo Herr 7 \ Stolzenberg 15 Jahre

dcm Künstlerverban- Bb Jl \ de der I Iofoper an-

gehörte, erblickte \ die begabte Toch-

ter das Licht der \ Welt. Schon mit

vier Jahren sang die Kleine die

Arie aus dcm Freischütz. Als

neunjährigcs Wr \ Mädchen er-

warb sie sich <■**!$ i den ersten

Lorbeerkranz Ä,- -gt- ' auf einem

Concerte in % Karlsruhe,

burg, Magdcburg. Brcs- L-^Ra iqqfc ^ lau und Düsseldorf —

zu Theil wurden. Auch 3*^ dort, wo sie gastirte —

in Bayreuth stellte sie das erste Blumenmädchen dar —

und in Concerten mitwirkte, Clara Stolzenberg. brachte man ihr die wärmsten
Sympathien entgegen. An dem Abende, an welchem

sich ihr Vater durch ein grosses in der Berliner Singakademie veranstaltetes
Concert vom Publikum verabschiedete, errang sie durch ihre Leistungen,
namentlich durch den graciösen Vortrag der Chopin’schen Mazurka „La coquette"
einen grossen Erfolg. Die Stimme der Sängerin ist nicht hervorragend kräftig,
aber sehr wohlklingend, gut geschult und von bedeutendem Umfange; drei Oc-
taven (von der Contra Altlage bis zum höchsten Sopran) beherrscht Fräulein
Stolzenberg mit spielender Leichtigkeit. Die junge Dame hat in Bayreuth jeden-
falls bewiesen, dass ihr Organ gewaltige Räume zu füllen vermag, und wenn

ihr vielleicht die Beanlagung für das
Hochdramatische des Wagnerstils
fehlt, so ist dagegen ihr auf das
Lyrische zugeschnittenes Repertoir
ein ausserordentlich reichhaltiges.
Voll und rein sprudeln die Töne
hervor und zeigen auch in den
obersten Lagen nicht die Schärte,
wie sie hohen Sopranen oft eigen
ist. Technisch vollendet sind die
Coloraturen, dabei weich und gefühl-
voll; eine seltene musikalische Auf-
fassung weiss die gesanglichen Figu-
ren in ihrem Gesammtbilde sowohl
als auch in den einzelnen Tönen
entsprechend zu charakterisiren.
Als „Dinorah“, „Regimentstochter“,
„Philine“, „Lucia von Lammermoor“,
„Elvira“, und „Nachtwandlerin“ feiert
Clara Stolzenberg ihre Triumphe.
Frachtkarren. Natürlichkeit und Feinfiihligkeit sind

IX. 10 IV.
 
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