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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Dincklage-Campe, Friedrich von: Husarenstreiche: Reiterskizze
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MODERNE KUNST.

53

t{

^ tngeben von den Husaren sass er jetzt bei Cafe und Cigarre im

llchzimmer. Man hatte noch eingehend die heutigen Manöver be-
^ l0chen, deren vortreffliche Leitung bewundert.

’J a, ja,“ sagte der alte Herr, den weissen Schnurrbart streichend,
( lnuss anerkennen, dass zu meiner Zeit wir auch keine rechte Idee
11 d^' 1 WaS man riclll;1£’ er Eintheilung von Zeit und Kraft vom Pferde

vom Reiter verlangen kann. Anstrengungen, wie sie heute gefordert
"'üfden,

»>ch

recht
Ei

tlero-

hätte man für unüberwindlich gehalten und — es ist gewiss
Uützlich, dass auf Distanzritten Geist und Körper in ungeheurer

Schr.

§ le zusammenwirken, um die Anforderungen immer mehr hinauf zu
auben — aber.“

J- r brach ab und sah sich fragend um.

„Aber?“ wiederholte der älteste seiner Söhne, ein schlanker Premier,

" Verschweig uns Dein „Aber“ nicht.“

»Kinder!“ fuhr der Alte nach einigem Besinnen zögernd fort, „Kinder,
i

j. lst, als ob über all das Streben und Arbeiten etwas von dem jugend-

" llen Uebernruthe, von der Freude am Humor, von der Lust zum —

^ s°li ic]-, sagen — zu Husarenstreichen verloren ginge. Mein Gott,

s haben wir für kindliche Thorheiten gemacht!“

t>ie Officiere sahen sich etwas erstaunt an. „Wie meinst Du das
va

väter? «

fragte der jüngere Sohn.

»Kinder, ich habe nicht Böses gemeint — wisst Ihr, — nach Tische
I ha kommen so — so allerhand Jugenderinnerungen.“ Er lachte jetzt
K e‘ Uuf- »Ja wenn ich noch daran denke — damals — als der Graf
er2enburg der jetzigen Gräfin den Hof machte und wir alle uns be-
^en, den Widerstand der Schwiegermutter zu überwinden! Damals
‘ lchte nian noch Landpartien auf Leiterwagen. Nach den Ebersteinen
^ Qer Ausflug gewesen und wir hatten im Freien Picknick und Tanz.

Uunkelwerden sollte Aufbruch stattfinden. Wir Jungen wollten lieber

Ulit i

aen Damen bis zur Hauptstrasse gehen, — zu zweien, — aber die

G

r4fin

gab nicht nach — es war allerdings recht dunkel! So wurden

erin die Wagen bestiegen. Doch kaum hatte der Zug die Waldesdickung
e* cht, als das Fuhrwerk, auf dem die Gräfin und die Comtessen sassen,
Rad verlor und krachend niederstürzte. Der „Lüns“, der Vorstecker

eitr

vo» j

^ nas Rad, war

gegangen. Erst bei der Landstrasse wurde der „Lüns“ wieder-

rnsse

verloren und nolens volens wurde nun dennoch zu

Sef,

Ab

Unden, der bis dahin nothdürftig durch einen Holzpflock ersetzt wurde.

V

er derweile war auch der Vorstecker zum Herzen der Comtesse ge-
° nnen — der Zweck erreicht.“

Bravo!“ riefen die jungen Herren, unter denen eine geheimnissvolle
e’ chensprache schon seit einiger Zeit sich geltend machte.

h'as Casino befand sich in einem scblossartigen Gebäude, einem ehe-



'gen Kloster. Der alte Herr hatte bereits eine ganze Reihe seiner

r,nn

^bei

erungen zum Besten gegeben und fühlte sich offenbar behaglich

j. ei> als plötzlich unten im Schlosshofe Pferdegetrappel hörbar wurde.
te Offic


uUd

iciere — es waren auch die Reserveofficiere und einige Gäste
^ er Nachbarschaft eingeladen — stürzten an die Fenster. Draussen
es noch fast hell, wenn auch im Casino bereits Licht brannte.

»Ua kommen Graf und Gräfin Zehmen!“ tönte es vom Fenster her

8la;

ein Theil der Herren eilte dem Ausgange zu, den Gästen entgegen.

»Wer ist das?“ fragte der alte Herr, das vor im stehende Bowlen-

v. j 5 leerend. „Es kommen doch wohl keine Damen hierher?“ fügte er,

eicht im Halbgefühl, nicht mehr ganz sicher zu sein, hinzu.

»0, die genirt nicht, kömmt öfter aus der Stadt mit ihrem Manne

til;‘ er geritten. Etwas emancipirte Dame, aber vortreffliche Reiterin. —

geborene Russin, spricht sie gebrochen deutsch.“

I, ^ec alte Herr strich sich unwillkürlich mit der Hand über den Schnurr-
bart ,

’ Qann mit dem laschentuche über die Weste, — die Bowle hatte

§ etM,

träufe]t


und dann trat auch schon die Dame in den Salon, gefolgt

L,

estah » o

w c und trug das dunkle Reitkleid mit einem kecken Selbstbewusst-

e' n Ta ,

1Jer kurze Schleier am coquet etwas vornüber gesetzten Hütchen,
e den Glanz von ein Paar dunkelen Augen nicht zurückhalten.
aL reicl lte d em alten Herrn freundlich die behandschuhte Rechte,
Ani^^ Ser <^ urcl 1 seinen Sohn vorgestellt wurde, und mit jenem gutturalen
Jn8 und der tiefen Stimmlage der Slavinnen sagte sie lächelnd;
1 fiat mir schon gesagt, dass Sie unsere Husaren zu ernst fanden.

einer Wolke von Herren. Sie zeigte eine schlanke, ebenmässige

I)v. 4. II.

