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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [5]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0171

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MODERNE KUNST.

77

T

^ -^eo quartirt mir morgen in aller Frühe um in das Erkerzimmer. Sie
Schiert ja wie ein Kürassier und schreit wie ein Wachsfigurenmensch
^ ern Jahrmarkt. Dabei soll ein Mensch schlafen!“

heft;

^• r lief mit hastigen Schritten hin und her und seine Hände gesticulirten
'§ er ais je. Frau Amalie hätte fast gelächelt.

^ ^enn ich nur erst Wasser hätte,“ sagte sie besorgt, „damit sie zur
s' nnung kommt!“

»Wasser?“ zuckte er auf. „Natürlich bummeln die Mädels wieder wie
^ e ^ehnecken! Aber wenn Zigeuner oder Musikanten im Dorf sind, da
'Den sie rennen. Wasser willst Du?“

drehte sich dreimal um sich selbst und seine Blicke irrten über
etl ^°f. Herrgott, da, kaum fünfzig Schritte entfernt, stand die Pumpe!

di

die Mädels waren daran vorübergelaufen, kopflos wie immer! Und

’ ynmittelbar neben der Pumpe, stand das Bretterhaus, das die Hand-
^ ritze von Rochollshof und ihre beiden Feuereimer beherbergte.

^ Herr von Rocholl schoss hin, riss einen der Feuereimer herab und
n§te ihn an den Pumpenhaken. Dann pumpte er mit fieberhafter An-
etlgung, pumpte . . . pumpte . . .

idnd während er pumpte, sah er nicht, wie Otti und Leo mit Wasch-
ussel, Wasserflasche und Handtuch aus dem Hause zurückkehrten.

sch


hat

^is Frau Amalie rief:

«Oh, Winand, sie erwacht! Sie schlägt die Augen auf!“

Er stürzte mit dem Feuereimer zu ihr hin.

»Wasser? Hier ist Wasser!“

hTau Amalie sah den Eimer an und dann sah sie ihren Gatten an.
nc^ diesmal lächelte sie wirklich.

»Aber, Winand!“ sagte sie sanft. „Du weisst doch . . . der Eimer
doch ..."

h:

Herr von Rocholl schaute hinein. Gleich darauf flog der Eimer weit

lnWeg über den Hof.

Seit Menschengedenken hatte es auf Rochollshoi nicht gebiannt. Und
^ er Eeuereimer hatte statt des Bodens ein Loch.

Gegen Abend hatte sich ein starker Wind erhoben, der schwarze,
^ eSenschwüle Wolken aus den Ecken des Firmaments zusannnenfegte.

ole

V,

Luft war heiss und schwer und am dunklen Horizont leuchtete es
eilen blitzartig auf und grollte dumpf wie Donner. Ein Gewitter nahte.
Trotz der guten Weine des alten Wichers und trotz der hochwichtigen
erhandlung mit demselben war Herr von Rocholl daher früher als ge-

wöhnlich aufgebrochen und fuhr bereits kurz nach zehn Uhr auf den
Rochollshof ein. perade als der Wind sich zu brausendem Sturm
aufblähte.

Herr von Rocholl brachte Wagen und Pferd unter und schickte sich
dann an, zum Herrenhause hinüberzugehen, in dem bereits alle Lichter
erloschen waren. In der Mitte des Weges blieb er plötzlich stehen. Ein
kreischendes Knarren, gefolgt von einem krachenden Knall war durch das
Sausen des Sturmes, das Rollen des Donners und das Plätschern des
Regens an sein Ohr gedrungen.

„Am Getreidespeicher ist’s!“ brummte er ärgerlich vor sich hin.
„Natürlich hat der Kerl, der Nachtwächter, die Fenster und Laden wieder
nicht nachgesehen und nun schlägt sie mir der Sturm in Stücke. —
Panske!“ schrie er in den Tumult hinein, „Panske!“

Panske antwortete nicht.

„Na ja,“ suehte Herr von Rocholl sich selbst zu beruhigen, „schwer-
hörig, wie er ist, halb lahm und furchtsam wie ein Hase — ein Muster-
nachtwächter! Wenn er nicht gewissermaassen zum Inventar von Rocholls-
hof gehörte, ich hätte ihn schon längst — aber bei Gott, morgen fliegt
er! Jawohl, er fliegt!“

Er lächelte über sich selbst. Panske war schon oft geflogen und
jedesmal von Herrn von Rocholl zurückgeholt worden. War’s nur ge-
schehen, weil er seines Alters wegen keinen Lohn mehr erhielt? .

„Seltsam nur, dass der Hund, der Rolf, sich nicht meldet, wie sonst
immer!“ knurrte Herr von Rocholl dann wieder ärgerlich und steuerte
gegen den Wind auf die grosse Hundehütte los, zu deren dunkler Oeff'-
nung er sich hinabbeugte.

„Alle guten Geister!“ schrie Panske’s Stimme entsetzt in der Tiefe.
,Abracadabra! Belle nicht, Rolfchen, um Gotteswillen, belle nicht! Weiche
von hinnen, verfluchter Geist. Im Namen des . . .“

Herr von Rocholl schlug zornig auf das Bretterdach der Hütte.

