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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Dincklage-Campe, Friedrich von: Husarenstreiche: Reiterskizze
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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [4]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0149

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54

MODERNE KUNST

geführt wurde. Dann, bei der Eingangsthür, lenkte die Reiterin direkt
auf die Mitte zu. Ein kurzer Zuruf, ein pfeifender Schlag mit der Peitsche
durch die Luft, und mit voller Kraft hob sich die Stute, um sicher
drüben zu landen. Ein paar Schritte schlitterte sie noch vorwärts, aber
von allen Seiten kam man zu Hülfe — aus alier Kehlen erschallte das
wohlverdiente „Bravo“. Als aber jetzt die Gräfin sich aus dem Sattel
scliwang, da zeigten sich unter dem langen Reitkleide ein paar recht
echte Husarenstiefel und — es mochte eine, Liebhaberei sein, dass die
„Gräfin“ einen Herrensattel ritt. Der alte Herr aber blieb seiner Rolle

treu, „Sie haben mich besiegt durch Ihre Kunst, durch Ihren Lieh ,

r llgfl ^

sagte er galant. — Die „Gräfin“ aber liess ihren Schleier ta

zeigte das jugendlich-bartlose Gesicht des jiingsten Lieutenatits

Regiments. „Husarenstreiche!“ klang es von den frischen LipP eI1'

die Hacken klappten vorschriftsmässig zusammen. e<l

Der alte Herr hatte inzwischen durch seinen jiingsten den

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bestellen lassen und er fuhr ab, wenn auch unter allgemeinem r . <
von einem Tusch der Trompeter uncl einem allgemeinen »^ ul
begleitet.

ungerloos.

~iV& TSCf)

Humoristischer Roman von Heinrich Vollrat Schumacher.

[Fortsetzung.]

^ah, wozu sie. ihr zurückbringen und ihr wahrscheinlich wieder
|j|| eine Thränenfluth entlocken? Mögen sie da bleiben, wo sie
sie hingestellt hat! Denn wenn sie denkt, dass ich sie an-
rühren werde — nicht eine einzige, Frau von Rocholl! In
drei Teufels Namen, nicht eine einzige!“

Die Schritte kehrten zum Tische zurück, ein Stuhl krachte und der
Löffel klirrte gegen den Teller. Frau Amalie athmete auf.

„Er ist an der Graupensuppe!“ flüsterte sie. „Er isst sie gern süss
und mit viel Pflaumen. Ich habe aber absichtlich nur ganz wenig daran
gethan und etwas mehr Salz als gewöhnlich genommen. Er wird durstig
werden und —“

„Heiliges Milliarden!“ unterbrach Winand's Stimme sie von drinnen.
„Versalzen, als wenn sie 'ne verliebte Köchin wäre! Aber wenn Du
glaubst, Frau Amalie, dass ich darum auf die Erdbeeren hereinfalle . . .
wahrhaftig, alles prima Qualität! Und ein Geruch —! . . Eins . . zwei . .
drei . . vier . . .“

Otti hielt mit Mühe einen leisen Aufschrei des Schmerzes zurtick.

„Au, Mama! Du kneifst ja!“

Frau Amalie hörte jedoch nicht; im Gegentheil, sie presste ihre Hand
noch fester um Otti’s Arm, und aus ihren Augen strahlte eine fast diabolische
Freude.

„Er zählt sie, Otti! Er zählt sie! Und wenn er sie erst zählt . . .“

„Fünf! . . Sechs! . . Sieben! . . Acht! . . Neun! . . Bei Gott, ein
ganzes Dutzend netto! Verfluchte Verschw'endung! Na ja, nun sind sie
richtig in den Zucker hineingerathen! . . Müssen gewaschen werden, ehe
sie auf den Markt kommen! . . Werden natürlich ihr halbes Aroma ver-
lieren! . . Heiliges Milliarden, das Aroma! Der Duft! . . Oh! . .“

Eine Zeitlang blieb Alles still, ,dann richtete Frau von Rocholl sich auf.

„Noch einmal, Otti; Du willst zu ihm?“

„Ja, Mama!“

„Dann . .“ — sie drückte sachte und vorsichtig die Thürklinke herab;
— „jetzt! Er hat sie weg!“ Sie schob Otti hinein und machte die Thür
hinter ihr geräuschlos wieder zu. Und dann lehnte sie sich gegen die
Wand des Corridors und horchte mit angehaltenem Athem und schwerem
Herzen. Zwar hatte sie weder zwei gute Böcklein geschlachtet, noch die
Felle dieser Böcklein um Otti’s Hals und Hände gebunden, dennoch aber
kam sie sich vor wie weiland Rebecca, da sie den armen, alten, blinden
Isaak betrog und Jakob an Esau's Stelle zu ihm schickte, damit er
ihn segne.

„Papa!“ sagte Otti nach einer Weile leise.

