Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

DOI Artikel:
Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [7]: humoristischer Roman
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0215

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
124


Jp Cl ö 30 tl il

O

as llungerloos.

! Iurnoristi.schcr Roman von Heinrich Vollrat Schumachcr.

[Fortsetzting.]

f*,ftrinnen entzündete der Phildoctor die alte Stalllaterne, die vor
jy/ jahresfrist auf unerklärliche Weise vom Rochollshof verschwunden
^ war. Der trübe Strahl brach sich an glitzernden Wänden und
seltsam abenteuerlichen Gebilden.

Die Teufelshöhle war die am meisten von der Volkssage bevorzugte
Tropfsteinhöhle der Gegend. Iri ihr hatte Raubritter Heinz von Rocholl
— ,,der rothe Teufel“, wie ihn seine Zeitgenossen nannten — seine Ge-
fangenen, geschundene Bauern, geplünderte Kaufleute und besiegte Ritter,
aufbewahrt. Sie sollte sich nach der Legende bis in die Keller seiner
auf dem nächsten steilen Berge gelegenen Zwingveste erstreckt und ihm
oftmals Gelegenheit geboten haben, seinen Feinden zu entschlüpfen oder
wie vom Himmel herabgestiegen plötzlich in ihrem Rücken zu erscheinen
und abergläubisches Entsetzen und wilde Flucht in die Reihen der Belagerer
zu jagen. Bei der endlichen Zerstörung der Burg durch die neu ein-
geführten Kanonen hatte man die Höhle entdeckt und dem Teufelsglauben
der Zeit folgend ihre Eingänge' verschüttet.

Vor ungefähr zwanzig Jahren erst war sie von dem jungen Fritz von
Rocholl, dem später verschollenen Stiefbruder des Besitzers von Rocholls-
hof, neu erschlossen worden, gelegentlich einer seiner Streifereien, von
denen dieser seltsame junge Mensch mit allerlei werthlosem Gerümpel,
wie simplen Feldblumen, trocknem Moos und schmutzigen Steinen beladen
zuriickzukehren pflegte. Ein grosser, verwitterter, braunrother, schwerer
Stein, den alle Welt seit Menschengedenken kannte, hatte seine Neugierde
gereizt. Bei dessen Ausgrabung war er auf das enge Loch gestossen, den
Eingang zur Teufelshöhle. Jubelnd hatte er zu Hause von seiner Ent-

[Machdruck verbotcn.]

deckung erzählt, aber Herr von Rocholl hatte die Achseln gezuckt und
es nicht einmal der Miihe für werth gehalten, in das Loch hinabzu-
steigen. Was kümmerten ihn Tropf- und andere Steine, aus denen j a
doch Niemand Brot zu machen vermocht für die vielen hungrigen Mäulef
um ihn her!

Und die Bewohner der Gegend, Bauern und Tagelöhner, gingen ui
weitem Bogen um das Teufelsloch herurn, aus dem ein so seltsamcf,
modriger Gcruch emporstieg, wie.von Blut und Leichen.

Und nun stiegen Leo uncl der Phildoctor nächtlicherweile zu den
Gespenstern einer gräuelvollen Vergangenheit hinab, um —

Um?

„Wir waren in unserer letzten Litteraturstunde bei Wilhelm Tell stehcn
geblieben, II. Act dritte Scene!“ sagte Doctor Hans Seegebusch, nachdem
er aus einem Winkel der Höhle einen mit Büchern gefüllten Kasten her-
beigeholt und geöffnet hatte. „Wollen Sie mir kurz den Inhalt des ersten
Actes recapituliren!“

Leo wehrte ärgerlich ab.

„Hören Sie auf. Ich habe heute absolut keine Lust zum Studiren-
Denn . . .“ Sie hielt zögernd inne. Sie fand keine Anknüpfung für das,
was sie ihm sagen wollte. Bis ihr ein rettender Gedanke kam. „Sie
erzählten vorhin, als Sie im Graben lagen, von einem neuen Gedicht!“
sagte sie hastig. „Ist es von Ihnen?“

Er lächelte ein wenig verlegen.

„Von mir!“

„Dann, bitte — wo haben Sie es? Lesen Sie es mir vor!“

-> > |

... SK#g

C'.

Die Hauptfront des Reichstagsgebäudes. Nach einer Rhotograpnie von A. Schwarz, hLoiphotograph, beriin.
 
Annotationen