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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Stahl, Fritz: Polnische Kunst
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Kirchbach, Wolfgang: Der Wein, [7]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0425

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MODERNE KUNST.

337

liche Leben des Volkes
schildern, sondern mehr
auf das Genrebild aus-
gehen, das etwas novel-
listisch zugespitzt ist,
verdient an erster Stelle
Malczewski genannt
zuwerden.Sein „Traum
des jungen Künstlers“
gehörte zu den Haupt-
stücken der glänzenden
polnischen Abtheilung
der Berliner internatio-
nalen Ausstellung von
1891. Sein grosser Er-
folg war voll berechtigt.

Der Malerbursche, der,
während er geht, eine
Stube auszumalen, auf
einer Bank im Park sich
den Träumen an eine
glänzende Künstlerlauf-
bahn hingiebt, ist wun-
dervoll geschildert.

Peter Stachiewicz
gehört mit seinem er-
greifenden „letzten
Glückauf“ auch hierher.

Staehiewicz aber
führt uns zugleich auf
ein anderes Gebiet, auf
das Gebiet derTraum-
kunst. Vor ihm hat
von den älteren Polen
Henri von Siemiradzki
auf diesem Felde sich
bethätigt. Aber er hatte
bewusst verzichtet, in
der Kunst Pole zu sein,
er hatte sich den For-
men der antikisirenden
Romantik angeschlos-
sen, war Akademiker
geworden. Diejüngere
Generation ist auch
hier national geblieben.

So hat Stachiewicz in
einer Reihe von Gri-
saillen die polnischen
Volkssagen von der
Mutter Gottes erzählt, wie die Gütige den Brautleuten Kränze windet, die
erlösten Seelen zum Paradiese fiihrt, wie sie die jungen Lerchen vor dem
Habicht schützt. So hat Mankowski, nach Uhde’s Vorgang, die M-adonna
in ein junges polnisches Weib verwandelt, die unter dem Blüthenbaum auf
blumiger Wiese das Kind in den Schlaf wiegt. Und Pruszkowski führt uns mit
feinfarbigen Pastellen in die Welt der polnischen Märchen. Jan Owidzki lässt
auf seinem „Votivherz“ den Heiland, wenn auch nur als Erscheinung, einem
Menschenkind entgegentreten. —

Jedenfalls sind sie
alle nationaler, als
Siemiradzki, dessen
europäischer Ruf ge-
rade auf seiner Inter-
nationalität sich auf-
baut. Erhatdengrossen
Zug der Composition
und zugleich das bieg-
same Sichanschmiegen
an den Baum, das für
decorative Aufgaben
besonders befähigt. In
seinen Staffeleibildern
ist er ein wenig con-
ventionell, aber immer
farben- und lichtfroh.
Wo er sich mit bibli-
schen Stoffen beschäf-
tigt, hält er sich an die
durch die Tradition ge-
heiligten Idealtypen
und an den schön arran-
girten Faltenwurf der
Gewandung. Seine Auf-
fassung des Nackten
berücksichtigt zunächst
die schöne Linie und
den anmuthigen Fluss
der Bewegung. So sind
seine Bilder immer ge-
fällig, selbst wenn sie
sensationelle Motive
behandeln, wie die
Fackeln des Nero.

Die polnische Kunst
ist nicht leicht zu über-
sehen, ihre Meister sind
örtlich weit getrennt.
Obgleich Krakau eine
Akademie hat, seit Ma-
tejko die dortige Kunst-
schule zu diesem Range
erhob, ist es nicht ein-
mal für die österreichi-
schen Polen der Mittel-
punkt. Ebenso -wenig
wie Warschau für die
russischen. Die preus-
sischen treten weniger
hervor, sie sind doch wohl ein wenig mehr entfremdet. In London, in Paris,
in Miinchen, in Wien, in Berlin wohnen diese Künstler, zum Theil bald hier,
bald dort. Auf den grossen Ausstellungen aber treten sie gern als Gesammtheit
auf, und aus ihnen wissen wir, dass sie eine Gesammtheit sind. Für die Berliner
internationale Ausstellung von 1896 ist eine besonders starke Beteiligung geplant.
Dann werden wir vielleicht von dem Begrift' zu dem deutlichen Bilde der
polnischen Ivunst gelangen, die trotz ihrer Eigenart von allen Geschichtsschreibern
der modernen Kunst übergangen worden ist. —

W. Kossak. Molly, das Regimentspterd.

[Fortsetzung.) *

iidig, der nichts von den Empfindungen Marthas ahnte, sah mit stillem
Wohlgefallen ihre Eile, mit der sie seinem Rath gehorchte. Wenn die
heissesten Tage aui' den Berg herabbrannten, wenn die mühsamste Arbeit
zu verrichten war, immer war es ihm eine wohlthuende Empfindung, die
Schwägerin in der Nähe zu wissen, die so still und schweigsam ihre
Weinstöcke wartete und in der holden Fülle ihrer gereiften Formen selbst
einem jungen Weinstock glich, an dem die vollen Trauben hängen. Er
dachte mit warmer Liebe an seine Frau, die fast immer in der fernen
Stadt war, um mit den Erträgen ihres Berges zu handeln, und wenn er
so an die Entfernte dachte, die sich, wie sie Alle, mühte, so war ihm die

[Nachdruck verboten.]

Nähe der Schwester ein innerer Ersatz, eine Beruhigung, eine Milderung
in der strengen Arbeit. Er hatte selber nur einige hundert Thaler von
seinen Eltern ererbt, die drinnen im Lande eine kleine Gärtnerei besessen
hatten, auf der er aufgewachsen war. Er hatte Anna Leiser geheirathet,
welche gemeinsam mit Martha die Besitzerin des Berges war, den die
Töchter ererbt hatten; und weil er so in dieses Schwesternpaar und in
den Berg „hineingeheirathet“ hatte, war ihm die Nähe Martha’s selbst
zu einer Art von innerem Besitz geworden, der ihm die Arbeit ftir sich
und die Schwestern zu einem behaglichen Mühen machte.

„Sieh nur einmal, Martha,“ sagte er, indem er dem Mädchen eine

IX. 22. II.
 
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