Herr von Rocholl fuhr zusammen und warf etwas Kleines, Rundes
heftig auf den Teller zurück, das er eben mit Daumen und Zeigefinger
hatte zum Munde führen wollen.

„Aha! darum also die Erdbeeren!“ nickte er Otti sarkastisch zu.
„Sie sind nur ein wenig zu früh gekommen, Frau Amtsrichter! Sie sind
noch sämmtlich da, ein volles Dutzend! Wollen Sie sich vielleicht
überzeugen?“

Er deutete auf den Teller, und Otti sah, dass Mama sich verrechnet
hatte. Sie lagen noch vollzählig da im Zucker, ein Dutzend netto; er hatte
sie noch nicht weg gehabt.

[Nachdruck verbot e"

hohiU

•olL'

Ueber Herrn von Rocholl's hageres Gesicht ging ein ,e

Lächeln, dann nahm er den gefährlichen Teller zwischen zwei äu
Fingerspitzen, als wenn er von glühendem Eisen gewesen wäre, tll' D
in die entfernteste, dunkelste Ecke des Zimmers und setzte ihn d olt j
ein altes, wackeliges Büchergestell zwischen einen verrosteten Sp° rt1 ^
einen abgelegten Gummikragen, die daselbst im Verein mit einer Anl e1^^
zur Verbesserung der Schafzucht, dem einzigen Buche, welches d er
von Rochollshof, Templin und Amalienruh besass, seit ungemessen er

ein weltvergessenes Traumleben führten.

Dann kehrte Herr von Rocholl zu dem Tische zurück, an
hochaufgerichtet stehen blieb, die eine Hand fest in die Seite
mit der andern sich schwer auf die Platte stützend

de 111 e'

.este^;

• „reic^
wie ein sieg rc ,

Feldherr, der die bedingungslose Unterwerfung des gedemüthigten L el11

erwartet, in Eis gepanzert vom Scheitel bis zur Sohle.

An’

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„So!“ sagte er. „Und nun — was verschalft mir die Ehre, Frau
richter Martius?“

Otti sah zu ihm auf, und ihr ganzer, mühsam behaupteter Muth
liess sie.

„Ich . . . ich . . . ich wollte . . . oh, Papa, sei doch wieder g ul' p

ihm hm-

eseH'

„Nichts weisst Du!“ fuhr er auf und schlug dröhnend auf den

fis'

„Rede nicht! Siehst Du denn nicht, dass Du mich durch Deinen

bl^ 1

Widerspruch bis auf’s Blut reizest? Und nachher heisst's dann vVl£ , J

. i v'

der alte Rocholl ist ein Wütherich, ein Krakehler, ein Streithahn-
dabei bin ich ruhig wie eine Schlafmütze und geduldig wie ein Ln 1 ^

Anleitung zur Verbesserung der Schafzucht.

„Sage selbst,“ murmelte er dann plötzlich seltsam sanft, fast kl a&

eU 1

„bin ich Dir und Euch allen nicht stets ein liebevoller Vater

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ihn am Sprechen hinderte. Gleich darauf jedoch zuckte er wüthen'

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Sie schluchzte laut auf und machte einen Schritt zu
streckte gebieterisch abwehrend die Hand gegen sie aus.

„Ich bin gut!“ erwiederte er kalt. „Ich bin stets gut zu Dir g e"

Du scheinst das jedoch immer noch nicht einzusehen. Denn W ellU ,^t
mich bittest, wieder gut zu sein, so liegt darin ein Vorwurf, als
es einmal nicht gewesen wäre. Es wird daher von Vortheil seiht
Verlauf der Sache kurz zu recapituliren, darnit —“ p

Nie zuvor hatte Otti ihren Vater in diesem Tone reden hörefl-
schnitt ihr in's Herz.

„Ich weiss es ja, Papa!“ schluchzte sie. „Und Erich

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— Er verliess seine imperatorische Stellung am Tische und durchm^ ^
heftigen Schritten das Zimmer. — „Ja, wie ein Lamm! denn iel 1 ^
es mir fest vorgenommen; ich will ruhig sein, ich will rnich nicht
ärgern, zum Donner! Aergere mich also nicht, Mädel, sonst —“ e(

Er hatte seine Hand drohend erhoben und es nicht gemerkt, ^ p
in die dunkle Ecke am Büchergestell gerathen war, von welchei 11
starker aromatischer Duft zu ihm emporstieg. Unwillkürlich blieb e1 ^
stehen und sog den Duft begierig ein. Und seine Hand sank U 11^ ^
herab zu dem ven’osteten Sporn, dem abgelegten Gummikragen 011

di

Habe ich es Euch jemals an etwas fehlen lassen? Habt Ihr ein
Mal wirklich gehungert? Tag und Nacht habe ich . . .“

Er konnte nicht weiter, wie wenn ihm etwas in der Kehle steckt e' .
 
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