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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Londoner Verkehrsleben: von einem Londoner
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0274

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MODERNE KUNST.

18c

oqdoner ^ierl^ehrsleben.

Von einem Isondoner.

WkW ictoria-Station ist das grosse allgemeine Thor, durch das
J sich der gewaltige Strom der Fremden in die englische

Metropolis ergiesst. Die ganze Umgebung trägt demgemäss eine Art
internationalen Charakters. Die Restaurants sind wenig elegant und
machen von vorn herein den Eindruck, als wären sie auf einen ganz
fltlchtigen Besuch eingerichtet, auf die Möglichkeit, sich kurz nacli
der Ankunft oder vor der Abreise für die bevorstehenden Strapazen
zu stärken. Die Fahrt durch deri Canal fordert stets ihre Opfer,
von der Seekrankheit muss man sich erholen oder sich für alle
Eventualitäten vorbereiten.

Das Treiben auf englischen Bahnhöfen unterscheidet sich wesent-
lich von dem auf dem Continent gewohnten. Es geht da nicht
weniger geschäftig zu, aber nicht so hastig und lärmend. Der Eng-
länder ist von Jugend auf dazu erzogen, sich in aller Stille selbst zu
seinem Rechte zu verhelfen. Er verlangt nicht bei jeder Gelegen-
heit Rath und Unterstützung vom Mitreisenden, oder gar von dem
berufsmässig in Anspruch genommenen Personal. Es ist charak-
teristisch für die Selbstständigkeit des Reisenden, dass er die Ver-
ladung seines Gepäcks selbst überwacht, keinen Garantieschein von
der Eisenbahnverwaltung verlangt, sich sein Eigenthum mit Hülfe
cines gewöhnlichen Packträgers selbst aus dem Waggon holt, und
dabei äusserst selten Verluste erleidet. Diese Selbstständigkeit des
Einzelnen macht ein ganzes Beamtenheer entbehrlich, ohne dass die
Ordnung darunter litte.

Einen monumentalen Eindruck macht Victoria-Station ebenso
wenig wie andere englische Bahnhöfe. Es ist ein Nützlichkeitsbau
aus Glas und Eisen, in dem durch das Dach und durch Seitenfenster
einfallendes Licht das unerlässliche Quantum von Helligkeit verbreitet.
Ein Wahrzeichen der englischen Stationen fehlt natürlich auch hier
nicht, der Bücherverkaufsstand von Smith & Sons. Achtung vor
diesen einfachen bis in das oberste Regal gefüllten Schränken! Sie
sind eine gewaltige Quelle der Volksbildung und haben besonders

Wartehaus für Droschkenkutscher!

Originalzeichnung von O. M a r c u s.

IX. 12. III.
 
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