„Zum Henker, Mensch, bist Du verrückt? Ich bin’s ja! Wirst Du
gleich herauskommen?“

Der Nachtwächter seufzte drinnen tief auf. Aber er rührte sich nicht.

„Sind Sie’s auch wirklich gnädiger Herr?“ fragte er zitternd. ,,Die
Geister foppen die Menschen gern. Können Sie ,Abracadabra‘ sagen?
Böse Geister können’s nicht, sagt Fräulein Leo!“

Herr von Rocholl musste lachen.

„Meinetwegen!“ rief er zurück. „Abracadabra! Bist Du nun beruhigt?“

Aus der Hütte kam ein erleichterter Athemzug. [Fortsetzung foigtj

nsere

an hat sich jüngst daran gewöhnt, das Verhältniss der Geschlechter
zu einander als eine Art Kampf aufzufassen, bei dem es sich um
die bedingungslose Unterwerfung des Gegners handelt. Das Bild ver-
c Sein abschreckendes Aussehen, wenn die Waffen die der weiblichen An-
jn und, der männlichen Willensstärke bleiben. Bridgman’s orientalische

^ch,


0r>e Im Dämmerlicht“ harrt auf dem Dache des Harems des Geliebten. Die

atUoline ruht in ihrem Schoosse, die Linke bewegt in träumerischer Trägheit
y 6n Eächer über dem schönen Haupte, und die Rechte streichelt lässig das
n2end bräunliche Fell einer zahmen Gazelle, deren Rehaugen traumver-
etert sehnsuchtsvoll in die Ferne blicken, wie die der Herrin. Wenn der
j. ° nd dort drüben sich voll über die Dächer erhoben, wird er zu ihren Füssen
. Sen uncj liebestammelnd seine Niederlage bekennen, denn Sehnsucht weckt
j. nsUcht und Eros und Anteros sind Brüder. Ort und Gelegenheit sind den
lebenden stets günstig, sie müssen sie nur zu benutzen wissen; die Wald-
ist Amors liebster Tummel- und Spielplatz. „Auf den Anstand“ sind

e. ltlsamkeit
Eab,

Uach Kuechler’s Schilderei zusammengetroffen, aber Hoch- und Kleinwild
Jä etl V° r ^ en ^ässig auf der Schulter liegenden Gewehren Ruh. Jäger und
lir^j trni P^ auc* ern eifrig im Schatten der Buche. Die Rehe äsen ruhig weiter
‘üe Hasen machen possirliche Männchen, denn das Pärchen ist ungefährlich

und

i'ut des edlen Waidwerks völlig vergessen.

E)er Liebeskampf ist ein Spiel, der Daseinskampf des Menschen gegen
1 Henschen hat im Laufe der Zeiten mildere Formen angenommen, der
niPf mit den Elementen und den unabänderlichen Naturgesetzen wüthet

W>,

eiter.


»Schiffbrüchig“ haben sie sich auf ein Riff gerettet, Vater, Mutter und Kinder.
Ulfloser Noth sind die Frau und der ältcste Knabe am Felsen nieder-

gesunken, während der Vater, sein Jüngstes im Arm, sich hoch aufreckt, in
gewaltigem Aufschrei Hülfe heischend von den vorübersegelnden Schiffen.

Wo das Wissen dem naturnothwendigem Vergehen gegenüber versagt, tritt
der Aberglauben in seine Rechte. Noch immer arbeitet die „weise Frau“, wie
in St. Grocholski’s „Krankenbeschwörung“, mit Säften ganz besonderer Art,
mit Räucherpfannen und Zauberworten, und wenn der Kranke trotzdem stirbt,
dann sind die bösen Geister schuld daran, denen der stärkste Hocuspocus nichts
anhaben konnte.

Freudiger und hoffnungsvoller gestaltet sich das Verhältniss des Glaubens
zu den in gleichmässigem Wechsel waltenden Naturmächten. Wenn der Frühling
erwacht und die Erde mit Blumen schmückt, wird das „Maikreuz“ hinausgeleitet
in feierlicher Procession. Junge Menschenblumen tragen das aus den bunten
Lenzeskindern gebildete Kreuz, Weihrauchwolken umziehen es, und der ganze
Prunk der Kirche entfaltet sich, um die Erlösung der Menschheit in symbolischen
Einklang zu bringen mit dem Erwachen der Natur aus dem starren Winterschlai.
Die warme Frühlingssonne überstrahlt auf Meister Gallegos’ Bilde das Gold
der priesterlichen Gewänder und wirft glänzende Reflexe auf die blumenbestreuten
Steinplatten des Domes.

In blendende Farbenpracht getaucht ist Corrodi’s „Illumination am Bosporus“.
Dic Wasserstrasse bei Stambul bietet einen prächtigen Rahmen zu einer solchen
Farbensymphonie. Die malerisch hingelagerten Häusermassen, die im Hafen
ankernden schwarzen Schiffskörper bilden einen wirksamen Gegensatz zu dem
aufleuchtenden Lichtmeer. Diese IUumination wurde seiner Zeit zu Ehren des
deutschen Kaiserpaares vom Sultan befohlen, und Meister Corrodi durfte den
.überwältigenden Eindruck dieser Flammengluth im Bilde festhalten. Das Original
bcfindct sich im Besitze der Erbprinzcssin von Meiningen.

5 IV.
 
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