O, ich bin ganz Ihrer Ansicht, nicht genug „Uebermuth“ — viel zu ruhig!“
Sie begleitete ihren Ausspruch mit einem lebhaft ausgeführten Peitschen-
hiebe iiber das Reitkleid. „Von uns Frauen und Russinnen können
lernen, was Temperament heisst!“ Wiederum die begleitende Geste,
dass der alte Herr einen Moment zurückschrak. Doch es blieb ihm keine
Zeit zum Nachdenken. Bald sass die Dame neben ihm — sprach von
ihrem Hunde Almansor und ihrer Fuchsstute Butterfly, und als dem
Herrn die Leistungen dieser beiden etwas unglaublich erschienen, war sie
sofort mit dem „wetten wir“ bei der Hand. Alle Anwesenden nahrnen
den lebhaftesten Antheil an der Verhandlung, die Söhne des alten Husaren
nicht ausgeschlossen, und bald stand es im Wettbuche:

I. Gräfin Zehmen wettet, gegen Baron M., mit dem „Butterfly“ im
grossen Speisesaale über den gedeckten Tisch zu springen. Gegenstand:
25 Flaschen Sect.

II. Dieselben Componenten wetten: Der Gräfin Zehmen Hund Almansor
wird im Casinosaale dem Baron M. eine ,,Wahrheit“ aufdecken, Baron
M. wettet dagegen. Gegenstand: Ein Dejeuner in Berlin bei Hiller für
alle gerade dort anwesenden Husaren — vom Gewinner festzusetzen.

„Mit der Wahrheit tappe ich da etwas in’s Ungewisse“, meinte der
alte Herr beim Unterzeichnen, („das glaube ich“ flüsterte die Russin
heimlich dem Nachbar zu) „aber haben wir mal Muth, alter Husar!“ er-
munterte er sich selbst.

„Und nun zur Entscheidung!“ rief die Dame mit Entschiedenheit, —
„Ernst, ruf den Almansor!“ Sie richtete diese Aufforderung mit einer
solchen Entschiedenheit an den Grafen Zehmen, dass dieser — als ge-
horsamer Gatte — förmlich erschrocken aufsprang und hinaus eilte, um
unmittelbar darauf mit einem allerliebsten weissen Pudel zurückzukehren.
Die Gräfin liess das Thierchen einige, nebenbei landläufige Kunststücke
vollfiihren, iiber die Peitsche springen, auf den Hinterfüssen gehen und
dergleichen. Dann nahm sie eine ernste Miene an. „Und nun thue deine
Schuldigkeit — zeig mir den Mann, der am Husaren-LIebermuth zweifelt?“
Sie hätte eben so gut, wie sonst wohl, fragen können: ’,,Wo ist der
Civilist?“ denn der Hund setzte sich sofort vor den alten Herrn und
schlug laut an.

„Und nun Almansor, — liefere dem Herrn den Beweis, dass dennoch
der Husaren-Uebermuth nicht erstarb im Dienstesdrange!“ Der Ilund
ergriff den Zipfel eines Taschentuches, (soeben hatte es ein Officier
heimlich in die Tasche des Alten gesteckt, — Kunst war freilich nicht
dabei! —) und mit dem Tuche seines Herrn brachte Almansor ein
zierliches Billet in Form einer Säbeltasche — hier gewöhnlich
Tischkarte — zu Tage. Das Billet wurde dem alten Herrn feierlich
überreicht, und über seine Züge ging ein frohes Lachen, als er jetzt las:

,,Du glaubtest den Husarenübermuth verloren?

Nun soll er Dir nicht von den Fersen weichen!

Denn der Humor, den spottend Du herauf beschworen
Er zeige Dir nun in Husarenstreichen,

Was Du bezweifeltest: Dass die Husaren
Auch heut noch sind, was uns’re Väter waren!“

„Schwerenöther!“ stiess derAIte fröhlich lachend hervor, und heiter
nahm die Gesellschaft den Ruf auf: „Schwerenöther!“

Doch jetzt wurde die Aufmerksamkeit abgezogen, denn eben öffneten
sich die Thüren zum Esssaal und es zeigte sich in der Mitte des Raumes
ein völlig gedeckter Tisch — quergestellt. Ordonnanzen aber streuten
mit vollen Händen weissen Sand auf das Parquet. Natürlich drängte
Alles zum Schauplatz neuer Ereignisse.

„Es ist ein Unsinn vom heiligen Franz“ sagten wohl einige heimlich,
aber im Allgemeinen sah man mit Spannung dem Kommenden entgegen.

Jetzt wurde ein dumpfes Geräusch auf der Treppe hörbar, die Corri-
dorthür wurde aufgemacht. „Nur langsam Franz, — vorzüglich, — der
Butterfly macht das ja vortrefflich!“ Dann tauchte der Kopf der Gräfin
über dem Geländer auf — ein Pferdekopf dann, und im nächsten Augen-
blicke ritt die Dame die edele Fuchsstute in den Speisesaal, nach Art
der Kunstreiterinnen grüssend.

Es fehlte nicht an allerlei guten Rathschlägen, aber unbekümmert
führte sie den Fuchs an das Hinderniss. Das Pferd, dessen Hufe vorn
mit Lederschuhen versehen waren, beschnupperte den Tisch vertraulich,
zeigte auch keinerlei Erregung, als es jetzt einmal rings im Saale herum-
 
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