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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Dincklage-Campe, Friedrich von: Diner der Generale am Neujahrstage
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Meyer, Wilhelm: Marzipan: Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0229

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MODERNE KUNST.

138

Gestalt des Kriegsministers, des Generals der Infanterie Bronsart von
Schellendorff. Der heitere Ausdruck seiner offene.n Züge lässt nicht ahnen,
welche Sorgen ihm sein Beruf auflegt. Freilich — auf der Rednertribüne
im Reichstage, da erkennt der Zuhörer, welche Willenskraft und Energie
dem --kriegs- und sieggewohnten Minister innewohnen, trotz des freund-
lichen Wesens.

Er ist in ein Gespräch verwickelt mit dem Chef des Militär-Cabinets,
dem: General der Infanterie von Hahnke,. dem weisen Leiter aller persön-
lichen Angelegenheiten in der Armee. Unter seiner Cabinetsleitung hat
sich im preussischen Heere unwiderstehlich das Bewusstsein eingebürgert,
dass kein Officier „kalt gestellt“ wird, so lange er für die Armee noch
nutzbringend ist. Neben dem greisen Feldmarschall Blumenthal sitzt der
fast jugendlich frische, hofmännisch formgewandte und elegante Comman-
dirende in Posen — General der Infanterie von Seeckt und ihm gegen-
über der Wächter an des Reiches Grenzen, der unermüdliche thätige,
und von den Franzosen so sehr respectirte General der Cavallerie Graf
-Haeseler. Er zeigt auch im Aeusseren die Willenskraft, die er in seinen
exorbitanten körperlichen Leistungen, in seiner nie rastenden Ausdauer
und Unternehmungslust an den Tag legt.

Ihm zur Rechten sitzt der Commandirende Admiral von der Goltz,
der Leiter der gesammten Macht des Reiches zu Wasser.

Im Vordergrunde unterhält sich der ehemalige Chef des Generalstabe si
Graf Waldersee, mit dem General von Kessler, Generalinspecteur' des
Militär-Erziehungswesens. Den Commandirehden des Garde-Corps, General
lieutenant von Winterfeldt, sehen wir aus der Tafelrunde durch seinen

weissen Bart hervorleuchten, und auch die Cavallerie - Inspecteure,

von Krosigk und der grosse Reiters- und Sportsmann von Rosenberg
fehlen nicht.

Im Vordergrunde aber erkennen wir den allverehrten Commandirenden
des Schlesischen Corps diesmal bei der friedlichen Beschäftigung der
Cigarrenprobe. . Der Wirth selbst ist es, der seine besten Havanna’s aus
dem Spinde hervorholte, — Sorten, die er nur so hervorragenden Gästen
bietet, wie sie heute in seinen Räumen vereint sind,

Welchen von den hier versammelten Generalen einst ein Platz in der
Ruhmeshalle vorbehalten ist — nur die Geschichte kann das lehren. Def
Feldherr wird bekanntlieh erst im Felde erkannt.

Zum Siege werden alle ihre Truppen führen, wenn’s einmal gegen den
Feind geht, —r daran zweifelt Niemand!

apzipan.

Skizze von Wilhelm Meyer.

aver Wanderer war Bildhauer und stammte aus Kirchberg am
Oberrhein. Schon frühzeitig wurde sein Talent entdeckt, und
. CJ Meister Jakoby, der am Ulmer Münster arbeitete, übernahm
seine Äusbildung. Als Xaver bei dem Meister nichts mehr zu lernen
hatte, nahm er Abschied und ging nach Berlin.

Die Leute in Kirchberg sagten damals: „Aus Xaver wird was. Wenn
er iinmal wiederkommt, ist er gross und berühmt.“ Indessen sie warten
noch heute auf ihn, denn Xaver ist nicht wiedergekommen.

So lange das väterliche Erbtheil vorhielt, ging es ihm in Berlin vor-
trefflich. Er lernte vielerlei Leute kennen und hatte grosse Ideen. Aber
sie waren zu gross. Er hatte die unglaubliehsten Einfälle.

„Die Bildhauerkunst“, sagte er in seiner ungeschickten Sprechweise,
iJcommt niemals recht vorwärts, weil sie sich mit lauter Kleinigkeiteh
abgiebt. Es ist immer dasselbe: Denkmäler, Statuen, Gruppen zu Zweien.
Man muss in’s Riesenhafte gehen.“ Er reiste einmal nach der Schweiz
imd wollte . die Stadt Glarus beschwatzen, dass sie ihm eine der hohen

Felswände am Glärnisch zu künstlerischen Zwecken überlassen sollte. Er
wollte da in beträchtlicher Höhe den Prometheus als riesenhafte Figur
aus dem Felsen herausmeisseln" und versprach sich davon eine grosse
Wirkung. Die Leute in Glarus hatten aber keinerlei Lust, denn sie sollten
die Sache bezahlen un.d hatten eine leise Ahnung, dass der Prometheus
über Glarus etwas lächerlich aussehen würde. Später hatte Xaver noch
grossartigere Ideen. Mitten in der Einsamkeit der Alpen, im Karwendel-
’gebirge oder ich weiss nicht wo, wollte er in gewaltiger Grösse die
Gigantomachia zur Darstellung bringen: oben auf riesigen Felsen die
Götter des Olympos, und die Felsen heraufdrängend, kämpfend, ringend
die Titanen.

Aus alledem wurde natürlich nie etwas. Erstens hätte die Sache
enorm viel Geld gekostet und zweitens wäre es immer fraglich gewesen,
ob für die wilde Bergeinsamkeit der steinerne Titanenkampf ein besonderer
Schmuck hätte sein können. Und endlich wäre es auch zweifelhaft
gewesen, ob Xaver für solche Riesenwerke der rechte Mann Wär. Die
Ausführung seiner Arbeiten liess fast immer zu wünschen übrig, die Pro-
portionen waren mangelhaft, und er hatte selten die Ausdauer, eine grosse
Säche durchzuführen,

Vor allem fehlte Xaver der Humor. Was er ersann, war ihm stets
heiliger Ernst, wenn aber andere seine Ideen leise verspotteten, so war
er nicht im Stande, mit ihnen zu lachen und nachzuweisen, ob sie Unrecht
oder Recht hatten. Er begänn sich von den Andern abzuschiiessen und
wurde ein verbitterter Mensch. Natürlich konnte Jemand mit solchen An-

schauungen und solcher Gesinnungsart in der grossen Welt nicht weit er
kommen. Seine Arbeiten wurden nicht gekauft, mit Geschäftsleuten und
Agenten verstand er nicht umzugehen, Bestellungen erhielt er nicht, u n^
er wurde mit der Zeit so gründlich arm und kam so jämmerlich herab,
dass „,Sein oder Nichtsein“ für ihn kaum noch eine Frage war.

Zu jener Zeit war Paul Laporte in Berlin ein berühmter Conditof-
Er stammte aus dem Wallis, wo man vortreffliche Kuchen backt, g ing
dann nach Wien, heirathete dort seine niedliche Jenny und begründete
in Berlin sein Geschäft. Was Paul zu Ansehen und Ruhm brachte, ' var
weniger die Qualität seiner Zuckerwaaren, als die feine. künstlerische A uS"
führung. Er legte Poesie auf die Torten, stellte aus eingemachten Früchte 0
wunderschöne Bouquets her und behandelte den Zucker so virtuos, dass
damals jede Hochzeitstorte bei Laporte gekauft wurde.

Einmal kam sogar Lord Beresford, damals Botschafter in Berlin, l0
eigener Person, und bestellte einen englischen Hochzeitskuchen. Es soll re
das ein Kunstwerk werden: oben Gott Amor und rings umher ein Dutzen^
kleine Liebesgötter.' „Einer solchen Aufgabe“, sagte sich Paul, „bist h u
als Conditor und einfacher Mann nicht gewachsen, hier muss ein Künstl er
in Action treten.“

Vom Stammtisch bei Siechen her war er mit Karl Heinrich Dreif usS
bekannt, der damals weder reich noch berühmt, noch Professor war. Ab er
über den Antrag, dem Zuckerbäcker Kuchen zu modelliren, war K aI^
Heinrich entrüsfet. Es fehlte nicht viel und er hätte den Conditor v° r
die Thür gesetzt.

„Aber nein, halt, warten Sie mal!“ rief er.

„Ich zahle Ihnen zwanzig Mark“, sagte Paul.

Karl Heinrich hatte von neuem Lust, den Conditor hinaus zu werf en’
aber er hielt an sich, denn er hatte eine gute Idee.

13

„Gehen Sie zu Xaver Wanderer“, sagte er, „Alte Jacobstrasse 1 ’
er ist auch Bildhauer, ein alter Freund von mir. Es geht ihm verfluc^
schlecht, vielleicht macht der’s."

So ging Herr Paul Laporte zu Xaver und traf ihn zu Hause. D er
war just beschäftigt Briefe zu schreiben, einen an seinen Onkel in Kj rC^
berg, einen an seine Schwester in Ulm. Er sass darüber schon den ganz e°
Vormittag; Briefschreiben war seine schwache Seite, und namentlich 1
diesem Falle war die Sache schwierig. Denn Xaver wollte Beiden nic^
mehr und nicht weniger mittheilen, als dass es jetzt mit ihm zu Ende s el
Mit seinem Gelde, seiner Kraft und mit seinen letzten kleinen Hoffnung el1
Dass es urtter solchen Umständen das Beste sei, durch die ganze Geschich r
einen Strich zu ziehen und Schluss zu machen. Dass mithin, wenn On
 
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